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Ansprache von Pfr. Schulz zur „Kremafete“ am 28.6.2014 in Reihen

16. Juli 2014 | Das Neueste, Reihen

Meine lieben Damen und Herren!

Ein guter Tag ist das heute für Reihen. Ein Tag, der Chancen zum Neunanfang bietet. Endlich. Ein sich über drei Jahre hinwegziehendes Trauerspiel in mehreren Akten hat nun doch ein glückliches Ende gefunden. Das ist wirklich ein Fest heute wert.

Keine Siegesfeier. Zum Glück haben die Initiatoren für dieses Fest das von vornherein klargestellt. Das ist keine Siegesfeier. Hier gibt es keine Sieger und Besiegten. Das Aus für das geplante Krematorium in Reihen ist Anlass für Versöhnung. Jetzt ist der Zeitpunkt da, die Hand zur Versöhnung auszustrecken, jedem einzelnen gegenüber, ob er dafür oder dagegen war oder indifferent oder ob jemand selber aktiv den Bau eines Krematoriums betrieben hat. Ich denke, jeder von uns ist heute bereit, jedem die Hand zur Versöhnung zu reichen, wo immer geht, jetzt ist die Chance, frisch anzufangen miteinander. Versöhnung muss Hand und Fuß haben, d.h. die Ursache des Unfriedens muss beseitigt sein. Sonst ist jedes Gerede von Versöhnung leeres Bla-bla. Wer aber von Versöhnung redet und gleichzeitig den Gegenangriff plant – führen Sie selber diesen Satz mit Ihren Worten zu Ende. Ein Alptraumm, eine Katastrophe für das menschliche Miteinander wäre, wenn dieses Objekt gebaut worden wäre.

Die aktiven Gegner eines Krematoriums waren zu keinem Zeitpunkt Gegner der Versöhnung. Das sei ein für allemal klargestellt. Hier hat niemand geschürt oder Unfrieden gestiftet. Im Gegenteil. Die Gegner eines Krematoriums waren immer die ersten Befürworter der Versöhnung, weil sie es verhindert haben, dass diese bewusste innere Mauer durch unser Dorf gebaut wird. Dieses Fest soll Ausdruck für die Versöhnung sein. Jeder war und ist dazu eingeladen. Kein Siegesfest, aber ein Versöhnungsfest.

Keine Sieger und Besiegten gibt es. Wenn jemand oder etwas gesiegt hat, dann ist es das Recht (das vorher massiv gebrochen wurde). Es wurde Recht gesprochen. Recht gesprochen von der dritten demokratischen Gewalt in unserem Land, die wahrlich nicht im Verdacht steht, billigem Populismus und einfachen Vorurteilen nach dem Mund zu reden; dennoch und erst recht dürfen wir aber froh und dankbar sein, dass es sie gibt. Es wurde Recht gesprochen, zunächst aus Karlsruhe. Und das unmittelbar einen Tag danach, als eine Parole in Reihen behauptete: Bestimmte Personen in Reihen mitsamt dem Pfarrer, „babbeln den größten Scheiß“. Das Gericht in Karlsruhe stellte genau einen Tag später klar, wer da wirklich „den größten Scheiß gebabbelt hat.“ Und nicht zuletzt endgültig das Verwaltungsgericht in Mannheim. Hinter diese Rechtsprechung kann heute keiner mehr zurück, wer sich nicht ins Unerecht setzen will. Tatsachen zu leugnen ist absurd. Wer Tatsachen leugnen will, den muss man bedauern, dem ist schier nicht mehr zu helfen.

Das Recht hat gesiegt. Und Recht hängt immer untrennbar mit dem Menschen zusammen. Recht ist kein starrer Begriff, kein bloßes Paragraphenopus, sondern Recht regelt das Zusammenleben und die Gemeinschaft der Menschen, fördert, baut sie, gibt dadurch Orientierung.. Recht ist ein Gebot der Menschlichkeit. Ich könnte also auch sagen: die Menschlichkeit hat gesiegt.

Oder die Pietät hat gesiegt. Auf der basierte ja ganz wesentlich die Argumentation der Gerichte. Die Pietät hat gesiegt, und die hat nicht nur was mit Ehrfurcht vor Gott zu tun, sondern mit Ehrfurcht vor dem Leben. Beides hängt untrennbar zusammen. Ehrfurcht vor dem noch lebenden Leben und dem schon gelebten Leben.

Immer wieder haben sich Menschen gefragt, warum um alles in der Welt denn hier sich auch der Pfarrer von Reihen eingeschaltet und eindeutig Partei ergriffen habe. Und zwar nicht nur als Privatperson, sondern bewusst als Vertreter meiner Kirche und als Seelsorger dieser Gemeinde. Darf sich der Pfarrer da einmischen? Muss er nicht vermittelnd über den Fronten stehen? Es war keine einfache Entscheidung für mich, die brauchte ihre Zeit brauchte und brachte z.T. schmerzliche menschliche Konflikte für mich. Keine einfache Zeit für mich, gebe ich zu. Besonders schmerzlich war, hier auch innerhalb meiner Kirche z.T. heftigen Angriffen ausgesetzt gewesen zu sein. Neben auch ganz viel Unterstützung und Ermutigung und Dank, das sei auch nicht verschwiegen. Viele dieser Angriffe haben sich inzwischen gelegt, beruhigt, bei dem einen oder andern setzten vielleicht doch, ich will es hoffen, deutliche Spuren von Nachdenken und Verständnis für mein Verhalten ein. Allen, die sich das gefragt haben oder immer noch fragen, sei klar gesagt: Ich konnte nicht anders. Ich durfte nicht anders. Ich hätte mir nie mehr in den Spiegel sehen können, hätte ich mich hier zurück­gehalten. Wo Recht gebrochen wird, kann Kirche erst recht nicht schweigen. Bei offensicht­lichem Rechtsbruch hört die Neutralität auf.

Ich will hier jetzt wirklich nicht predigen und bin auch bald zu Ende. Aber jedem von euch möchte ich eine Leseempfehlung weitergeben, ein gutes Buch empfehlen. Und zwar den Glaubenden genauso wie den Nicht-Glaubendenden (besser: den Noch-Nicht-Glaubenden). Lest in der Bibel im Buch der Bücher das Buch des Propheten Amos. Ziemlich in der Mitte der Bibel. Nicht zu lang, nur 9 Kapitel. Was da über Recht und Gerechtigkeit gesagt wird: wie das Recht in Wermut verkehrt wird (einem billigen ekelhaften Gesöff) und das Recht zu Boden gestoßen wird, das Recht gar in Gift verwandelt wird, wo statt Rechtsspruch Rechtsbruch herrscht (bewusstes Wortspiel).

Und wer Geschmack bekommen hat, der kann gleich mit dem Propheten Jesaja weiter­machen. Wer sich ernsthaft mit den Propheten des Alten Testamentes befasst, der kann nicht mehr allen Ernstes behaupten, dass es nicht die Aufgabe der Kirche und des Pfarrers von Reihen gewesen wäre, hier eindeutig Stellung zu nehmen. Das hätten allerdings zuallererst die bewussten kirchlichen Vertreter wissen und beachten müssen.

Die Kirche hat sich ja für den ökumenischen Dialog die Ziele „Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“ auf die Fahnen geschrieben. Es kann nicht sein, dass Kirche diese Ziele angesichts der allgemeinen Probleme und Konflikte der Welt wie ein Transparent vor sich herträgt, aber vor der eigenen Haustür, dann, wenn es konkret wird und man sich vielleicht auch konkret mit Menschen vor Ort anlegen muss, kneift und sich zurückzieht oder in Allgemeinheiten flüchtet. Dann wird der Slogan „Friede, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“ zu einer bloßen Leerformel, aber mit zwei ee geschrieben, und ist das Papier nicht wert, auf dem entsprechende Texte stehen.

Heute dürfen wir uns also mit Recht darüber freuen, dass dieses Objekt nicht gebaut wird. Ein Krematorium in Reihen wird es nicht geben. Es hat schon in ungebautem Zustand genug Unheil angerichtet. An menschlicher Gemeinschaft so viel Flurschaden angerichtet, dass wir schon deshalb heilfroh sein können, dass dieser Spuk vorbei ist. In der Vergangenheit. Wenn üble Nachrede und Verunglimpfung von Mitbürgern, nur weil sie kritische Zeitgenossen sind, ein Klima schaffen, in dem Fensterscheiben eingeschlagen werden oder Unmengen an Met, die Frucht von vier Jahren Arbeit, woran demjenigen sein Herzblut hängt, in den Gully fließen. Das alles kann vergeben werden. Vergessen nicht. Vergessen niemals, vergeben ja. Vergeben ist ein Segen und die Voraussetzung für allen Neuanfang. So wahr wir alle davon leben, dasss uns vergeben wird. Aber Vergebung ist keine Einbahnstraße. Sie muss angenommen werden. Sie vberuht auf Gegenseitigkeit. Vergebung, oder besser gesagt: Versöhnung. Wie schwer das ist, zeigt die Gegenwart  Wenn allen Ernstes wegen eines Krematoriums langjährige Freundschaften zerbrechen, bestimmte Leute von bestimmten Leuten nicht mehr angeschaut, keines Blickes mehr gewürdigt werden, geschweige denn Grußes, ganze Familien in Sippenhaft genommen, ist das grotesk, nicht zu fassen. Macht zumindestens nachdenklich..

Ich komme zum Schluss: möchte ganz einfach herzlichen Dank sagen all denen, die sich hier vbewusst dafür eingesetzt haben, dass Recht Recht bleibt, was immer ein Recht für den Menschen ist.

Namen möchte ich keine nennen, um mich nicht wieder Mißverständnissen auszusetzen. Jeder kennt die Namen, die hier zu nennen sind. Eine einzige Ausnahme: Besonders herzlicher Dank gebührt Familie Rau. Hätte sie nicht im Rechtsstreit durchgehalten, wäre alles vergebens gewesen.Und nun dürfen wir feiern und uns freuen und uns auch in Ztukunft dafür einsetzen, dass Leben in Reihen schön und lebenswert sei und bleibt. Getreu einem anderen biblisc hen Motto, diesmal Prohet Jeremia: „Suchet der Stadt Bestes.“

Quelle: Pfarrer Schulz

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