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Rede von Herrn Landrat Stefan Dallinger zur Einbringung des Verwaltungsentwurfs des Haushaltsplans 2020

26. Oktober 2019 | Allgemeines, Das Neueste, Landrat Stefan Dallinger

Meine sehr geehrten Damen und Herren Kreisrätinnen und Kreisräte, liebe Gäste,
der Haushalt 2020, mit dem wir rund 640 Mio. € allein für den Kernhaushalt, und mit den Wirtschaftsplänen des Eigenbetriebs Bau, Vermögen und Informationstechnik und der Kreisgesellschaften in 2020 Konzern-Rhein-Neckar-Kreis-weit voraussichtlich 1,1 Mrd. €, auf den Weg bringen, wird maßgeblich von landes-, bundes-, und sogar weltweiten Entwicklungen beeinflusst. Dies betrifft insbesondere die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, soziale Fragestellungen aber auch den Klimaschutz und die Migration.
Hinter uns liegt eine lange Strecke, die von einem dauerhaften wirtschaftlichen Aufschwung geprägt war. Daran dürfen wir uns aber bei zukunftsorientierten Planungen nicht gewöhnen und erste Indikatoren, wie die steigende Anzahl von Anträgen auf Kurzarbeit und rückgehende Gewerbesteuervoranmeldungen zeigen, dass zumindest mit einer, hoffentlich nur zeitlich begrenzten, Eintrübung bzw. Delle der wirtschaftlichen Parameter zu rechnen ist. Aktuell zeigt sich, dass die deutsche Wirtschaft sich eher schwach entwickelt. Die Stimmung trübt sich ein. Ich selbst rechne im Moment noch nicht mit einer echten Rezession, aber die langen Jahre gewohnter Steigerungen der Wirtschaftskraft und der Steuersummen wird es zumindest in 2020 so wohl nicht mehr geben. Es bleibt spannend, insbesondere im Hinblick darauf, wie sich die wirtschaftlichen und fiskalischen Entwicklungen mit der Steuerschätzung im Herbst 2019 abzeichnen werden.
Wie stellt sich nun die Wirtschaftskraft im Rhein-Neckar-Kreis bzw. der kreisangehö-rigen Kommunen dar?
Bevor ich hierauf näher eingehe, möchte ich einen kurzen Exkurs zum Finanzausgleich machen, gerade vor dem Hintergrund vieler neuer Kreisrätinnen und Kreisräte. Dies ist für das Gesamtverständnis für den Kreishaushalt von erheblicher Bedeutung:
Der Finanzausgleich zwischen dem Bund und den Ländern als auch in der Folge zwi-schen den Ländern und den Kommunen ist ein sehr komplexes System. Der Grundge-danke basiert auf einer Ausgleichfunktion zwischen steuerstarken und steuerschwächeren Ländern bzw. innerhalb der Länder zwischen den Kommunen.
Für den Finanzausgleich 2020 auf Kreisebene werden die Finanzdaten der Kommunen des Jahres 2018 als Basis zu Grunde gelegt. Dies hat nun mehrere Effekte von denen ich nur zwei nennen möchte:
1. Das für die Kommunen wirtschaftlich sehr steuerstarke Jahr 2018 führt beim Kreis multipliziert mit dem Kreisumlagehebesatz zu einem deutlich höheren Kreisumlageaufkommen – dies unterstellt bei einem gleichbleibenden Hebesatz.
2. Im Gegenzug werden die Zuweisungen des Landes – wegen der hohen Steuer-kraft der Kommunen – für den Kreis deutlich gesenkt und gleichzeitig wird die vom Landkreis zu tragende Finanzausgleichumlage deutlich erhöht.
Wichtig ist deshalb in diesem Zusammenhang, dass die ersten Meldungen über die Entwicklung der Steuerkraftsummen der Kommunen für das Jahr 2018, die uns in der Jahresmitte erreicht haben, gedanklich nicht gleich einseitig nur mit höheren Erträgen für den Kreis assoziiert werden. Vielmehr muss das Korrektiv der geringeren Landeszu-weisungen und Finanzausgleichsumlagen bedacht werden.
Für 2020 bedeuten die beiden genannten Effekte zunächst Mehrerträge aus dem Kreisumlageaufkommen von rund 24 Mio. €, gleichzeitig sinken die Zuweisungen des Landes an den Kreis und die Finanzausgleichsumlage, die der Rhein-Neckar-Kreis zu zahlen hat steigt. Im Saldo bleiben dem Kreis daher „nur“ noch rund 6,8 Mio. € an Mehrerträgen übrig.
Aber wie hat sich nun die Steuerkraft der kreisangehörigen Kommunen konkret im Kreis entwickelt?
Die Wirtschaftskraft der Städte und Gemeinden insgesamt hat sich im Vergleich zum Vorjahr nochmals deutlich gesteigert. Die vorläufigen Steuerkraftsummen sind auf über 1,0 Mrd. € angewachsen. Das entspricht einer Steigerung von etwa 9,5 %. Diese Mittel standen den Kommunen 2018 zur Verfügung! In den letzten neun Jahren konnten die Städte und Gemeinden hier sogar eine Steigerung um 170 % verzeichnen, wenn gleich die Steuerkraftentwicklung in den einzelnen Kommunen natürlich unterschiedlich stark ausgeprägt war. Selbstverständlich ist uns auch bewusst, dass die Kreisumlage auf der Grundlage dieser guten Zahlen für das Jahr 2018 berechnet aber auf der Grundlage des vermeintlich schwächeren Jahres 2020 tatsächlich gezahlt werden wird. Auch das gehört, selbstverständlich, zur finanzpolitischen Wahrheit.
Doch nun zu den Schwerpunkten, die den Haushaltentwurf 2020 prägen.
Zunächst zum Sozialetat: Der Rhein-Neckar-Kreis wendet hier für die Bürgerinnen und Bürger der kreisangehörigen Kommunen den überwiegenden Teil seines Haushaltes auf. Rund 60 % seiner ordentlichen Aufwendungen werden allein schon im Teilhaus-halt Jugend und Soziales vorgesehen!
Soziale Themen sind für den Kreis wichtige Anliegen. Dies spiegelt sich auch in diesem Jahr im Rahmen der Entwicklung der strategischen Ziele wider. Im Rahmen der jährlichen Evaluierung der strategischen Ziele hat die Kreisverwaltung zusammen mit Mitgliedern der Fraktionen einen Schwerpunkt auf Soziales gelegt. In diesem Prozess haben wir die Soziale Agenda fortentwickelt und neue Schwerpunkte im Bereich der „Alleinerziehenden“ und des „Jungen Leben im Kreis“ gesetzt. Diese beiden Gruppen wollen wir in 2020 noch stärker in den Blick nehmen. Mit der Sozialen Agenda soll die so-ziale Infrastruktur des Kreises weiterentwickelt und Angebote geschaffen werden, die die Lebenssituation insbesondere der beiden genannten Gesellschaftsgruppen deutlich verbessern.
Unabhängig von den Fragestellungen zum BTHG und zum Angehörigen-Entlastungsgesetz, hierauf werde ich später noch eingehen, muss im Sozialbudget – Jugend und Soziales – aufgrund der Entwicklungen im Jahr 2019, der Steigerungen bei den Entgeltsätzen und den Fallzahlen mit einem erhöhten Bedarf im ordentlichen Er-gebnis 2020 von rund 13,5 Mio. € gerechnet werden.
Der Klima- und Umweltschutz war das zweite Schwerpunktthema bei den diesjährigen Beratungen der strategischen Ziele mit den Fraktionen im Frühjahr. Zwar hat das Thema „Biodiversität“ den Sprung in die strategischen Zielekatalog noch nicht geschafft, da wir noch einige offene Fragen, z.B. der Stoßrichtung der Aktivitäten des Kreises oder des Adressatenkreises möglicher Aktivitäten klären müssen. Dennoch wollen wir die Haushaltsmittel, die bisher ausschließlich für den Klimaschutz vorgesehen waren, ab 2020 öffnen, zukünftig für Klimaschutz und Biodiversität. Dies ist meines Erachtens nur konsequent, denn so sind wir bereits 2020 auch in diesem Handlungsfeld handlungsfähig und schließlich zahlen Aktivitäten in den beiden Bereichen auf die gleichen ökologischen Ziele ein.
Nachdem wir die uns selbst gesetzten Klimaschutzziele für 2020 bereits erreicht haben, werden wir in 2020 das Klimaschutzkonzept evaluieren und fortschreiben, verbunden mit dem Ziel, eine klimaneutrale Kreisverwaltung zu erreichen. Die Beratungen hierzu beginnen bereits in der nächsten Sitzungsrunde.
Untrennbar mit dem Klimaschutz verbunden ist die Mobilität.
Mit der Stabsstelle für Mobilität und Luftreinhaltung hat der Kreis im letzten Jahr eine Position geschaffen, welche die vielfältigen Aufgaben im Bereich der zukunftsorientierten und nachhaltigen Mobilitätsentwicklung sowohl fachlich entwickeln wie auch organi-satorisch koordinieren kann.
Mit der Erstellung des Masterplans Mobilität schaffen wir erstmals ein strategisches und operatives Instrument, um zielgerichtete Lösungen und Maßnahmen im Sinne einer integrierten Mobilitätsplanung hervorzubringen, die relevanten Mobilitäts- und Verkehrsthemen auf Landkreisebene zu bündeln und zu koordinieren.
Grundlage hierfür wird eine ganzheitliche Erhebung und Analyse von Potentialen und Defiziten des Mobilitätsangebotes und der verkehrlichen Struktur im Rhein-Neckar-Kreis sein. Diese wird die Stabsstelle im kommenden Jahr im Austausch mit den Städten und Gemeinden des Rhein-Neckar-Kreises durchführen.
Es gilt multimodale und intermodale Mobilitätsangebote zu verbessern. Dies bedeutet, dass verschiedene Verkehrsmittel innerhalb eines Weges besser genutzt werden kön-nen. Damit verbunden ist die Stärkung des Umweltverbundes bzw. der umweltverträglichen Verkehrsmittel wie öffentliche oder private Fahrräder, öffentliche Verkehrsmittel sowie Carsharing.
Die Förderung des Radverkehrs wird auch weiterhin eine wichtige Aufgabe des Rhein-Neckar-Kreises sein. Auch, weil sich durch das Pedelec neue Nutzergruppen für das Verkehrsmittel Fahrrad begeistern können und damit längere Strecken sowie Topogra-phieunterschiede keine entscheidenden Hindernisse mehr darstellen. Mit der Fortschreibung des Mobilitätskonzeptes Radverkehr als planerischer Grundlage zur Weiter-entwicklung der regionalen und überkommunalen Radinfrastruktur im Rhein-Neckar-Kreis leisten wir bereits einen wichtigen Schritt zur Förderung eines durchgängigen und flächendeckenden Radverkehrsnetzes. In diesem werden in Zukunft auch die Rad-schnellverbindungen eine wichtige Funktion übernehmen.
Das nutzerorientierte Mobilitätsmanagement in Unternehmen zur Beeinflussung der Verkehrsmittelnachfrage wird eine wesentliche Rolle in der Mobilitätswende spielen. Die zielgerichtete Information und Kommunikation der Pendlerinnen und Pendler sowie die verbesserte Koordination und Organisation der Mobilitätsangebote führt sowohl zu einer Verkehrsreduzierung, wie auch zu einer Förderung der Verkehrsmittel des Umweltverbundes.
Daher ist der Aufbau und die Implementierung eines Beratungsangebotes zu betriebli-chem Mobilitätsmanagement für Unternehmen im Rhein-Neckar-Kreis ein wesentliches Ziel der Stabsstelle. Zumal es ein solches Angebot bisher in der Metropolregion noch nicht gibt. Hier wollen wir Vorreiter sein und ein institutionalisiertes Beratungs- und Betreuungsangebot entwickeln und zukunftsfähig für den Rhein-Neckar-Kreis aufbauen.
Eine wesentliche Komponente innerhalb der Mobilität ist der ÖPNV.
Mit Blick auf die Infrastrukturprojekte des ÖPNV und das für die Region bedeutende Ge-samtprojekt S-Bahn Rhein-Neckar ist erfreulich, dass die Baumaßnahmen an den Bahnsteigen der für den Rhein-Neckar-Kreis wichtigen Strecke Mannheim – Darmstadt mittlerweile bis auf einzelne Restarbeiten umgesetzt sind. Der landkreisüberschreitende Main-Neckar-Ried-Express kann somit seit Dezember 2017 alle Stationen bedienen. Dieser verbindet die beiden Regionen zwischen Frankfurt am Main und Mannheim via Darmstadt bzw. Biblis bzw. Heidelberg und Walldorf -Wiesloch. Mit dem Bau des neuen Haltepunktes Weinheim – Sulzbach wurde im August begonnen. Ebenso ist das Stre-ckenprojekt Mannheim – Karlsruhe zu großen Teilen in der baulichen Realisierung. Für die beiden neuen Haltepunkte Schwetzingen – Nord und Schwetzingen – Hirschacker ist der Baubeginn für 2021 anvisiert.
Nach Fertigstellung der Bahnsteigverlängerungen zwischen Heidelberg und Bruchsal, mit den im Kreisgebiet gelegenen Stationen St. Ilgen – Sandhausen und Rot – Malsch bis zum Jahresende 2019, sind die Voraussetzungen für den dortigen Einsatz von S-Bahnen in Dreifachtraktion geschaffen. Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2019 kön-nen dadurch zusätzliche Platzkapazitäten – insbesondere in der Hauptverkehrszeit – angeboten werden.
Verbesserungen und Optimierungen im Verkehrsangebot des Nahverkehrs führen zu einer Steigerung der Attraktivität innerhalb des Kreises und stärken die Vernetzung mit der Region als wichtigen Bestandteil einer umweltfreundlichen Mobilität.
Neben Aktivitäten in diesen wichtigen strategischen Handlungsfeldern wird im Rhein-Neckar-Kreis auch zukünftig weiter kräftig investiert. Aus dem umfangreichen Investitionsprogramm möchte ich heute nur drei Maßnahmen hervorheben, die in den Jahren 2020 bis 2023 ein hohes Engagement erfordern:
– 40 Mio. € für den Erwerb, die Sanierung und die Erweiterung der „Polizeidirektion“
in Heidelberg und deren Anbindung an die Bestandsgebäude der Kreisverwaltung
– 6,0 Mio. € für den Neubau der Steinsbergschule in Sinsheim
– 13,2 Mio. € für Zuweisungen an die GRN gGmbH für bauliche Maßnahmen und für die Digitalisierung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Kreisrätinnen und Kreisräte,
mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf ist es gelungen, im Jahr 2020 mit einem positi-ven Ergebnis von rund 0,5 Mio. € gerade noch eine schwarze Null abzubilden und die liquiden Mittel im Finanzplanungszeitraum im Jahr 2023 mit 2 % der Gesamtauszahlun-gen aus laufender Verwaltungstätigkeit darzustellen.
Hierbei konnte im Jahr 2020 beim Kreisumlagehebesatz auf eine Erhöhung verzichtet werden, wie dies zahlreiche andere Landkreise in Baden-Württemberg derzeit planen. Der Hebesatz wurde nochmals mit 27,75 % vorgesehen. Für die Planjahre 2021 bis 2023 jedoch wurde eine moderate Anhebung auf 28,0 % im Jahr 2021 und 28,25 % in den Jahren 2022 bis 2023 eingeplant.
Die Verschuldung des Kernhaushaltes und des Eigenbetriebs Bau, Vermögen und Informationstechnik wurde in den strategischen Zielen begrenzt auf 70 Mio. € bis Ende 2026. Nach der vorliegenden Finanzplanung gehe ich bis Ende 2023 von einem Schul-denstand von 67,4 Mio. € aus. Bis zum Zielzeitraum 2026 ist aber zu beachten, dass weitere Investitionen zu finanzieren sein werden und die gesamtwirtschaftliche Entwicklung muss dann zeigen, ob hieraus ein Deckungsbeitrag zur Schuldenbegrenzung noch möglich sein wird.
Heute lege ich ihnen also nochmals einen soliden, ausfinanzierten Haushaltsplanentwurf vor, mit stabilem Kreisumlagehebesatz, ohne Neuverschuldung statt dessen weiterem Schuldenabbau und einer gerade noch auskömmlichen Liquidität. Dieser solide Haushaltsplanentwurf war allerdings nur möglich auf Grund des sehr guten Jahresabschlusses 2018 dessen positives Ergebnis in 2020 vollständig aufgezehrt werden wird.
Dennoch muss ich auf erhebliche Risiken im Haushaltsplanentwurf 2020 hinweisen:
Die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes wird auch im kommenden Jahr eine wesentliche Rolle im Sozialetat spielen. An dieser Stelle möchte ich einen kurzen Rückblick zu den Anfängen der Diskussionen im Rahmen des BTHG machen. Der Ur-sprungsgedanke war, dass die Träger der Eingliederungshilfe entlastet werden sollten. Dieses Geld ist in Baden-Württemberg aber nie direkt bei den Landkreisen als Trägern der Eingliederungshilfe angekommen. Vielmehr erhielten die Städte und Gemeinden Entlastungen über einen höheren Umsatzsteueranteil.
Also keine Entlastung für die Träger der Eingliederungshilfe, statt dessen wurden im Rahmen der Diskussion um das BTHG die Leistungen nochmals kräftig ausgeweitet.
Leider konnte bisher für diese BTHG bedingten Mehraufwendungen mit dem Land noch keine Einigung erzielt werden, vielmehr wurden die Verhandlungen in der 4. Sitzung der Gemeinsamen Finanzkommission am 01.10.2019 erfolgslos abgebrochen.
Zunächst fehlt es mit dem Land bereits an einer Verständigung darüber welche Leistungen überhaupt als konnexitätsrelevant, also vom Land zu finanzieren, anerkannt werden. Allein, wenn man die drei großen Kostenblöcke nimmt, bei denen das Land aktuell eine Erstattungspflicht ganz oder jedenfalls teilweise ablehnt
– Teilhabe am Arbeitsleben
– Mehrkosten besondere Wohnformen
– Mehrausgaben Personal
bleiben die Kreise auf insgesamt 3/5 ihrer BTHG-bedingten Mehraufwendungen sitzen.
Demzufolge liegen auch die Kostenschätzungen weit auseinander. Wir, die Landkreise, dotieren unsere konnexitätsbedingten Forderungen gegenüber dem Land auf 150 Mio. €. Das Land wiederum hat angekündigt, für den Entwurf des Doppelhaushaltes 2020/2021 nur die im Wesentlichen aus der Bundesschätzung abgeleiteten Beträge ein-zustellen. Dies sind im Jahr 2020 lediglich 15 Mio. € – davon wohl 4 Mio. € für den Umstellungsaufwand der Leistungserbringer – und in 2021 nur 11 Mio. €. Dass die Finanz-ministerin ihren eigenen Zahlen nicht traut zeigt schon allein die Tatsache, dass im E-tatentwurf des Landes von der Ministerin zur Risikovorsorge eine Rücklage gebildet wurde, und zwar von 30 Mio. € in 2020 und 50 Mio. € in 2021.
Die Haushaltsansätze des Landes stellen sich aus kommunaler Sicht als ungedeckter Scheck dar, mit dem die Finanzierungsrisiken der BTHG-Umsetzung einseitig auf die Kommunen verlagert werden. Unter diesen Bedingungen können auch die Verhandlungen zum Landesrahmenvertrag nicht fortgeführt werden. Das Land betreibt insofern eine Finanzpolitik auf Kosten der Menschen mit Behinderungen sowie zu Lasten der Kreise und letztendlich der Menschen in den Städten und Gemeinden, da andere notwendige Vorhaben dann nicht finanziert werden könnten.
Im vorliegenden Haushaltsentwurf habe ich eine volle Kostenerstattung durch das Land eingestellt. Diese Kosten stellen ein erhebliches Finanzrisiko für diesen und die künftigen Haushalte dar und macht bei uns 2020 geschätzt etwa 2,4 Mio. € aus, ansteigend auf rund 7,2 Mio. € in den Folgejahren.
Ein weiteres Risiko stellt das derzeit im Bundestag zu beratende Angehörigen-Entlastungsgesetz dar. Dieses sieht vor, dass Kinder sich erst ab einem Jahresbruttoeinkommen von 100 T€ an den Pflegeheim-Kosten für ihre Eltern beteiligen müssen. Dieses Gesetz soll im kommenden Jahr in Kraft treten. Die kommunalen Landesverbände erwarten, dass der Bund hier eine volle Kompensation der zusätzlichen Kosten übernimmt.
Wir haben auf der Aufwand- und auf der Ertragsseite hierfür rund 2,0 Mio. € in den Haushalt eingestellt. Ob und in welcher Höhe hier tatsächlich eine Kompensation kommt, ist noch völlig unklar.
Auch in der Finanzierung der Anschlussunterbringung von Flüchtlingen entsteht in zunehmendem Maße ein Haushaltsrisiko. Mangels einer gesetzlichen Grundlage hat das Land diesbezüglich mit den Kreisen individuelle Vereinbarungen für die Erstattung der in der Anschlussunterbringung in den Jahren 2017 und 2018 entstandenen Nettoaufwendungen getroffen. Bekanntlich wurden dem Rhein-Neckar-Kreis daraufhin pro Jahr knapp 7,5 Mio. € überwiesen.
Ab 2019 fordern die Kommunalen Landesverbände, dass die Nettoaufwendungen für Leistungsbezieher nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in der Anschlussunterbrin-gung vom Land abzüglich eines Sockelbetrags von 40 Mio. € vollständig zu erstatten sind. Dies ist landesgesetzlich entsprechend zu regeln. Außerdem muss eine finanzielle Lösung für die Kosten für Fehlbeleger und Kindergartengebühren in den Jahren bis einschließlich 2018 gefunden werden.
Das Land hat in der letzten Runde der Gemeinsamen Finanzkommission auch hier er-neut eine gesetzliche Regelung abgelehnt und stattdessen daran festgehalten, für die Jahre 2020 und 2021 jeweils nur 150 Mio. € Erstattung pro Jahr zu zahlen. Ein nach-träglicher Kostenausgleich ist nicht geplant. Dies entspricht einer Erstattungsquote von nur etwa 56 % – und dies, meine sehr geehrten Damen und Herren, vor dem Hintergrund der sehr instabilen Entwicklung der Flüchtlingslage in der Türkei bzw. Syrien.
Die Vertreter der Kommunalen Landesverbände haben diesen Vorschlag als inakzeptabel zurückgewiesen. Alleine für Leistungen nach dem AsylbLG wurden für das 2018 be-reits über 200 Mio. € aufgewendet. Im Jahr 2018 mussten aufgrund des letztjährigen Kompromisses von der kommunalen Seite bereits mehr als 90 Mio. € getragen werden. Diese Summe würde sich jetzt auf 116 Mio. € erhöhen. Der Vollzug des AsylbLG ist eine staatliche Aufgabe und muss daher auch vom Land refinanziert werden. Die Bereitschaft, den Sockelbetrag von 40 Mio. € freiwillig zu übernehmen, stellt ein deutliches Entgegenkommen der kommunalen Seite dar.
Trotz aller Ungewissheiten haben wir einen Erstattungsbetrag in Höhe von rund 12,4 Mio. € eingeplant. Ohne Zweifel ist dieser Haushaltsansatz mit einem hohen Risiko in Höhe von rund 4,0 bis 5,0 Mio. € verbunden.
Doch neben Risiken enthält der Haushaltsplanentwurf auch Chancen Grundlage für den Haushaltsentwurf 2020 waren u.a. die bis Ende September vorliegenden Daten zum Finanzausgleich. Nach Redaktionsschluss des Haushaltsentwurfs hat sich eine positive Entwicklung ergeben: Der Kopfbetrag als Basis für die Berechnung der Schlüsselzuweisungen des Landes wird sich voraussichtlich auf 744 € steigern – im Entwurf sind wir noch von 720 € ausgegangen. Dies würde Mehrerträge von rund 9,4 Mio. € bedeuten, allerdings unter dem Vorbehalt möglicher Veränderungen aufgrund der November-Steuerschätzung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
die Wolken am Horizont werden dunkler. Ob es sich nur um ein Gewitter handelt oder sich ein länger anhaltendes Tief entwickelt, vermag heute noch niemand mit zuverlässi-ger Sicherheit vorauszusagen. Der Entwurf des Haushaltsplans für das Jahr 2020, den ich Ihnen heute vorlege, wurde mit vorsichtigem Optimismus – vor allem im Finanzplanungszeitraum – erstellt. Dieser Entwurf ist solide aber enthält auch die beschriebenen Chancen und Risiken. Er ist daher eine gute Grundlage für die nun anstehenden intensiven und sicherlich spannenden Diskussionen in den anstehenden Fachausschüssen. Ich freue mich jedenfalls auf diese, auf sicherlich gewohnt gute und faire Art und Weise.

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