Die neue AVR Bioabfallvergärungsanlage in Sinsheim: Landesweites Vorzeigeprojekt geht in die Realisierungsphase
(zg) Man kann es mit Fug und Recht als historischen Meilenstein in der Geschichte des Rhein-Neckar-Kreises bezeichnen. Ein ambitioniertes Vorzeigeprojekt, das dem Landkreis selbst und insbesondere seiner hier agierenden Tochter, der Sinsheimer AVR-Gruppe, in der Region und weit darüber hinaus Anerkennung, Zuspruch und Beachtung einbringt. Mit seiner Zustimmung vom 4. April 2017 hat der Kreistag des Rhein-Neckar-Kreises als zuständiges Gremium jetzt grünes Licht für das Projekt „AVR Bioabfallvergärungsanlage“ gegeben.
Für Peter Mülbaier eine überaus bedeutsame und gleichermaßen wegweisende Entscheidung, denn hinter dem Geschäftsführer der AVR UmweltService GmbH und seinem engagierten Team liegen viele aufreibende Monate anspruchsvoller Planungen, aufwändiger Ausschreibungsverfahren, akribischer Wirtschaftlichkeitsberechnungen und strategischer Feinarbeiten. „Ich freue mich sehr über das positive Feedback, denn jetzt kann es in die Realisierungsphase gehen. Der Baubeginn ist – nach Abschluss der vorgeschalteten Genehmigungsverfahren – auf Beginn 2018 terminiert, die finale Abnahme soll nach erfolgreichem Probebetrieb im Frühjahr 2019 erfolgen. Das ehrgeizige Leuchtturmprojekt mit einem Investitionsvolumen von rund 45 Millionen Euro stellt damit zum einen die langfristige Entsorgungssicherheit des Rhein-Neckar-Kreises sicher, zum anderen bringt es die politisch gewollten Ziele wie regionalen Klimaschutz oder autarke regionale Energieversorgung einen entscheidenden Schritt voran“, sagt Mülbaier und bedankt sich an dieser Stelle ausdrücklich für das konstruktive Teamwork aller Beteiligten.
Die BioEnergieTonne als Energieressource der Zukunft
Früher war Müll einfach nur Müll. Heute sind Abfälle längst zu einer bedeutenden Energiequelle geworden. Deutschland ist ein rohstoffarmes Land. Deshalb ist der Weg, Wertstoffe zu sammeln, stofflich und energetisch zu verwerten und im Ergebnis mittels moderner technischer Verfahren aus Abfallstoffen „grüne Energien“ zu gewinnen, konsequent und zukunftsweisend. Bereits seit 2011 bietet die AVR den Bürgerinnen und Bürgern im Rhein-Neckar-Kreis die Möglichkeit, Biomüll (beispielsweise Küchenabfälle und Grünabfälle) über die gebührenfreie BioEnergieTonne (braune Tonne) getrennt zu sammeln und Grünschnitt gebührenfrei an den verschiedenen AVR-Anlagen abzugeben. Damit setzt die AVR-Gruppe in einer Art Vorreiterrolle bereits seit mehreren Jahren die nunmehr seit 1. Januar 2015 in Kraft getretenen Vorgaben des Kreislaufwirtschaftsgesetzes um. Soll heißen: die flächendeckende Einführung der BioEnergieTonne und im Nachgang die so genannte „Kaskaden-Nutzung“, was soviel bedeutet wie eine mehrfach hintereinander geschaltete, stoffliche und energetische Verwertung der gesammelten Abfallmengen.
Der Weg zu neuen ökologischen und ökonomischen Potentialen
Die jährlich im Rhein-Neckar-Kreis gesammelten Mengen an Biomüll weisen seit Jahren rasante Steigerungsraten auf. Von rund 7.000 Gewichtstonnen im Jahr 2011 auf rund 47.000 Gewichtstonnen in 2015, Prognose weiter steigend auf bis zu 60.000 Tonnen und mehr in den kommenden Jahren. Diese Mengen sind gleichzeitig der Ausgangspunkt für die Nutzung neuer ökologischer und ökonomischer Potentiale: der Bioabfallvergärung.
Aktuell sind rund 100.000 Abfallsammelgefäße als BioEnergieTonnen im Einsatz. Und es sollen nach realistischen Schätzungen noch deutlich mehr werden im Laufe der kommenden Monate und Jahre. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Der Rhein-Neckar-Kreis ist ein attraktiver Standort mit gefragten Arbeitsplätzen und einer hoher Lebensqualität, seine Bevölkerung wächst stetig und ist zudem in weiten Teilen nachweislich „grüne-Energien-affin“. Wenn also zunehmend mehr Bürgerinnen und Bürger die Strategie des getrennten Sammelns mittels der BioEnergieTonne verinnerlichen und sich damit der Idee anschließen, durch eigenes Zutun am Ende hochwertige Produkte für die hiesige Landwirtschaft und grünes Bioerdgas für eine saubere Energieversorgung zu generieren, dann ist das Plus an Mengen sichergestellt. Um die gewünschte Unterstützung der Bevölkerung entsprechend zu befördern, auch, was das Thema „Verbesserung der Müllqualität“ durch konsequentes Trennen angeht, wird die AVR-Gruppe demnächst mit einem eigens dafür erarbeiteten Kommunikationskonzept an den Start gehen.
Die AVR BioTerra GmbH & Co. KG
Um für die Sparten Kompost und Bioerdgas rechtssichere Organisationsstrukturen zu schaffen und das komplexe Gesamtprojekt gleichzeitig auf eine möglichst breite Know-how-Basis zu stellen, hat man im Vorfeld zwei neue Gesellschaften gegründet. Mit diesem Schritt werden vorhandene Kompetenzen und externer Sachverstand für die anstehenden Aufgaben und Vorhaben zielgerichtet gebündelt. Die gesammelten Stoffströme werden künftig in einer hochmodernen Anlage vergoren, getrocknet und anschließend als gütegesicherter, zertifizierter Frischkompost für die Landwirtschaft vermarktet. Aus einer europaweiten Ausschreibung ist die Firma REMONDIS hier als künftiger AVR-Partner hervorgegangen. Ein Partner, der seine weitreichenden Erfahrungen als größter europäischer Entsorger mit einbringt und zudem in Deutschland bereits mehrere Anlagen dieser Art gebaut hat und betreibt. „REMONDIS Region Südwest“ wird mit 49% an der AVR BioTerra GmbH & Co. KG beteiligt und wird außerdem die Bioabfallvergärungsanlage als Generalübernehmer zu einem vertraglich vereinbarten Festpreis errichten. Damit sind unerwünschte Budgetüberschreitungen bereits im Vorfeld definitiv ausgeschlossen. 51% an der AVR BioTerra GmbH & Co. KG verbleibt in Händen des Rhein-Neckar-Kreises. Die Geschäftsführung wird von der AVR UmweltService Verwaltungs GmbH gestellt.
Die AVR BioGas GmbH
Im zweiten Schritt wird das durch den Vergärungsprozess erzeugte Rohgas von der AVR BioGas GmbH zu Bioerdgasqualität aufbereitet und anschließend direkt in das öffentliche Erdgasnetz eingespeist. An der AVR BioGas GmbH sind die MVV Energie AG mit 41,5%, die Stadtwerke Sinsheim Versorgungs GmbH & Co. KG mit 7,5% und die AVR Energie GmbH mit 51% beteiligt. Gleiches wie bei der Sparte der Bioabfallvergärung gilt auch für die strategische Vorgehensweise bei der AVR BioGas GmbH. Durch die Beteiligung der renommierten und erfahrenen MVV Energie AG und der Stadtwerke Sinsheim Versorgungs GmbH & Co. KG sind auch hier kompetente Partner mit an Bord. Im Rahmen eines Projektentwicklungs- und Baumanagement-Vertrags bringt die MVV Energie AG ihre Kompetenz auf dem Gebiet der Biogasaufbereitung und Netzeinspeisung direkt in das Projekt ein.
Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit, Synergieeffekte
Die mehrstufige Konzeption der Bioabfallvergärungsanlage erfüllt gleich eine Vielzahl markanter Kriterien, von der Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit über diverse Synergieeffekte bis hin zur konsequenten Nutzung von staatlichen Förderrichtlinien.
Beispiel Nutzung von Förderrichtlinien: der Gesetzgeber fördert im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) verstärkt Biogas aus der kommunalen Abfallverwertung. Ein Umstand, dem mit den Produktionsabläufen in der neuen Vergärungsanlage vollauf Rechnung getragen wird.
Beispiel Synergieeffekte: ein Teil der Abwärme des direkt benachbarten AVR-Biomasseheizkraftwerks wird künftig nicht mehr „in die Luft geblasen“, sondern für die Trocknung der flüssigen Gärreste verwendet. Damit ist ein weiterer Ressourcenkreislauf ökologisch und vor allem auch ökonomisch sinnvoll geschlossen, denn die Akteure haben bei der künftigen Form der Abfallverwertung nicht nur die Beförderung der regionalen Klimaschutzziele, sondern auch die Wirtschaftlichkeit und eine stabile Rentabilität fest im Blick.
Technik, Mengen, neue Arbeitsplätze
Die Bioabfallvergärungsanlage verfügt über modernste Verfahrenstechnik, wird nach heutigem Erkenntnisstand im Bereich Bioabfall/Kompost einen täglichen Durchlauf von 260 Tonnen verarbeiten, wird an sechs Tagen die Woche im Zweischichtbetrieb gefahren und wird darüber hinaus auch noch 13 neue Vollzeitarbeitsplätze schaffen. Und sollte sich dennoch das eine oder andere unerwünschte Teilchen eingeschlichen haben, sorgt eine akribische manuelle Auslese für „lupenreines Ausgangsmaterial“ bei der Komposterzeugung.
Die garantierte Produktionsmenge im Bereich der Bioerdgasaufbereitung beträgt 25. Mio. kWh pro Jahr, die final angestrebte Quote liegt hier bei ca. 37 Mio. kWh pro Jahr. Die Bioabfallvergärungsanlage wird aus Sicherheitsaspekten in ihren wesentlichen Teilen redundant ausgeführt, ein tatsächliches Ausfallrisiko geht damit gegen Null. Nicht zu vergessen die komplette Einhausung der Anlage, sozusagen das i-Tüpfelchen eines innovativen und beeindruckenden technischen Gesamtwerkes. Unterdruck und zahlreiche Biofilteranlagen stellen sicher, dass im Regelfall keinerlei Gerüche nach außen dringen. Eine vergleichbare Anlage der Partnerfirma REMONDIS in Witten befindet sich übrigens nur wenige Meter von der dortigen Hausbebauung entfernt. Ein Musterbeispiel gelungener Ingenieurskunst, das jetzt in Sinsheim seine Fortsetzung erfahren wird. Übrigens auch jederzeit zu besichtigen. Die AVR-Gruppe steht bei der entsprechenden Reiseorganisation gerne zur Verfügung, falls Interesse bei der hiesigen Bevölkerung bestehen sollte.
Der Standort Sinsheim
Bei der Standortwahl für die AVR-Biovergärungsanlage wurde besonders darauf geachtet, dass die notwendige Infrastruktur bereits weitgehend vorhanden ist und sowohl verkehrstechnische als auch sonstige eventuelle Belästigungen der Bürgerinnen und Bürger beim Bau oder dem späteren Betrieb somit auszuschließen sind. Das Gelände auf der Deponie Sinsheim, im direkten Umfeld des AVR-Biomasseheiz-kraftwerkes, bietet dafür in jeder Hinsicht die notwendigen Voraussetzungen. Von technischen Einrichtungen über Waagen bis zu einem modernen Maschinenpark ist bereits alles vorhanden.
Für die AVR-Gruppe ist der neuerliche, partnerschaftliche Schulterschluss mit der Stadt Sinsheim zudem ein klares Bekenntnis zum Unternehmenssitz und ein Zeichen der Verbundenheit zum AVR-Standort. Nach dem Willen der AVR soll auch die Stadt von den künftigen Aktivitäten der AVR BioTerra GmbH & Co. KG und der AVR BioGas GmbH mittel- und langfristig profitieren.
Quelle: Stephan Grittmann