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Im Gegenteil

19. November 2012 | Das Neueste, TSG 1899 Hoffenheim

1899 Hoffenheim bleibt, anders als man sich das wünschen würde, die große Überraschung in dieser immer noch jungen Bundesligasaison. Meist geschieht das Gegenteil von dem, was man erwarten zu können meint. Das frühe Pokalaus, die Heimniederlage gegen Frankfurt, die Siege gegen Hannover, Stuttgart und Schalke, die Unentschieden gegen Augsburg, Fürth und Düsseldorf – Punkte wurden gewonnen und verloren, ohne dass man darauf vorbereitet gewesen wäre.

Nach dem unerwarteten Heimsieg über Schalke 04 hätte man bspw. gedacht, dass auch Wolfsburg daheim zu packen sein müsste. Aber wieder einmal geschah das Gegenteil. Die Wölfe wirkten von der ersten Spielminute an präsenter, abgeklärter, Hoffenheim suchte noch nach sich selbst. Viel Zeit dazu blieb jedoch nicht, schon in der 7. Minute gingen die Wölfe in Führung. Und bauten die Führung in der 24. Minute aus. Danach, so viel war klar, würde es schwer werden, zurück in die Partie zu finden.

Oft werden Fußballspiele wie diese schon in den ersten Minuten entschieden, wenn Mannschaften aufeinander treffen, die sich eigentlich das Wasser reichen können und ähnlichen Fußball spielen. Wer dann zu Spielbeginn sein Konzept durchsetzt, hat fast immer die besseren Karten. Oft unterscheidet die beiden Mannschaften dabei nur ein Tick Geistesgegenwart, so dass der spätere Verlierer sich gleich zu Anfang in eine Rolle gedrängt sieht, die er zum einen nicht ausfüllen wollte und zum anderen auch nicht gut ausfüllen kann. Nur mit äußerster Mühe und viel Glück findet ein Team aus solcher Zwangslage wieder heraus.

So geschehen in Sinsheim. Wolfsburg stülpte Hoffenheim sein Konzept der schnellen Angriffe über, bevor Hoffenheim das umgekehrt tun konnte. Damit lag die Marschrichtung der gesamten Partie auch schon fest. Die souveränen Wolfsburger Angreifer besorgten aber zunächst noch, was die hoch talentierten Hoffenheimer Angreifer natürlich ebenfalls vorgehabt hatten: Tore zu schießen. Im Anschluss musste Wolfsburg nur noch abwarten und zupacken. Hoffenheim dagegen musste gegen die eigene Enttäuschung, gegen die Enttäuschung der Fans und gegen ein ungeliebtes Spielsystem ankämpfen, musste sein Spiel gegen massives Pressing und auf engstem Raum aufbauen und zugleich gegen gefährliche Gegenangriffe absichern.

Die Wölfe hatten in dieser Konstellation denkbar wenig Mühe, die erste Halbzeit in Führung liegend durchzubringen, indem sie Hoffenheim arbeiten ließen und nur noch auf Konter lauerten. Zwar wäre kurz vor dem Pausenpfiff fast noch der Hoffenheimer Anschlusstreffer gefallen, aber das Glück war wie so oft aufseiten derer, die das Heft in der Hand hielten. Hoffenheim blieb nur noch die Hoffnung, den Spieß in der zweiten Halbzeit umdrehen zu können und dann Wolfsburg umgekehrt ins Korsett der eigenen Ideen zu zwingen.

Bei zwei Toren Rückstand war das keine leichte Aufgabe. Aber es fehlte nicht viel, und der Plan wäre aufgegangen. Sofort nach Wiederanpfiff ergriff die TSG die Initiative, eroberte sich leidenschaftlich und mutig das Mittelfeld und kam durch die schnellen Angreifer wiederholt zu Großchancen. Jetzt gelang es endlich, den Gegner zu Fehlern zu zwingen und nicht mehr selber zu Fehlern gezwungen zu werden, was in prinzipiell ausgeglichenen Spielen meist von spielentscheidender Bedeutung ist. Dabei zahlte sich aus, dass Markus Babbel Diegos persönlichen Bewacher Williams aus dem Team genommen und durch Grifo als neue Offensivkraft ersetzt hatte, so dass Salihovic, von Beginn an für Usami dabei, nun auf der Sechserposition zusammen mit Rudy die Fäden des Spiels ziehen konnte.

Wer also in der ersten Halbzeit noch geglaubt hatte, Hoffenheim wäre Wolfsburg systematisch unterlegen, sah sich nach dem Wiederanpfiff massiv getäuscht. 10:0 Eckbälle und 20:8 Torschüsse für die TSG sprechen eine andere Sprache – und beweisen leider, wie wichtig es tatsächlich ist, in Spielen auf ungefährer Augenhöhe den Anfangsimpuls zu setzen. Gelingt das nicht, kann man den eigenen Impuls eben selten mehr zielführend einsetzen.

Was vom Spiel blieb, nachdem erst Wolfsburg noch den dritten Treffer erzielt hatte und Hoffenheim zuletzt auf 1:3 verkürzen konnte, war erneut die Erkenntnis, wie gegenteilig die TSG in dieser Saison agiert, oft genug auch innerhalb einer Partie. An gestalterischer Kraft, an spielerischer Substanz fehlt es grundsätzlich nicht. Das war auch gegen Wolfsburg zu sehen, die Partie hätte im Prinzip 3:3 oder 4:4 ausgehen oder sogar gewonnen werden können, und manch anderer in der Vergangenheit verlorener Punkt hätte ebenfalls nicht liegen bleiben müssen.

Bei so viel Widersprüchlichkeit könnte man fast erwarten, dass Hoffenheim gegen Leverkusen nächste Woche im Heimspiel gewinnt. In jedem Fall ist die Chance dazu gegeben, auch wenn gegen die Werkself in der Vergangenheit selten viel gelang. Richten wir uns in jedem Fall darauf ein, dass im kommenden Sonntagsspiel wieder einiges Unerwartete geschieht.

Quelle: TSG 1899 Hoffenheim, 1899-Freunde Alexander Hans Gusovius

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