(zg) Nachts um ½ 2 Uhr klapperte das Katzentürchen. Ich stieg aus dem Bett, um nachzusehen, ob Sputnik, unser Kätzchen heimgekommen war. Als sie mich sah, sprang sie gleich auf den Esszimmertisch. Ich wusste was sie wollte. Ich nahm eine Zeitung, breitete sie auf dem Tisch aus und sie legte sich in meine Arme. Allerdings erst, nachdem sie sich mindestens zehnmal gedreht hatte. Wie immer nuckelte sie an meinem linken Ärmel und dabei fuhr sie fortwährend ihre Krallen aus und zog sie wieder ein. Jetzt ließ ich sie ganz lange gewähren. Am Vortag waren wir mit Sputi beim Tierarzt, der uns keine Hoffnungen mehr machte. Der Krebs war zurückgekommen, am Rücken spürte man die Verdickung. Vor einem Jahr wurde sie an dieser Stelle operiert und wir hatten das ganze Jahr Freude an unserem geliebten Kätzchen. Während ich so da saß, ließ ich das Leben unseres geliebten Kätzchens am geistigen Auge vorbeiziehen.
Wir schrieben das Jahr 1992. Ich war dienstlich für sechs Wochen zum Innenministerium des Landes Sachsen nach Dresden abgeordnet. Da ich eine wunderschöne Zweizimmerwohnung mitten im Zentrum von Dresden, im zehnten Stock eines mehrere hundert Meter langen Wohnblocks, welches in der DDR-Zeit der Volkspolizei vorbehalten war, bewohnen durfte, nahm ich natürlich meine Frau Inge mit. Als Autobahnpolizeispezialist durfte ich das Land Sachsen beim Aufbau und der Organisation seiner Autobahnpolizei beraten.
Daheim blieben unsere Kinder Michael, Jürgen und Sabine und natürlich unser von allen geliebter Hund Blaky. Er war im 15-ten Lebensjahr und schon etwas gebrechlich. Er hörte und sah nicht mehr richtig und war auch sonst nicht mehr gut zu Fuß. Inge hatte ein wenig ein schlechtes Gewissen, weil sie ihn allein bei den Kindern gelassen hatte. Blaky war total auf meine Frau fixiert. Für die Kinder war er ein Spielkamerad, er wuchs mit ihnen auf.
Als Inge und ich heimkamen, ging es ihm schon sehr schlecht. Am Abend vor seinem Tod, lag er noch auf seinem Platz auf dem Sofa. Ich holte etwas Schokolade und brach ein Stück ab. Das hörte der Bursche und kam zu mir. Ich ließ ihn an einem Rippchen Schokolade schlecken, in dem ich es festhielt. Ansonsten wäre es gleich weg gewesen.
Am 10. Dezember 1992 schlief dann unser Blaky friedlich auf seinem Stammplatz neben dem Bett von seiner Mutti ein.
Die Trauer in der ganzen Familie war riesengroß. Er hatte eine schöne Beerdigung. Seine zwei Brüder Michael und Jürgen trugen ihn zu Grabe. Er bekam einen schönen Platz unterm Fliederbaum im Garten.
Während ich so da saß und unser Kätzchen im Arm hielt, es war in der Zwischenzeit eingeschlafen und fühlte sich offensichtlich sehr wohl,, ließ ich die Geschichte mit Sputnik weiter Revue passieren.
Sabine hatte der Tod ihres „Hundebruders“ Blaky schwer mitgenommen. Sie hatte mit ihm am meisten angestellt, ihm Kleider angezogen und Kunststücke beigebracht. Sie wollte unbedingt wieder ein Haustier..
So klapperte sie sämtliche Tierheime in der Gegend ab. Sie wollte unbedingt ein Kätzchen.
Schließlich wurde sie im Tierheim Dallau bei Mosbach fündig. Im Schuhkarton brachte sie ein winzig kleines Kätzchen heim. Es war ein sogenanntes Herbstkätzchen, mit wenig Aussicht auf Leben. Zudem war es erkältet und hatte Schnupfen. Mutti war mit dem Kätzchen zunächst überhaupt nicht einverstanden. Sabine setzte sich wie gewöhnlich durch. Es war ihr Kätzchen und sie wollte es behalten. War ja klar. Plötzlich sorgten sich alle in der Familie um das kleine Würmchen.
Sabine machte dem Kätzchen in ihrem Zimmer unter dem Heizkörper ein kuscheliges Plätzchen und versorgte sie liebevoll. Das kleine Kätzchen gedieh prächtig. Ich weiß nicht mehr wie lange Sabine das Kätzchen in ihrem Zimmer versorgte, ich weiß nur soviel, dass das Katzenklo, bald aus ihrem Zimmer kam.
Vielleicht noch kurz zu dem Namen Sputnik. Bei der Familiennamenskonferenz machte unsere Mutti den Vorschlag. Uns war es egal, dass es ein männlicher Name war.
Sputnik eroberte dann das Haus. Und sie benahm sich wie ein Sputnik. Kein Schrank war ihr zu hoch, kein Spalt zu eng. Oft, wenn wir sie suchten, lag sie auf dem Wohnzimmerschrank, für uns wegen der Bordüre unsichtbar. Ich kann mich auch noch daran erinnern, dass sie gerne im hohen Tempo durch das Haus fegte. Einmal konnte sie einer schönen Porzellanvase, einem Erinnerungsstück von Inges Mama, nicht mehr ausweichen. Die Vase zerbrach in viele Stücke. Wer sie in mühevoller Arbeit wieder zusammenklebte, war ich. Aber so was macht man ja gerne.
Sputnik war ein hübsches grau-weißes Kätzchen. Das Gesichtchen war weiß. Sie war kleiner als andere Katzen. In die Außentüre unter der Terrasse baute ich ein Katzentürchen ein, so dass sie zu jeder Zeit rein und raus konnte. Nur Sputnik begriff einfach nicht, wie sie durch das Türchen gehen sollte. Sabine schob sie raus, Mutti schob sie rein. Erst als ihr Freund und Lehrmeister Herr Schmitt, ein roter Kater, ihr das vormachte, fiel bei ihr der Groschen.
Herr Schmitt brachte ihr alles bei. Sie kletterte hinter ihm auf die höchsten Bäume und traute sich hinterher nicht herunter. Von einer solchen Situation gelang mir einmal ein schöner Schnappschuss. Sputnik und Herr Schmitt befanden sich auf unserem Palmkatzenbaum. Sputnik bewunderte Herrn Schmitt. Dieser lag auf einem Vogelnistkasten, wie auf einem Sofa und Sputnik schaute respektvoll zu ihm auf. Die Folge war, dass ich alle Nistkästen abbauen musste. Vor den beiden war kein Vogel sicher. Sie hatten sich gesucht und gefunden. Eine wunderbare Freundschaft. Nachwuchs konnte Sputnik nicht bekommen und Herr Schmitt nicht machen. Dafür hatten wir und die Leute von Herrn Schmitt gesorgt. Dieser ging bei uns ein und aus wie er wollte. Auf Trockenfutter verzichtete er. Er wollte immer frisches Dosenfutter. Aber er ging auch in die Nachbarschaft und versorgte sich so mit manchem Leckerbissen. Herr Schmitt war ein Lebenskünstler, ein Lebemann, ein Grandseigneur, gewitzt und erfahren. Einmal kam er vom Feld und ging auf unserem Gartenweg Richtung Haus. Hocherhobenen Kopfes hatte er quer im Maul eine riesige Ratte. Da Katzen die Angewohnheit haben, ihre Beute ins Haus zu bringen und damit anzugeben, ging ich hinter Herrn Schmitt her, um zu beobachten, wem er denn seine Beute bringen würde. Zu meiner Beruhigung ging er durch unser Grundstück, kletterte durch das Eingangstürchen, ging den Gehweg entlang, überquerte vorschriftsmäßig die Straße und begab sich zum Haus seiner Leute. Ich war beruhigt.
Unserem Sputnik widerfuhr schon manches Unglück. Sehr schlimm war die Sache mit ihrem Schwanz. Sie hatte einen so schönen langen Katzenschwanz. Eines Tages kam sie nach Hause und das Schwanzende hing kraftlos herunter. Wir natürlich sofort zum Tierarzt. Der amputierte dann etwa 10 cm vom Schwanzende. Sputnik lief ein paar Tage mit verbundenem Schwanz herum. Ich saß gerade im Garten, Sputnik kam zu mir und in diesem Moment verlor sie regelrecht den ganzen Schwanz bis auf ein Ende von wenigen Zentimetern. Ich hob das abgefallene Stück Schwanz auf und bemerkte, dass es regelrecht abgestorben war.
Die folgende Arztbehandlung war eine Tortur für das Kätzchen und uns. Die Wunde wollte und wollte nicht heilen und entzündete sich. Wir hatten wenig Hoffnung. Sabine sorgte dann dafür, dass Sputnik einen Trichter über den Kopf bekam. Wir hatten sie in einem Kinderzimmer eingesperrt und sie wollte doch dauernd raus und trommelte mit ihren Pfoten an die Glasscheiben der Terrassentüre. Nach etwa vier Wochen, war die Wunde abgeheilt und in der Folge verwuchs das Schwanzende so schön, dass manche Leute fragten, ob dies eine besondere Züchtung einer schwanzlosen Katze sei.
Nach Sachlage (so drückten wir Polizeibeamte uns bei Unfallsachen häufig aus) saß unser Sputnik unter dem warmen Auspuff eines Autos. Katzen machen das häufig. Beim Anfahren, fuhr vermutlich ein Rad bzw. ein Reifen über ihren Schwanz und zerdrückte die Wirbel. Nur so denke ich, lässt sich das Abfallen bzw. Absterben des Schwanzes erklären. Alle sagten nun, dass unser Sputnikele nicht mehr auf die Bäume klettern könne, all die weil der Schwanz so eine Art Steuerung bzw. Balance sei. Unser Kätzchen kletterte nach wie vor auf die Bäume und hatte überhaupt keine Schwierigkeiten.
Etwas machte unser Liebling gerne, vermutlich wie alle Katzen. Kaum stellten wir irgendwo eine Schachtel, einen Korb oder sonst ein Behältnis hin, saß unser Sputnik drin. Ich färbte einmal Ostereier und stellte ein flaches Körbchen für die gefärbten Eier auf den Tisch. Ehe ich michs versah, lag unser Kätzchen in dem Körbchen. Als ich den Teich aus baggerte, saß nicht gleich mein Kätzchen in der Schaufel? Offenstehende Schranktüren, Kisten, aufgestellte Regenschirme, ich weiß was sonst nicht alles. Es waren begehrte Plätze für Sputi. Allerdings sperrten wir sie versehentlich oft im Schlafzimmer, im Keller, in der Werkstatt, in der Garage oder sonst in Räumlichkeiten ein, weil wir sie einfach nicht bemerkten. Kam sie dann abends nicht nach Hause, fingen wir an zu suchen und schauten überall nach. Manchmal kam sie allerdings erst nach ein, zwei Tagen nach Hause. Wenn sie wieder da war, freuten wir uns alle.
So vergingen die Jahre. Für Inge und mich war Sputnik immer so eine gemeinsame Freude. Wenn sie schlief und lag friedlich in ihrer Truhe oder auf dem Sofa oder auf der „Ofenbank“ freuten wir uns beide. Oft wenn sie auf dem Polstersessel oder auf dem Sofa lag, deckten wir sie mit einer Decke total zu. Das hatte sie gerne. Insbesondere im Winter. Oben auf legten wir dann einen Zettel mit der Aufschrift „Sputnik schläft“.
Sie lag nun in meinen Armen und schlief selig. Leise schnurrte sie. Mir war im Schlafanzug kalt geworden. Meine Tränen musste ich nicht abtrocknen, es sah sie sowieso niemand und mein Gesicht musste ich mir doch abwaschen, weil Sputniks Haare in meinen Bartstoppeln hingen. Auf jeden Fall hatten sich Inge und ich vorgenommen, sie nicht leiden zu lassen. Sie sollte ihre letzte Ruhestätte bei Blaky ihrem Hundebruder unterm Fliederbaum haben. Behutsam löste ich mich von Sputi und ging wieder zu Bett. Vorher verschloss ich noch das Katzentürchen. Wenig später verspürte ich auf der Bettdecke ein leichtes Tapsen. Unser Kätzchen ging auf ihren Platz in das Körbchen neben dem Kopfende von meiner Frau. Inge bemerkte dies natürlich auch und deckte sie leicht zu. Alle schliefen wir nun friedlich ein.
Quelle: Adolf Skrobanek