(zg) Der Letzte in der Reihe der Haushaltsredner zu sein, macht es einem einerseits einfach, andererseits schwierig. Erleichternd ist, dass man all die so wichtigen Zahlen nicht mehr nennen muss, dies ist bereits mehrfach und ausführlich geschehen. Erschwerend jedoch, dass man ja auf keinen Fall Sachverhalte wiederholen will, schon gar nicht Erkenntnisse der letzten Haushaltsrede, obwohl dies inhaltlich sicherlich häufig angebracht wäre.
Hinzu kommt, dass uns der OB deutlich zu verstehen gegeben hat, dass wir uns möglichst kurz fassen sollen. So bleibt einem – wenn man dem Ansinnen folgen will – nichts anderes übrig, sich sowohl thematisch als auch mengenmäßig zu begrenzen, was aber bitte nicht den Eindruck erwecken soll, dass unserer Fraktion nicht alle gemeinderätlichen Themen wichtig sind.
Was unsere Rathausspitze anbelangt, sind wir in Sinsheim in einer beneidenswerten Situation. Unser OB und seine beiden Dezernatsleiter kann man getrost als starke Persönlichkeiten bezeichnen, die strukturell und innovativ denken und handeln und bei denen wohl niemand von uns im Gemeinderat ernsthaft bezweifelt, dass sie die Geschicke der Stadt verantwortungsvoll lenken. Besonders erwähnenswert sind hier zahlreiche Erfolge, wenn es um die Wirtschaftsförderung in Sinsheim geht. Diese hilft bekanntlich leider nicht bei allen Problemen. Sinsheims „Burgerking“ steht im Moment trotzdem vor großen Schwierigkeiten und Akzeptanzproblemen, nicht so unser Sinsheimer „Bürgerking“ !
Aber genau darin liegt auch ein Problem. Wir Gemeinderäte – und damit meine ich selbstverständlich auch unsere Fraktion – haben uns mit dieser Situation vielleicht zu gut arrangiert – nach dem Prinzip: Lass die das mal machen, die machen es schon gut.
Kann sich hier jemand erinnern, wann wir das letzte Mal eine gestaltende Initiative ergriffen haben, die einen grundsätzlich anderen Weg als den der Verwaltung beschritten hat , -die diese zum Umdenken veranlasst und schließlich die erforderliche Mehrheit gefunden hat?
Aber genau das wäre eigentlich auch unsere Aufgabe, ist ein Grund, warum uns die Bürger gewählt haben. Wir dürfen uns nicht scheuen , unbequeme Wege vorzuschlagen und ggf. gegen den Willen der Verwaltung durchzusetzen. Das ist keine Majestätsbeleidigung, das ist Teil unserer ureigenen Bestimmung.
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Dass die Themen, die ich mit diesem Hintergrund beleuchten möchte, in erster Linie Kernstadtthemen sind, ist keineswegs eine Missachtung der Ortsteile, sondern ist der Dringlichkeit geschuldet.
Den größten Handlungsbedarf sehe ich in der künftigen Entwicklung unserer Innenstadt. Wir haben uns den Luxus geleistet, dieses Kernthema nicht in unserer Klausurtagung abzuarbeiten, zu den stattdessen anberaumten Tagesordnungspunkten und der Arbeitsweise dort möchte ich mir hier nicht äußern.
Die Diskussion über die zukünftige Ausrichtung der Innenstadt muss dringend ausführlich geführt werden – nicht nur in einer Kernstadtausschusssitzung.
Schaffen wir es, private Investoren dazu zu bringen, auch generationenübergreifende Bauprojekte ins Visier zu nehmen?
Wie kann man das optische Erscheinungsbild der Innenstadt verbessern?
Reicht eine Gestaltungssatzung, die durch Bestandsschutz leider weitgehend auf Freiwilligkeit basiert?
Ist das pädagogische Prinzip, erstmal mit dem Verkehrssünder zu reden, anstatt ihm gleich an den Geldbeutel zu gehen, das richtige?
Wird die sukzessive Verdrängung des Verkehrs aus der Hauptstraße, z.B. über den Weg eines so genannten „verkehrsberuhigten Bereichs“, überhaupt noch angestrebt?
Liegt die Nordanbindung nur wegen der angespannten Finanzlage auf Eis?
Denkt man über eine alternative Gestaltung, z.B. über bereits vorhandene Verkehrswege, nach? Will man ernsthaft weniger Autos in der Innenstadt? Wann beschäftigen wir uns endlich mit einem Konzept für Postgarten, Karlsplatz, Kirchplatz und Burgplatz, das der unterschiedlichen Nutzung dieser Plätze gerecht wird? Ergreifen wir die Chance, vor der bald renovierten Stadthalle einen neuen Wohlfühlplatz zu installieren?Haben wir den Mut, unsere Stadthalle in ein Gebäude umwandeln zu lassen, das aufgrund seiner Funktionalität und seiner Optik überregionale Strahlkraft entwickelt? Wo bleiben nach jahrelanger Anmahnung farblich gesicherte Fahrradwege in der Innenstadt? Wie bekommt man mehr Sauberkeit in die Gassen und Straßen? „Sauberhaftes Sinsheim“ ist bis jetzt ein eher peinlicher Slogan .
Eine Verbesserung der Situation in der Innenstadt ist die beste Wirtschaftsförderung für die dortigen Geschäfte. Nur wenn es uns gelingt, die Hauptstraße – etwas anders als die Bahnhofsstraße – in eine lebendige Wohlfühl- Shopping-Mall weitgehend ohne Autos umzuwandeln, haben die Geschäfte der Innenstadt mittelfristig eine Chance gegen Internetgeschäfte und den sich mehr und mehr ausbreitenden Handel in der Neulandstraße, welche sich längst zu einem zweiten Sinsheim entwickelt, was wir nicht aufhalten können und werden.
Viel Geld geben wir für den Erhalt und die Weiterentwicklung unserer Schulen aus. Dass Sinsheim ein regional wirkender Schulstandort ist, bringt der Stadt viele Vorteile, wachsen doch hier künftige Einwohner und damit auch Steuerzahler und Kunden heran. Permanent Geld in unsere Schulen zu stecken, ist also eine notwendige Zukunftsinvestition.
Doch der demographische Wandel und eine ohne Not in den Grundfesten veränderte Schulpolitik seitens des Landes schaffen uns finanzielle und strategische Probleme. Mittelfristig haben wir wohl zu viel Schulraum für zu wenig Schüler. Wie reagieren wir, wenn unser G8- Gymnasium durch die G9-Konkurrenz in Neckarbischofsheim und Östringen im bereits begonnenen Maße weiter schrumpft, wenn die Schülerzahl der Förderschule in einer aufwändig sanierten Carl-Orff-Schule, zu deren Besuch es schulrechtlich keinerlei Verpflichtung mehr gibt, zurück geht, das Angebot einer leistungsfeindlichen Gemeinschaftsschule nicht ausreichend angenommen wird, weil sich die Realschule mit dem anvisierten 2-Säulen-Konzept als attraktiver heraus stellt? Wie reagieren wir, wenn Mensen nicht wirtschaftlich betrieben werden können, weil die Schüler das Nachmittagsessen bei ihrer Oma oder beim nächsten Fast-Food-Anbieter vorziehen? Generieren wir endlich Einnahmen durch Vermietung der Mensen? Legen wir Schulen gebäudetechnisch zusammen, um uns von Immobilien trennen zu können? Mit diesem Hintergrund muss jede Maßnahme, die über eine dringend notwendige Sanierung hinaus geht, erstmal sehr kritisch hinterfragt werden.
Dietmar Hopp hat uns mit einer einmaligen Halle in Hoffenheim beglückt, was die Hallensituation der Stadt entscheidend verbessert. Aber allerspätestens wenn die Carl-Orff-Halle fertig gestellt ist, müssen wir mit den Vereinen und dadurch mit ehrlicher Bürgerbeteiligung an eine Neuordnung der Belegung gehen.
Leitfaden muss der Gedanke sein, dass wir in Sinsheim eher ein Platzproblem im Trainingsbetrieb der Vereine haben, im Spielbetrieb sieht man im Moment bei den Betroffenen keine gravierenden Schwierigkeiten. Daher ist der Gedanke, in Steinsfurt auf eine spielbetriebsfähige Halle zu verzichten und stattdessen eine Trainingshalle zu planen, sicherlich der richtige. Eine Großsporthalle mit höherer Zuschauerkapazität muss erst dann geplant werden, wenn Druck durch einen zuschauerintensiven sportlichen Erfolg entsteht.
Bürgerbeteiligung stellt bei diesem Thema kein Problem dar, weil es hier um die Ausgestaltung eines fertigen Rahmens geht. Problematisch wird sie, wenn der Bürger innovativ wirken will und dann erfahren muss, dass die Umsetzung von den politisch Verantwortlichen nicht getragen wird. Für dieses Dilemma sehe ich noch keinen Lösungsansatz. Ich beneide daher all die, die an einem Konzept für Bürgerbeteiligung arbeiten, nicht um die schwierige Aufgabe, Frustrationen bei den beteiligungswilligen Bürgern zu vermeiden.
Bei einigen Räten keimt hinsichtlich einer nachhaltigen Haushaltssanierung immer wieder der Vorschlag auf, an unsere Freiwilligkeitsleistungen zu gehen. Dies macht keinen Sinn. Die eine oder andere Leistung aus dem Katalog Volkshochschule, Musikschule, Stadtbus, Freibad, Museum usw. komplett zu streichen, würde Sinsheim als Mittelzentrum gefährden. Deshalb stellt man keine Streichung , aber Angebotskürzungen in den Raum. Finanzielle Einschränkungen im Dienstleistungsbereich bringen aber erhebliche Qualitätsverluste, die letztlich genauso negativ wirken wie ein komplettes Streichen. Wer den städtischen Charakter unserer Kernstadt nicht nur bewahren, sondern ausbauen will, muss hiervon die Finger lassen.
Freiwilligkeitsleistungen sind meist sehr personalintensiv – wie eben auch die gesamte Verwaltung. Es war schon immer stammtischpolitisch opportun, den öffentlichen Dienst zu diskreditieren. Wer genauer hinschaut, sieht, dass letztendlich die freie Wirtschaft für die Stadt nicht kostengünstiger arbeitet als eine zahlenmäßig und qualitativ gut aufgestellte Verwaltung. Wer diese im Interesse des Wohles unserer Stadt will, muss bereit sein, sichere, unbefristete Arbeitsplätze zu bieten, denn nur diese beiden Faktoren können die zumindest im Moment bestehende Minderbezahlung im Vergleich zur freien Wirtschaft ausgleichen.
Die oft gebetsmühlenartig vorgetragene Forderung nach Senkung der Personalkosten beantworte ich mit der schlichten Frage nach dem sinnvollen Wo und Wie. Eine schlüssige Antwort darauf blieb bisher aus.
Der Schuldenstand unserer Stadt erscheint bedrohlich, wenn man die Zahlen der Stadtwerke mit in Betracht zieht. Dennoch sind diese auf dem richtigen Weg. Es zeigt sich , dass es wohl überlegt war, sie z.B. durch einige Beteiligungen auf breitere Beine zu stellen. Der Wirtschaftlichkeit sind juristische Grenzen gesetzt, die geringen Spielräume ,wie z.B. jetzt beim Wasser, darf man guten Gewissens nutzen.Wir müssen dabei aus den Erfahrungen anderer, zu uns in Konkurrenz stehender Kommunen lernen und weiterhin für neue Wege offen sein.
Sinsheim setzt zurecht auf die Karte „Tourismus“. Wer sich mit Hoteliers und Gastronomen unterhält, erfährt von erfreulich steigenden Zahlen. Ursachen sind neben unserer schützenswerten Landschaft die so genannten Leuchttürme „Museum“, „Stadion“ und „Badewelt“. Gerade die Daten aus der Badewelt sollten wir Gemeinderäte mit Stolz nach Außen tragen, um den letzten bösartigen Zweiflern das Wasser abzugraben.
Dass unser Steinsberg mit seiner herrlichen Burg und dem fantastischen Rundblick es wert ist, dass man an Restaurierungen, strukturellen Verbesserungen und Innovationen arbeitet, kann wohl niemand ernsthaft bezweifeln. Dabei sollte man auch den Mut zum Querdenken haben.
Und deshalb lassen Sie mich mit (mal wieder) mit einer kleinen Vision schließen:
Wir schreiben das Jahr 2016, endlich können auch die Bürger der Kernstadt und die potentiellen Touristen von der Autobahn die frisch sanierten Burgmauern der Burg Steinsberg sehen, die mit einer neuen touristischen Einrichtung die Massen anlocken soll – einer Sommerrodelbahn bis hinab ins krematoriumbefreite Reihen. Zur feierlichen Einweihung ist der gesamte Gemeinderat anwesend und OB Albrecht darf mit jedem Rat im Doppelsitzer eine Talfahrt wagen – und warum dies?
Weil wir alle mit unserem OB mal wieder richtig Schlitten fahren sollten!
Quelle: Alexander Hertel