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Angehende Azubis von Abschiebung bedroht

22. März 2017 | Das Neueste, Gesellschaft, Photo Gallery

(zg) Ittlingen/Sinsheim. Alle Hände voll zu tun hat Raumausstatter-Meister Bernd Schwab: Polstermöbel restaurieren, Gardinen nähen, Daunenbetten reinigen, Böden verlegen und Markisen anbringen. Händeringend suchte er daher im vergangenen Jahr nach Verstärkung für seinen kleinen Betrieb in Ittlingen. Seine Raumausstatter-Gesellin war im Erziehungsurlaub und die Näherin im Krankenstand.

   „In den vergangenen acht Jahren ist es mir nicht gelungen, geeignete Bewerber für einen Ausbildungsplatz zu finden“, bedauert Schwab. Eine Auszubildende, die er von einem anderen Betrieb übernommen hatte, fehlte ständig, so dass er sie im November 2016 entlassen musste. „Ich war kaum noch in der Lage, die für die Betriebsexistenz notwendigen Aufträge zu erledigen, denn für viele Arbeiten braucht man vier Hände“, sagt Schwab.

   So war er heilfroh, als Johanna Thie aus Sinsheim, die für das Deutsche Rote Kreuz ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe tätig ist, ihm Ebrima Camara vermittelte. Der junge Schneider aus Gambia war in einer Sinsheimer Asyl-Unterkunft untergekommen. Vom 21. November bis 1. Februar absolvierte er bei Schwab ein Praktikum und begann zur Ausbildungsvorbereitung direkt im Anschluss eine Einstiegsqualifizierung. „Ebrima hängt sich wirklich rein und weiß was er will. Er ist in den letzten 20 Jahren der beste, den ich hatte“, freut sich der Handwerker. Nach seinen Aussagen haben auch Bäcker, Dachdecker, Metzger und andere Handwerker Probleme mit dem Fachkräftemangel. „Berufe, in denen man körperlich arbeiten muss und sich auch mal schmutzig macht, will keiner mehr machen.“

   Mit Ebrima Camara hat er einen Ausbildungsvertrag geschlossen, er könnte zu Beginn des Schuljahrs im September in seinem Betrieb anfangen. „Endlich habe ich einen Auszubildenden, der etwas taugt und dem ich zutraue, ein guter Handwerker zu werden“, freut er sich. Doch Camaras Asylverfahren steht vor dem Abschluss und die Aussichten auf Anerkennung sind für Flüchtlinge aus Gambia gering. Nun fürchtet Schwab, dass sein angehender Azubi abgeschoben werden könnte.

Anzeige Swopper   Daher hatte sich Johanna Thie hilfesuchend an den Landtagsabgeordneten Hermino Katzenstein (Grüne) gewandt. „Für die Gesamtdauer einer Ausbildung und für zwei weitere Jahre einer entsprechenden Beschäftigung sieht das neue Integrationsgesetz die Duldung vor“, stellt Katzenstein klar. Diese Regelung komme dem Bedarf der Arbeitgeber nach Planungssicherheit entgegen, da diese nicht befürchten müssten, dass ihr Lehrling während der laufenden Ausbildung abgeschoben wird.

   Doch Katzenstein weiß auch, dass noch viele Fragen offen sind: Bis Camara seine Ausbildung anfangen kann dauert es noch etliche Monate und die Anhörung hat bereits stattgefunden. Außerdem ist er über Italien nach Deutschland gekommen und gilt somit als sogenannter Dublin-Fall. Und während das Dickicht der Asylbestimmungen immer dichter wird, drängt die Bundesregierung vor der Bundestagswahl auf schnelle Abschiebungen. Katzenstein beruft sich auf den Verwaltungsgerichtshof Mannheim, wonach es für die Duldung ausreicht, wenn ein Ausbildungsvertrag abgeschlossen wurde.

   Im Übrigen hat Schwab seine volle Unterstützung bei der Feststellung: „Wenn es solche Menschen gibt, die eindeutigen Integrationswillen und eine hohe Lernbereitschaft zeigen, so wie Herr Camara es vorlebt, sollten doch Wege möglich sein, ihnen eine Chance zu geben.“

   Jamil Fafa Ceesay stammt ebenfalls aus Gambia und will Koch werden. Er arbeitet im renommierten Restaurant „Grüner Baum“ in Sinsheim-Rohrbach in der Küche. Anders als Camara, der trotz intensivster Bemühungen bis heute keinen Sprachkurs besuchen konnte, hat er das Glück, dass er seit Herbst an der Einstiegsqualifizierung Plus mit zusätzlicher Unterstützung, Maxx-Ticket und Sprachkurs teilnehmen kann. Katzenstein weiß: „Die Kurse sind hoffnungslos überbucht.“ Der Bedarf der hiesigen Unternehmen sei offenbar nicht richtig eingeschätzt worden.

   Ceesay spricht schon sehr gut deutsch und wirkt selbstsicher und offen. Im Familienbetrieb ist er angenommen worden wie ein Sohn. „Er hat sich sehr gut integriert, obwohl er aus einer anderen Kultur kommt“, sagt Inhaber Claus-Dieter Barth, der ihn auch unbedingt im September als Lehrling übernehmen möchte. Beim Projekt „Heimstärke“ von Anpfiff ins Leben und SAP lernt er (Fußball) spielend deutsch und übt sich als Trainer. Und bei einem von Inge Baumgärtner, der Integrationsbeauftragten der Stadt Sinsheim und Vera Fink, einer Sinsheimer Theaterpädagogin, initiierten Theaterstück hat er unter anderem Angela Merkel gespielt. Doch auch Ceesays Asylantrag läuft noch und seine Zukunft ist ungewiss.

Sabine Hebbelmann

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