Museumspräsident erinnert sich an den Erwerb des Supervogels TU-144
(zg) Wir befinden uns mitten im Kalten Krieg. Ost gegen West, Planwirtschaft gegen Marktwirtschaft, RGW gegen EWG, ein unendlicher Rüstungswettstreit hielt die gesamte Welt in Atem: Wer ist schneller, stärker – wer hat die Nase vorn? Was den letzteren Punkt betrifft, so konnte die damalige Sowjetunion den Sieg für sich verbuchen: Am 31. Dezember 1968 gelang es dem kommunistischen Osten noch vor dem Westen einen Supersonic-Passagierjet abheben und sicher landen zu lassen, die legendäre Tupolev TU-144.
50 Jahre danach thront ein Exemplar aus den Produktionshallen des Konstruktionsbüros OKB Tupolev auf dem Dach des Technik Museum Sinsheim: die Tupolev TU-144 mit der Kennung „CCCP-77112“. Nur eine Nasenspitze dahinter das französisch/britische Pendant – die Concorde F-BVFB.
Der Weg dahin war lang, ein ganzes Jahrzehnt um genau zu sein. So lange hat man sich damals in der GUS Zeit gelassen mit der Antwort auf die Anfrage seitens des Museums aus Sinsheim. „Mein Traum war es, für das Museum eine Concorde zu bekommen. Dies war jedoch fast unerreichbar. Also haben wir (der Museumsverein) überall wo es Concorde-ähnliche Flugzeuge gab versucht, uns ins Gespräch zu bringen. So auch bei Tupolev,“ erinnert sich Museumspräsident Hermann Layher. „Nachdem wir die Antonov AN-22 1999 aus Kiew geholt und alle unsere Zusagen eingehalten hatten, kam Herr Pukhov, technischer Chef der Firma Tupolev, im Rahmen der EXPO 2000 in Hannover zu uns und fragte, ob wir noch Interesse an einer Tupolev hätten. Auf eine Anfrage, die schon 10 Jahre alt war, haben wir plötzlich eine Antwort bekommen. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie riesig die Freude war – wir kriegen eine der insgesamt 16 produzierten Maschinen.“
Danach ging alles etwas zügiger voran. In einem Aufsehen erregenden Transport, der über 4.000 km von Moskau nach Sinsheim führte und europaweit ein riesiges Echo fand, wurde die Tupolev auf dem Wasser- und Landwege zum Museumsgelände transportiert. Den Höhepunkt bildete das letzte Stück des Transportes: Da aufgrund der gewaltigen Ausmaße der Tupolev eine Fahrt durch das Stadtgebiet von Sinsheim nicht in Frage kam, wurde das zerlegte Flugzeug direkt von der gesperrten Autobahn auf das Museumsgelände gehoben. Anschließend galt es, den Riesenvogel wieder komplett zu montieren, die gewaltigen Stahlpfeiler zu bauen, um dann das 67 Meter lange und 100 Tonnen schwere Flugzeug in Startposition über dem Dach der Halle 2 zu setzen. Mit einem Kran-Tandem wurde das Rekordflugzeug positioniert und rechtzeitig zum 20-jährigen Museumsjubiläum am 06. Mai 2001 dem Publikum zugänglich gemacht.
Einige Sitzreihen, das spartanische Interieur, sowie das Cockpit haben die Restauratoren und Museumsmitarbeiter weitestgehend im Originalzustand lassen können. Was die Technik betraf, so stand diese unter sowjetischer Geheimhaltung – dies erklärt, warum keine Triebwerke mitgeliefert wurden.
Mit der Aufstellung der Concorde 2003 gelang dem Museum ein weiterer Coup: Beide Überschall-Passagierflugzeuge sind in Startposition nebeneinander aufgestellt. Der Museumspräsident erklärt noch heute voller Stolz: „Die Tupolev und die Concorde gemeinsam an einer Stelle gibt es auf der ganzen Welt nur bei uns in Sinsheim. Beide Flugzeuge dann auch noch begehen zu können, ist ein absolutes Highlight für die Museumsbesucher. Es ist auch die einzig begehbare Tupolev TU-144 in ganz Europa.“
Quelle: Simone Lingner