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Rhein-Neckar-Kreis: Neues Bild der Schadstoffsituation nach umfangreicher Auswertung

23. Juni 2021 | Allgemeines, Das Neueste, Photo Gallery

Bildausschnitt mit veranschlagter Cadmiumbelastung im Bereich Walldorf/Wiesloch. Die Gehalte sind überwiegend „sehr hoch“ (rot), „äußerst hoch“ (pink) oder „am höchsten“ (grau). Die roten Punkte stehen für festgestellte Höchstmengen-Überschreitungen.

(zg) Mehrere Karten mit bunten Flächen, jeweils kombiniert mit Empfehlungen zum Anbau landwirtschaftlicher und gärtnerischer Kulturen: der Rhein-Neckar-Kreis zeigt in einer Kartenanwendung nicht nur ein neues Bild der Schwermetallbelastungen, sondern beschreitet auch neue Wege im Umgang damit. In dem durch historischen Bergbau geprägten Raum im südlichen Rhein-Neckar-Kreis liegen großflächig erhöhte Schadstoffgehalte in Böden vor. Hauptparameter sind Arsen, Blei, Cadmium und Thallium. Die Belastungen sind insbesondere durch die Nutzung der Gewässer zur Erzaufbereitung sowie der Schlacken beispielsweise für den Wegebau entstanden. Durch den historischen Bergbau wurde eine Fläche von etwa 80 km² (8.000 ha) kontaminiert, das entspricht rund 7,5 % der Fläche des Rhein-Neckar-Kreises, davon etwa 23 km² (2.300 ha) stärker. Seit rund 25 Jahren gibt es deswegen abgegrenzte Bereiche mit Anbaubeschränkungen in Wiesloch, Walldorf, Nußloch und Leimen. Diese Anbaubeschränkungen werden zum 1. Juli 2021 aufgehoben, die entsprechende Allgemeinverfügung wird auf der Homepage des Rhein-Neckar-Kreises (www.rhein-neckar-kreis.de) bekannt gegeben.

Die genannten Schadstoffe sind relevant für den Anbau von Lebens- und Futtermitteln, weil es zu Überschreitungen der zulässigen Höchstgehalte gemäß Futtermittel- und Lebensmittelrecht kommen kann. Für Cadmium sind im bergbaugeprägten Raum bislang 173 Höchstmengen (HM)-Überschreitungen (157 Lebensmittel und 16 Futtermittel), für Blei 73 HM-Überschreitungen (nur Lebensmittel) und für Arsen 5 HM-Überschreitungen (nur Futtermittel) festgestellt worden. Die Schadstoffbelastung wurde seit den 80er Jahren in mehreren Untersuchungskampagnen erkundet. Mit Hilfe von Landesmitteln wurden die Untersuchungen in den letzten Jahren nochmals mit Boden- und Pflanzenuntersuchungen intensiviert. Reinhold Grünberger von der Unteren Bodenschutzbehörde, der seit Beginn der 90er Jahre mit den Schwermetalluntersuchungen und den Anbaubeschränkungen befasst ist, erläutert, dass im vergangenen Jahr der Plan reifte, die Ergebnisse der Untersuchungen nicht dazu zu verwenden, die bestehenden Anbaubeschränkungen der neuen Datenlage anzupassen, sondern stattdessen Schadstoffkarten erstellen zu lassen, diese zu veröffentlichen und dem Grad der Belastung entsprechende Empfehlungen zu geben. Ziel sei, dass sich die Erzeuger mit dieser Kartenanwendung bzw. diesem Info-Tool zukünftig eigenverantwortlich über den Bodenzustand und mögliche Maßnahmen zur Vermeidung von HM-Überschreitungen informieren können und durch eine Anpassung der Bodennutzung bzw. der Bewirtschaftung weitere HM-Überschreitungen verhindert werden.

Datenauswertung und Erstellung der Schadstoffkarten

Das von der Unteren Bodenschutzbehörde beauftragte Ingenieurbüro hat nach Auswertung der Daten von etwa 1.600 Bodenmessstellen 5 Karten für die Schadstoffe Arsen, Blei, Cadmium und Thallium erstellt. Diese sind das Ergebnis einer komplexen geostatistischen Datenauswertung. Aufgrund der unterschiedlichen Untersuchungsdichte musste das Büro ein fachlich vertretbares Verfahren zur Abschätzung der Schadstoffgehalte auch für die nicht untersuchten Flächen entwickeln. Denn trotz zahlreicher Bodenuntersuchungen gibt es innerhalb des bergbaugeprägten Gebietes auch nicht geprüfte Bereiche. Um Werte für diese Bereiche anzusetzen, wandte das Büro ein geostatistisches Verfahren an, bei dem die Schadstoffgehalte nicht untersuchter Flächen aus umliegenden Messwerten durch räumliche Interpolation berechnet wurden.

Im Ergebnis der geostatistischen Auswertung konnte eine Abgrenzung der Belastungen im Untersuchungsgebiet und eine Untergliederung in Belastungszonen erreicht werden. Die Einstufungen von „normal“ bis „am höchsten“ dienen in Verbindung mit der jeweiligen Farbe einer gängigen Information über den Grad der Belastungen (s. Bild).

Die Schadstoffkarten erstrecken sich auf das bergbaugeprägte Gebiet mit einem 500 m-Puffer und decken somit eine Fläche von jeweils rund 100 km² ab. Im RNK umfassen die Schadstoffkarten ganz oder teilweise die Gemeinden Dielheim, Gaiberg, Leimen, Malsch, Nußloch, Mühlhausen, Sandhausen, St. Leon-Rot, Walldorf, Wiesloch und Oftersheim. Durch den Puffer erstrecken sich die Karten mit einem Anteil von fast 7 km² auch auf Gemarkung Heidelberg.

Wie bereits dargestellt, enthalten die Karten berechnete Schätzwerte: In den Ortslagen ist die prognostizierte Schadstoffbelastung aufgrund einer geringeren Beprobungsdichte und der Beeinflussung der Böden durch Siedlungsaktivitäten mit großen Unsicherheiten behaftet. Und auf bereits untersuchten Flächen können die angegebenen Gehalte verfahrensbedingt in begrenztem Umfang von den tatsächlich ermittelten Bodengehalten abweichen.

Reinhold Grünberger weist darauf hin, die Auswertungen und insbesondere die Schadstoffgehalte hätten gezeigt, dass die bestehenden Anbauverbote nur im Ansatz dem Belastungszustand entsprechen. Sie seien deswegen nicht dafür geeignet, künftige HM-Überschreitungen im bergbaugeprägten Gebiet wirkungsvoll zu unterbinden, weil diese nur anteilig innerhalb der bestehenden Anbauverbote aufgetreten sind. Durch die Nutzung der interaktiven Kartenanwendung und bei Beachtung der den Einstufungen zugehörigen Empfehlungen sei jedoch davon auszugehen, dass künftige HM-Überschreitungen weitestgehend vermieden werden. 

Interaktive Kartenanwendung

Die interaktive Kartenanwendung „Schwermetallbelastung von Böden in Folge historischen Bergbaus“ des LRA RNK wurde nach konzeptionellen Vorgaben des Wasserrechtsamtes vom Eigenbetrieb Bau, Vermögen und IT, Geschäftsbereich Informationstechnik / Geo- und Umweltinformation erstellt.

Die Karten ermöglichen es, im Untersuchungsgebiet bis hin zur einzelnen Anbaufläche die erwartete Schadstoffbelastung und die daraus resultierenden Empfehlungen für die Erzeugung von Lebens- und Futtermitteln zu entnehmen.

Je nachdem, ob Lebensmittel oder Futtermittel erzeugt werden sollen, ist jede Gehaltsstufe ist mit speziellen Empfehlungen verbunden. Sowohl den Karten wie auch den Merkblättern sind nutzungsorientierte Empfehlungen zu entnehmen. Es wird auf Einschränkungen bei der pflanzenbaulichen Erzeugung hingewiesen und es werden Hinweise zur Einhaltung der zulässigen Höchstmengen (HM) sowie zur Notwendigkeit einer Vor-Ernte-Untersuchung bei der Erzeugung von Lebens- und Futtermitteln gegeben.

Diese Empfehlungen und weitere Informationen haben die Untere Landwirtschaftsbehörde und die Untere Bodenschutzbehörde gemeinsam entwickelt. Sie sind in 5 verknüpften Merkblättern dargestellt.

Für die Beratung der Landwirte stehen das Amt für Landwirtschaft und Naturschutz sowie für den Gemüsebau die überregionale Gemüsebauberatung zur Verfügung. Amtsleiterin Nicole Gross erwartet keinen großen Ansturm, weil die meisten der betroffenen Landwirte bereits Erfahrung im Umgang mit den Schwermetallbelastungen haben. Das Inverkehrbringen von unbelasteten Lebens- und Futtermitteln liege auch in Zukunft in der Eigenverantwortung der Erzeuger. Mit dem Info-Tool stünden jedoch künftig weitaus umfangreichere Informationen zur Verfügung als bislang und so könne das Landratsamt den Wegfall der Anbaubeschränkungen mehr als ausgleichen. Nicole Gross geht allerdings davon aus, dass die Umsetzung dieser Empfehlungen jedoch teilweise betriebliche Anpassungen erfordert.

Das zuständige Veterinäramt und Verbraucherschutz lässt keinen Zweifel an der Zuständigkeit der Erzeuger: Sie müssen eigenverantwortlich und auf eigene Kosten kontrollieren sowie sicherstellen, dass die Produkte bei Überschreitung der zulässigen Höchstgehalte nicht als Lebensmittel in den Verkehr kommen. Und das Info-Tool zeige deutlich auf, wo Vor-Ernte-Untersuchungen angesagt seien. In den Verkehr gebrachten Produkte werden im Rahmen von Routinekontrollen überprüft, so das Veterinäramt und Verbraucherschutz.

Das Gesundheitsamt empfiehlt, bodennah gewachsenes Obst und Gemüse von belasteten Böden vor dem Verzehr gründlich zu waschen bzw. Wurzelgemüse zu schälen. Bei pflanzlichen Lebensmitteln wird das Risiko einer Arsenbelastung aus dem Boden eher als gering eingestuft, es sei denn die Produkte sind mit Bodenmaterial verschmutzt. Falls sich Kleinkinder im Garten aufhalten, sollte vorsorglich für Spielbereiche zum Sandeln und Buddeln ausschließlich ein eingefasster Sandspielkasten mit Spielsand, Grabesperre und Drainage zur Ableitung des Niederschlagswassers angeboten werden, damit ein direkter Kontakt mit belasteten Boden vermieden wird.

Wer Kontakt zu den behördlichen Ansprechpartnern aufnehmen möchte, findet die dazu notwendigen Informationen ebenfalls in der interaktiven Kartenanwendung. Für Fragen zu den Flächen auf Gemarkung Heidelberg ist die Stadtverwaltung Heidelberg zuständig.

Datenschutz

Margarete Schuh, Leiterin des zuständigen Wasserrechtsamtes, sieht die Offenlegung der Daten als rechtmäßig an. Es gehöre zu den öffentlichen Aufgaben einer Unteren Bodenschutzbehörde, Bodenverunreinigungen bzw. schädliche Bodenveränderungen zu untersuchen und festzustellen bis hin zur Festsetzung von Bodenschutzflächen aus Gründen der Abwehr von Gefahren für die menschliche Gesundheit. Damit habe die Untere Bodenschutzbehörde grundsätzlich auch die Aufgabe, über Bodenverunreinigungen und schädliche Bodenveränderungen zu informieren.

Die Veröffentlichung sei erforderlich, um zu gewährleisten, dass wichtige Informationen leicht zugänglich sind. Lediglich eine Information der Eigentümer der Flächen reiche im vorliegenden Falle eventuell nicht aus, da die Flächen oftmals nicht von den Eigentümern bewirtschaftet würden, sondern verpachtet seien. Gleichzeitig sei es im landwirtschaftlichen Bereich üblich, dass Pachtflächen getauscht werden, ohne dass die Eigentümer der Flächen darüber explizit informiert werden. Gerade aufgrund dieser Praxis sei es erforderlich, dass die Informationen öffentlich zugänglich bereitgestellt werden und sich mögliche neue Pächter über die Situation und die Anbauempfehlung informieren können. Dies diene nicht nur dem Schutz der Pächter, sondern auch dem Schutz der Allgemeinheit im Hinblick auf eine gesunde Lebensmittelproduktion.

Den größten Vorteil der Anwendung sieht die Amtsleiterin darin, dass künftig für jeden Eigentümer bzw. Bewirtschafter die Möglichkeit bestehe, die Schadstoffgehalte und Anbauempfehlungen für seine/ihre landwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte Fläche online abzufragen. Sie sieht aber auch die daraus resultierenden Probleme für die ohnehin kriselnde Landwirtschaft. Denn die schönen bunten Karten dürften nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich insbesondere die Landwirte in dem Gebiet neu orientieren müssen.

Der Link zur Anwendung: https://arcg.is/1rDuP51

Quelle: Silke Hartmann

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