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Laudatio für Spielmobil Kraichgau

23. Oktober 2014 | Das Neueste, Gesellschaft, Photo Gallery

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Albrecht,
sehr geehrter Herr Landtagsabgeordneter Funk,
Liebe Gisela, lieber Bernhard,
liebes Spielmobil-Team,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

als mich vor einigen Wochen Bernhard Berger angerufen und um eine Laudatio zum bevorstehenden Jubiläum des Spielmobil im Kraichgau gebeten hat, habe ich spontan zugesagt. Erst im Nachhinein ist mir bewusst geworden, was das eigentlich zu bedeuten hat. Natürlich Zeit für die Vorbereitung einer Ansprache. Aber eigentlich und hauptsächlich die Erkenntnis, dass 25 Jahre unheimlich schnell vorübergehen. Kennen wir uns denn schon wirklich so lange – und sind wir denn wirklich schon so alt?

Sie alle hier wissen, dass das Spielmobil untrennbar mit den beiden Protagonisten, vielleicht sollte man besser sagen Idealisten, Gisela Drees und Bernhard Berger, verbunden ist.

Doch wie hat das Ganze eigentlich begonnen?

Gisela und Bernhard haben beide eine Ausbildung zur Erzieherin bzw. zum Erzieher an der Fachschule für Sozialpädagogik in Heidelberg absolviert und danach einige Jahre im Heidelberger Spielmobil, dem Verein Kulturfenster, gearbeitet, der damals schon eine Vorreiterrolle im spiel- und kulturpädagogischen Bereich für Kinder und Jugendliche inne hatte. Dort haben sie den direkten Kontakt  zur Spielmobilbewegung bekommen, das Kulturfenster Heidelberg hat auch den Verein nach der Gründung über viele Jahre unterstützt.

Die ersten Spielmobile im deutschsprachigen Raum gab es übrigens erstmals Anfang der 70er Jahre in Großstädten – Berlin, München, Ludwigshafen und Stuttgart waren Vorreiter für Projekte, die unter dem Motto standen „Dort spielen, wo die Kinder wohnen“. Bis in die neunziger Jahre wurden etwa 400 Spielmobile gegründet, mehr als 1 Million Kinder nehmen jährlich an deren Spielaktionen teil.

Die Initialzündung für die Gründung eines „Spielmobil im Kraichgau“ war dann der Umzug der beiden „aufs Land“ – nach Meckesheim.

Warum sollte es eigentlich nur Spielmobile in Großstädten geben, auch auf dem Land gab und gibt es Kinder, für die es neue Plätze zu finden und zu erobern galt und die neue oder aber ganz alte Spiele kennen lernen wollten. Auch wurde schnell deutlich, dass gerade in ländlichen Gebieten Spielmöglichkeiten zunehmend eingeschränkter wurden und eine große Hinwendung zum Medienkonsum bzw. zum städtischen Konsumangebot, wohl auch wegen des offensichtlichen Mangels an kultureller Kinder- und Jugendarbeit vor Ort, zu verzeichnen war.

So wurde im Herbst 1989 der Verein „Spielmobil im Kraichgau – Initiative zur Förderung von Jugendarbeit, Spiel- und Freizeitpädagogik e.V“ gegründet. Die ersten Mitglieder kamen übrigens ausschließlich aus dem Freundeskreis, so richtig bekannt war man ja zu Anfang in Meckesheim und Umgebung nicht wirklich. Aber auch heute noch ist die Mitgliederzahl durchaus ausbaubar, neue Mitglieder sind herzlich willkommen.

Ab 1990 gab es die ersten Aktionstage und Mitmachaktionen, oftmals in Kooperation mit Büchereien und Schulen. In den ersten Jahren wurde die Arbeit auch noch rein ehrenamtlich erledigt. Bernhard Berger war noch 10 Jahre lang als Stadtjugendpfleger in Neckargemünd beschäftigt, ehe er als erster hauptamtlicher Mitarbeiter zum Spielmobil wechselte.

Das erste „Spielmobil“ war ein ausrangierter Bauwagen, das mit der Mobilität war daher eher problematisch und die Bezeichnung Spiel-„Mobil“ nur beschränkt zutreffend. Denn ein Zugfahrzeug gab es nicht. In diesem Zusammenhang kam es dann auch zu den ersten Kontakten des Spielmobil zur Stadt Sinsheim und zu meiner Person im Schul- Kultur- und Sozialamt. Es galt, den Bauwagen von A nach B zu bekommen, also musste der Bauhof beauftragt werden. Durch unsere Freundschaft zum damaligen Leiter des Sinsheimer Jugendzentrums, Heinz Freudenberger, ergaben sich dann auch zahlreiche Kooperationsveranstaltungen, oftmals auch in den Räumen des Jugendzentrums in der Sidlerschule. Vielleicht erinnern sich manche der Anwesenden noch an die legendären Kinder- und Jugendkulturtage in der Halle 3 oder die ersten Spielemärkte, ebenfalls in Halle 3, aus denen sich im Übrigen die „Spiel mit“ – Aktionen des Landkreises entwickelt haben.

Schließlich konnte in dieser Zeit der Gemeinderat der Stadt Sinsheim überzeugt werden, das Spielmobil im Kraichgau mit einem jährlichen festen Zuschuss zu unterstützen. Bis heute sind dieser Zuschuss und die Unterstützung durch die Gemeinde Meckesheim, die eine halbe Stelle im Meckesheimer Jugendtreff finanziert, die einzigen festen Größen im jährlichen Finanzplan des Spielmobil.

Die restlichen Mittel müssen Jahr für Jahr über Spenden, wobei die Spendenbereitschaft in früheren Jahren weitaus höher war als heute, kommunale Einzelzuschüsse bzw. Aufträge, Projektmittel und, zumeist in den Sommermonaten, über Firmenfeste erwirtschaftet werden.

Denn im Gegensatz zu der überwiegenden Zahl der Spielmobile in Deutschland ist das Spielmobil im Kraichgau eines der wenigen, das nicht an eine Kommune oder an das Jugendamt angegliedert ist, sondern als freier Träger selbstständig arbeitet.

25 Jahre Spielmobil bedeuten somit auch 25 Jahre finanzielle Unsicherheit und finanzielle Gratwanderung, aber auch 25 Jahre Kreativität und Flexibilität beim Finden von Fördertöpfen. Denn die Arbeit des Spielmobil war schon immer davon gekennzeichnet, durch möglichst niedrige Teilnehmerbeträge offen für alle soziale Schichten zu sein. Niemand muss Vereinsmitglied werden um Mitmachen zu dürfen, nach wie vor gilt das Motto „Kultur für alle – unabhängig vom Geldbeutel“ als höchstes Gut.

Doch, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie viele neue und tolle Spiel- und Projektideen könnte das Spielmobil-Team Jahr für Jahr zum Wohle unserer Kinder entwickeln und umsetzen, wenn nicht mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit – und ihrer Kreativität – dafür aufgewendet werden müsste, Finanzierungsmittel für ihre Arbeit zu beschaffen.

Und diese Arbeit kann sich wirklich sehen lassen und ist ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil der soziokulturellen Kinder- und Jugendarbeit in unserem ländlichen Raum. Neben dem bereits erwähnten Jugendtreff in Meckesheim, der gemeinsam mit der Gemeinde und der evangelischen Kirchengemeinde betrieben wird, gehören die soziale Gruppenarbeit als Partner des Jugendamtes, Projekte an Schulen, Büchereien und Museen, die mittlerweile zur Tradition gewordenen Kinder – und Jugendfilmtage in Kooperation mit Schulen mit ca. 1.000 Besuchern im Oktober, die Figurentheatertage im März in Kooperation mit Kindergärten, das Familientheater, der Zirkus Lakritz, viele Spielaktionen in den Ferien wie z.B. die Kinderspielstadt Sinsitti, Entdeckungstouren mit Kindern aus dem Sinsheimer Asylbewerberheim und vieles mehr zum Angebot des Spielmobil. Pro Jahr besuchen zwischen 5.500 bis 6.000 Kinder und Jugendliche Angebote dieser Einrichtung, Zahlen, die deutlich machen, dass es den Spielmobil-Verantwortlichen immer wieder gelingt, auf gesellschaftliche  Veränderungen und die sich ständig wandelnden Lebensumstände, Interessen und Bedürfnisse der Kinder und Jugendliche zu reagieren, ohne die pädagogischen Grundsätze der Spielmobilarbeit zu vernachlässigen. Eine Auswahl der Projekte der vergangenen Jahre können Sie im Anschluss bei einem Rundgang durch die Ausstellung kennen lernen.

Eine besondere Fähigkeit von Gisela und Bernhard liegt sicherlich darin, Grundideen für neue Aktionen zu entwickeln. Oftmals waren und sind sie hierbei ihrer Zeit voraus.  Als begnadete Netzwerker schaffen sie es zudem immer wieder, Kooperationspartner zu finden und für ihre Projekte zu begeistern. Besonders am Herzen liegt ihnen seit mehr als 10 Jahren die Beschäftigung mit dem jüdischen Leben im Kraichgau. Nicht zuletzt ihrem Engagement ist es zu verdanken, dass der Film „Menachem und Fred“ unter Anwesenheit der beiden Hauptpersonen in Sinsheim gezeigt wurde mit all den positiven Nachwirkungen, die daraus entstanden sind, wie die Gedenkstätte in Hoffenheim oder der Menachem und Fred-Wanderweg, Aktionen, bei denen auch immer Kinder und Jugendliche mit aktiv waren. Auch bei der jährlichen Filmpräsentation zum Holocaust-Gedenktag im Haus der Volkshochschule ist das Spielmobil als Mitveranstalter mit dabei.

Bei der Vielzahl von Aktivitäten, alle aufzuzählen würde den Rahmen heute Abend sprengen, steht für das Spielmobil-Team aber immer eines an erster Stelle: das Kind und seine Bedürfnisse.

Es geht nicht darum, Kinder zu „bespaßen“, gegen diesen Eindruck wehren sie sich mit Nachdruck.

Vielmehr möchten Gisela Drees und Bernhard Berger Kompetenzen, gerne auf spielerische Art, vermitteln, die immer mehr verloren gehen. Kinder sollen an Kultur herangeführt werden, sie sollen lernen, sich für ihre Gemeinde und den Anderen, den Nachbarn, den Schulkameraden, zu engagieren, Kontakte knüpfen und Freundschaften schließen. Ihre Eigenaktivität soll durch Spielaktionen und Inszenierungen gestärkt werden, wobei der Erlebnischarakter im Vordergrund steht. Sie sollen lernen, gemeinsam Hindernisse aus dem Weg zu räumen und Spielräume für sich zu schaffen. Aber auch die Elternarbeit wird hierbei immer wichtiger. Gelingt es, die Eltern mit Angeboten zu faszinieren, klappt das auch bei ihren Kindern.

In unserem Vorgespräch haben Gisela Drees und Bernhard Berger berichtet, dass sich in den letzten Jahren die Arbeit des Spielmobil doch stark verändert hat. Die ursprüngliche Grundidee des „freien Spielens“ und der nachmittäglichen Eroberung neuer Plätze und Spielorte mit vielen neuen Spielideen ist der mangelnden Zeit der Kinder zum Opfer gefallen. Unter der Woche  gibt es kaum noch freie Zeitfenster für solche Spielaktionen. Dafür haben die Projekte in den Schulen zugenommen, heute gehört es zu den Hauptaufgaben des Spielmobil, wieder Spielpädagogik in die Schulen zurückzubringen, die dort nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Da die Nachmittage bei den Kids oftmals komplett durch getaktet sind, werden viele Angebote „gezwungenermaßen“ auf die Ferienzeit konzentriert.

Nach 25 bewegten, innovativen, präventiven und spielerischen Jahren kann das Spielmobil meiner Meinung nach auf ein beeindruckendes Gesamtwerk zurückblicken.

Und wer so viel geleistet hat, darf auch ein paar Wünsche für die Zukunft äußern. Im aktuellen Flyer sprechen Gisela Drees und Bernhard Berger von 25 Wünschen, von kleinen, wie einem Flipchart, und großen, wie einem Bus, die auf ihrer Homepage nachzulesen sind.

Doch für mich haben sich in unserem Gespräch vier ganz besondere Wünsche herauskristallisiert, die vielleicht mit der Überschrift „Nachhaltigkeit“ gekennzeichnet werden können.

  1. Mehr ehrenamtliches Engagement zur Unterstützung der Vereinsaktivitäten
  2. Ein Anstieg der Fördermittel und Sponsorengelder für eine größere Basisfinanzierung und Sicherheit – und für einen ruhigeren Schlaf
  3. Eine deutliche Zunahme der Anzahl der Vereinsmitglieder
  4. Und eine gute Nachfolgeregelung in einigen Jahren. Denn immer öfter machen sich die beiden Gedanken darüber, ob man diese Arbeit mit all den Unabwägbarkeiten überhaupt jemandem zumuten kann – wünschenswert wäre es allemal.

Zum Abschluss möchte ich noch von einem geheimen Wunschtraum berichten – einem Kindermuseum mit integrierter Kinderkunstschule, also einem Ort, in dem Mitmachausstellungen von und für Kinder gezeigt und am besten auch gleich angefertigt werden. Denn in den letzten Jahren habe sich klar gezeigt, dass die kreativen Fähigkeiten der Kinder nicht mehr so gefördert werden, wie dies wünschenswert wäre.

Liebe Gisela, lieber Bernhard, Augustinus hat einmal gesagt: „Nur wer selbst brennt, kann andere entflammen“. Ihr beide brennt seit mehr als 25 Jahren für die Kinder- und Jugendarbeit im Kraichgau und für Eurer Spielmobil. Ich wünsche Euch von ganzem Herzen, dass Euch diese Leidenschaft noch ganz lange erhalten bleibt – und natürlich, dass es Euch weiterhin gelingt, die Kinder für Eure Projekte zu begeistern, aber auch die Sponsoren und die öffentliche Hand. Und vielleicht klappt das mit dem Kindermuseum – ich drücke Euch die Daumen. Glück auf!

Quelle: Sigebert Guschl

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