Mehr ausländische Verurteilte nach starkem Bevölkerungszuwachs
Im Jahr 2016 wurden in Baden‑Württemberg rund 102 600 Personen vor Gericht schuldig gesprochen. Gegenüber 2015 wurden 12 Personen mehr verurteilt. Damit lag die Zahl der gerichtlich Verurteilten 2016 faktisch auf dem Niveau des Vorjahres. Gleichwohl zeigt das Ergebnis, dass sich der seit dem Jahr 2007 zu beobachtende Rückgang der Verurteiltenzahl nicht weiter fortgesetzt hat. Ursächlich hierfür ist der Anstieg der verurteilten Erwachsenen im Alter von mindestens 21 Jahren um 550 Personen bzw. 0,6 % auf 89 500 Personen. In der Gruppe der Heranwachsenden im Alter von 18 bis unter 21 Jahren und der Jugendlichen im Alter von 14 bis unter 18 Jahren setzten sich die seit 2007 zu beobachtenden rückläufigen Trends bei der Verurteiltenzahl bis in das Jahr 2016 weiter fort. So ging die Zahl der Schuldsprüche gegenüber dem Vorjahr bei den Heranwachsenden um 3,2 % bzw. 300 Personen auf 9 000 Verurteilte zurück. In der Gruppe der Jugendlichen war der Rückgang der Verurteiltenzahl um 5,5 % oder 240 Personen auf nunmehr 4 100 deutlich stärker. Dies sagte die Präsidentin des Statistischen Landesamtes, Dr. Carmina Brenner, heute auf einer Pressekonferenz mit dem Minister der Justiz und für Europa, Guido Wolf, bei der Präsentation der aktuellen Ergebnisse der Strafverfolgungsstatistik.
Verurteiltenhäufigkeit in allen Altersgruppen gesunken
Informationen zur Zahl der Verurteilten sowie deren Entwicklung im Zeitverlauf sind gesellschaftspolitisch von besonderer Bedeutung. Allerdings ist bei der Auswertung der Daten zu beachten, dass die Zahl der Gerichtsverfahren durch eine ganze Reihe von Faktoren beeinflusst wird. Dies können beispielsweise mögliche Änderungen im Anzeigeverhalten, der Erfolg der Ermittlungsbehörden und von Projekten der Kriminalprävention sowie mögliche Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen und/oder der Sanktionierungspraxis der Gerichte und Staatsanwaltschaften sein. Ganz entscheidend für die Beurteilung der Kriminalitätsbelastung ist aber die demografische Struktur und Entwicklung der Bevölkerung. Um den Einfluss der demografischen Entwicklungen auf die Verurteiltenzahlen auszuschließen, wird eine demografiebereinigte Verurteiltenhäufigkeit (Verurteiltenziffer) berechnet, bei der die Zahl der Verurteilten auf die Personen der jeweiligen Bevölkerungsgruppe bezogen wird. Kinder und Jugendliche unter 14 Jahren bleiben unberücksichtigt, da diese nicht strafmündig sind. Aus dem Ergebnis der Strafverfolgungsstatistik 2016 zeigt sich, dass die Verurteiltenhäufigkeit insgesamt gegenüber dem Vorjahr um 1,4 % auf 1 081 zurückging. Bei den Heranwachsenden war der Rückgang der Verurteiltenziffer mit 7,3 % auf nunmehr 2 346 am stärksten. Bei den Jugendlichen ging die Ziffer um 4,5 % auf 908 und bei den Erwachsenen um 0,8 % auf 1 035 zurück. Damit war in allen Altersgruppen die Verurteiltenziffer so niedrig wie noch nie seit der Gründung Baden-Württembergs im Jahr 1952. Im Vergleich der Altersgruppen war die Verurteiltenziffer der Jugendlichen nunmehr bereits im dritten Jahr in Folge niedriger als bei den Erwachsenen. In der Altersgruppe der Heranwachsenden war die Verurteiltenziffer nach wie vor mit Abstand am höchsten. Von den insgesamt 102 600 Schuldsprüchen im Jahr 2016 wurden rund 83 500 gegen Männer und 19 200 gegen Frauen ausgesprochen. Während die Zahl der männlichen Verurteilten gegenüber dem Vorjahr um 1,3 % zunahm, gab es bei den Frauen einen Rückgang um 5,2 %. Die Frauenquote unter den Verurteilten ging gegenüber dem Vorjahr um einen Prozentpunkt auf nunmehr 18,7 % zurück. Frauen sind somit in weitaus geringerem Umfang an der gerichtlich registrierten Kriminalität beteiligt als Männer. Nur weniger als jeder fünfte ausgesprochene Schuldspruch betraf eine Frau.
Mehr ausländische Verurteilte
Unter den insgesamt 102 600 gerichtlich Verurteilten besaßen 40 600 Personen eine ausländische Staatsangehörigkeit. Ihre Zahl ist 2016 gegenüber dem Vorjahr um 3 400 bzw. 9,2 % gestiegen und war lediglich in den Jahren 1993 und 1994 noch höher. Die Zahl der verurteilten Deutschen ist 2016 im Vergleich zum Vorjahr um 3 400 oder 5,2 % auf 62 000 gefallen. Damit setzte sich die gegenläufige Entwicklung dieser Verurteiltengruppen, die bereits seit dem Jahr 2011 zu beobachten ist, weiter fort. Bezogen auf die Gesamtzahl der Verurteilungen hatten 2016 insgesamt 39,6 % der Verurteilten eine ausländische Nationalität. Gegenüber dem Vorjahr erhöhte sich damit der Anteil der ausländischen Verurteilten um 3,4 Prozentpunkte. Hierfür war vor allem der Zuwachs um 9,9 % (+3 300 Verurteilte) bei den Erwachsenen mit ausländischer Staatsangehörigkeit ausschlaggebend. Bei der Betrachtung der ausländischen Verurteiltenzahlen ist allerdings zu berücksichtigen, dass in Baden‑Württemberg die ausländische Bevölkerung im strafmündigen Alter gegenüber dem Vorjahr besonders stark zugenommen hat (+129 300 Personen bzw. +10,3 %). Insgesamt war der Bevölkerungszuwachs bei der ausländischen Bevölkerung also stärker als der prozentuale Zuwachs der ausländischen Verurteilten, sodass die Verurteiltenhäufigkeit bei den ausländischen Verurteilten 2016 gegenüber dem Vorjahr um 1 % zurückging. Bei der deutschen Bevölkerung sank die Verurteiltenhäufigkeit um 5,3 %.
Deliktstruktur deutscher und ausländischer Verurteilter
Im Jahr 2016 entfielen rund drei Viertel der insgesamt 102 600 gerichtlichen Schuldsprüche auf fünf Straftatengruppen. An erster Stelle standen mit einem Anteil von 22,3 % an allen verurteilten Straftaten die Straßenverkehrsdelikte, noch vor Betrug und Untreue (20,3 %) und Diebstahlsdelikten (17,9 %). Verurteilungen wegen Drogen- und Gewaltdelikten waren mit Anteilen von 8,4 bzw. 3,6 % im Vergleich dazu deutlich seltener1. Bezüglich der Struktur zeigen sich allerdings deutliche Unterschiede bei deutschen und ausländischen Personen. So standen 2016 bei den verurteilten Deutschen die Straßenverkehrsdelikte an erster Stelle (25,2 %), noch vor Betrug und Untreue (21 %) und Diebstahlsdelikten (12,5 %). Verurteilungen wegen Drogen- und Gewaltdelikten folgten erst mit Abstand (9,8 bzw. 3,2 %). Personen mit ausländischer Nationalität wurden dagegen am häufigsten wegen Diebstahls (26,2 %), Betrugs und Untreue (19,4 %) und Straßenverkehrsdelikten (17,7 %) verurteilt. Verurteilungen wegen Drogen- und Gewaltdelikten (6,4 bzw. 4,2 %) waren im Vergleich dazu wie bei den deutschen auch bei den ausländischen Verurteilten deutlich seltener. Insgesamt spiegelt sich in den fünf großen Straftatengruppen die gegenläufige Entwicklung der Zahl der Verurteilungen von deutschen und ausländischen Personen wider. Im Vergleich zum Vorjahr ging 2016 die Zahl der deutschen Verurteilten in allen fünf genannten Straftatengruppen zurück, während die Zahl der Schuldsprüche gegen Personen mit ausländischer Nationalität mit Ausnahme der Verurteilungen wegen Betrugs und Untreue in allen anderen großen Deliktgruppen zunahm.
Weniger Verurteilte wegen Betrugs und Untreue sowie Straßenverkehrsdelikten
Gegenüber dem Vorjahr war in der Deliktgruppe Betrug und Untreue der zahlenmäßig stärkste Rückgang um 2 200 Schuldsprüche (−9,4 %) zu beobachten. Dieser ergab sich fast ausschließlich aus dem Rückgang der Verurteilungen gegen deutsche Personen (−2 100 Verurteilungen). Ursächlich für die deutlich geringere Zahl an Verurteilungen in der Deliktgruppe war vor allem der starke Rückgang an Verurteilungen wegen des Erschleichens von Leistungen wie beispielsweise Schwarzfahren in öffentlichen Verkehrsmitteln (Beförderungserschleichung)2. Insgesamt wurden 2016 rund 20 900 Verurteilungen wegen Betrugs und Untreue ausgesprochen, davon 14 800 gegen Männer und 6 100 gegen Frauen. Der Frauenanteil ist bei den Verurteilten dieser Straftatengruppe mit 29,4 % vergleichsweise hoch und liegt über 10 Prozentpunkte höher als bei der Gesamtheit aller Straftaten (18,7 %).
Bei den Straßenverkehrsdelikten hat sich der seit 2003 fallende Trend weiter fortgesetzt. 2016 gab es insgesamt 22 900 Schuldsprüche wegen Straßenverkehrsdelikten, das waren 30 Verurteilungen oder 0,1 % weniger als 2015. 83 % der Schuldsprüche (19 000 Fälle) entfielen auf Männer. 2016 wurden allein 10 300 Personen wegen Straftaten im Straßenverkehr in Trunkenheit verurteilt, das waren 45,2 % aller Verurteilungen wegen Straßenverkehrsdelikten.
Mehr Verurteilte wegen Diebstahls, Drogen- und Gewaltdelikten
Nachdem die Zahl der Verurteilungen wegen Gewaltdelikten fünf Jahre in Folge rückläufig war, ist die Zahl der Schuldsprüche in dieser Deliktgruppe im Jahr 2016 wieder leicht angestiegen. 2016 ergingen 3 700 Schuldsprüche wegen Gewaltdelikten, das waren gut 80 Verurteilungen oder 2,3 % mehr als ein Jahr zuvor. Ausschlaggebend für den Anstieg war der Zuwachs der Schuldsprüche bei den Jugendlichen (+5,3 %), aber auch bei den Erwachsenen (+2,7 %). Bei den Heranwachsenden gab es dagegen einen Rückgang der Zahl der Verurteilungen (−1,8 %). 2 000 Schuldsprüche wurden gegen Deutsche verhängt (−130 Personen bzw. −6,3 %) und 1 700 gegen ausländische Personen (+220 Personen bzw. 14,6 %). Zu den Gewaltdelikten zählen vor allem gefährliche und schwere Körperverletzungen einschließlich Körperverletzungen mit Todesfolge, aber auch Raubdelikte, Mord, Totschlag und Vergewaltigung. Innerhalb der Gewaltdelikte erhöhte sich die Zahl der Verurteilungen wegen gefährlicher Körperverletzung3 zahlenmäßig am stärksten. Auf diese mit einem Anteil von 72 % größte Untergruppe entfielen im vergangenen Jahr 2 700 Verurteilungen, rund 130 oder 5,2 % mehr als 2015.
Die Zahl der Verurteilungen wegen Drogendelikten nahm nach einem Rückgang im Jahr 2015 aktuell wieder zu. 2016 wurden insgesamt 8 700 Personen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig gesprochen. Das waren 180 Personen oder 2,1 % mehr als ein Jahr zuvor. Die höhere Zahl an Schuldsprüchen ist auf den Zuwachs der Verurteilungen ausländischer Personen (+310 Verurteilte bzw. 13,3 %) zurückführen. Allgemein handelte es sich bei den Verurteilungen wegen Drogendelikten überwiegend um den unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln (3 900 Fälle) und um das unerlaubte Anbauen, die Herstellung und das Ein- oder Ausführen von Betäubungsmitteln ( 3 200 Fälle).
Die Verurteilungen wegen Diebstahls nahmen nunmehr im vierten Jahr in Folge zu. 2016 erhöhte sich die Zahl der Schuldsprüche gegenüber dem Vorjahr um gut 600 auf 18 400, was einem Zuwachs um 3,5 % entspricht. Ursächlich hierfür war der deutliche Anstieg um 1 200 Schuldsprüche gegen ausländische Tatverdächtige (+12,2 %). Bei den deutschen Verurteilten gab es einen Rückgang um 540 (−6,5 %). Insgesamt wurden 10 600 Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit und 7 800 Deutsche wegen Diebstahls verurteilt. Dabei nahm 2016 gegenüber dem Vorjahr die Zahl der Verurteilungen sowohl bei den einfachen4 wie auch bei den schweren5 Diebstählen zu. Bei den einfachen Diebstählen, die nicht mit Gewaltanwendung verbunden sind, stieg die Zahl der Schuldsprüche um 120 auf 15 000 (+0,8 %), die Fälle von schwerem Diebstahl wie beispielsweise Einbruch- oder Bandendiebstahl nahmen um 500 auf gut 3 400 zu (+17,1 %). Ausschlaggebend hierfür war die höhere Zahl an Verurteilungen wegen Einbruchdiebstahls (ohne Wohnungseinbruchdiebstahl) und Diebstahls in besonders schweren Fällen. Die Zahl der Verurteilungen wegen Wohnungseinbruchdiebstahls, die ebenfalls zu der Deliktgruppe der schweren Diebstähle zählen, blieb dagegen unverändert.
Geldstrafe mit Abstand am häufigsten verhängt
Bei den insgesamt 102 600 Schuldsprüchen im Jahr 2016 wurde in 81 200 Fällen oder 79,1 % eine Geldstrafe verhängt. 14 900 Personen oder 14,5 % wurden zu einem Freiheitsentzug in Form einer Freiheits- oder Jugendstrafe verurteilt. Davon setzten die Gerichte 10 200 zur Bewährung aus, sodass letztlich rund 4 700 Verurteilte oder 4,5 % aller Verurteilten nach dem Schuldspruch eine Gefängnisstrafe in Form einer Freiheits- oder Jugendstrafe antreten mussten. Bei den übrigen 6 500 Verurteilten oder 6,4 % wurden Zuchtmittel wie beispielsweise Verwarnungen oder Jugendarrest sowie Erziehungsmaßregeln wie die Erbringung von Arbeitsleistungen oder die Unterbringung in einem Heim auferlegt.