Mit Die verlorene Ehre der Katharina Blum eröffnet die Badische Landesbühne am 18. Oktober um 19.30 Uhr im Wilhelmi-Gymnasium die Spielzeit in Sinsheim.
(zg) Vor der Aufführung findet um 19 Uhr eine Einführung in die Produktion statt, zu der alle Interessierten herzlich eingeladen sind.
Die Erzählung von Heinrich Böll ist Liebesgeschichte, Kriminalroman und Pressethriller in einem. Margarethe von Trotta hat aus dem Stoff eine pointierte Theaterfassung gemacht, die Intendant Carsten Ramm nun an der Badischen Landesbühne inszeniert.
Katharina Blum ist eine junge, integre, strebsame Frau. Auf einer Party lernt sie Ludwig Götten kennen, in den sie sich auf den ersten Blick verliebt. Sie tanzt den ganzen Abend mit ihm, nimmt ihn schließlich mit sich nach Hause und verbringt die Nacht mit ihm. Als sie erfährt, dass Ludwig des Mordes und des Bankraubs verdächtigt und von der Polizei gesucht wird, verhilft sie ihm zur Flucht. Ein Einsatzkommando der Polizei stürmt ihre Wohnung, ein blamabler Fehlschlag für Kommissar und Staatsanwalt. Katharina wird verhaftet und stundenlag verhört.
Der Boulevardjournalist Werner Tötges wittert sofort, dass sich aus dieser Geschichte eine große „Sensationsstory“ machen lässt. Tötges und die Vertreter der Justiz stellen eine Verschwörungstheorie auf, wonach Götten Mitglied einer Terrorgruppe sein soll. Um diese These zu erhärten, wird Katharina in der Zeitung auf perfide Art und Weise zu einer liederlichen, kriminellen und skrupellosen Kommunistin, ja zum eigentlichen Zentrum der angeblichen Terrorgruppe gemacht.
Aus unbewiesenen Behauptungen werden Tatsachen, Aussagen von interviewten Personen werden in ihr Gegenteil verkehrt, Fakten, die Katharina entlasten, werden verschwiegen. Unter dem Deckmantel der Pressefreiheit spielen das Boulevardblatt, Justiz und Wirtschaft ein abgekartetes Spiel und der entwürdigende Shitstorm, der auf Katharina niederprasselt, wird von Tag zu Tag heftiger. Ob sich Katharina zur Wehr setzen kann?
Mit Die verlorene Ehre der Katharina Blum schrieb Böll 1974 ein Lehrstück über das diffizile Gleichgewicht zwischen Personenrechten und staatlichen Machtbefugnissen sowie Menschenwürde und Pressefreiheit. Die Themen sind noch heute hochaktuell, dennoch spielt der historische Hintergrund der Erzählung eine wichtige Rolle. Die 1970er Jahre waren in der Bundesrepublik einerseits geprägt durch den gesellschaftlichen Aufbruch im Zuge der 68er-Bewegung und andererseits durch den Terror der RAF. Insbesondere die Springer-Presse berichtete höchst polemisch über die Studentenbewegung und schürte im Zusammenhang mit der RAF Hysterie in der Bevölkerung. Böll zeigt in seiner Erzählung die Wirkungsmechanismen von sensationsgierigem Boulevardjournalismus auf und leistet einen literarischen Beitrag zur Gewaltdiskussion seiner Zeit, indem er darstellt, dass nicht nur Waffen, sondern auch Worte bzw. Schlagzeilen Gewalt ausüben können, publizistische Gewalt.
Regisseur Carsten Ramm: „Das Stück hat heute wieder große Aktualität –
leider! Wir erleben, wie Presse wieder Politik macht: Wenn eine Zeitung wie die Bild-Zeitung linke Gewalt herbeiredet, macht sie damit Politik. Und verharmlost gleichzeitig die tatsächlich existierende rechte Gewalt, die in Deutschland seit 1990 fast 200 Menschen das Leben gekostet hat. Den Teufelskreis der Gewalt gilt es zu durchbrechen, damals wie heute.“
Im Zentrum von Ramms Inszenierung stehen die Schauspielerinnen und Schauspieler sowie der starke Text. Neben bekannten Gesichtern wie Evelyn Nagel, Martin Behlert, Markus Hennes, Stefan Holm, und René Laier sind die Schauspielerinnen Lydia Fuchs, Nadine Pape und der Schauspieler David Meyer zum ersten Mal an der Badischen Landesbühne zu sehen. Das Lebensgefühl der 70er Jahre lässt Ramm durch eine Live-Band aufleben, die Songs der Rockgruppe Ton Steine Scherben spielen. Die Band unter der Leitung von Hennes Holz bilden Mario Fadani und Colin Hausberg. Die Kostüme und die Bühne von Dieter Teßmann versetzen die Zuschauer ebenfalls in die Vergangenheit, die Aktualität von Die verlorene Ehre der Katharina Blum wird das Publikum aber immer wieder auf die Gegenwart verweisen.
Mittwoch, 18. Oktober 2017, 19.30 Uhr (Einführung um 19.00 Uhr)
Sinsheim, Wilhelmi-Gymnasium
Kartenvorverkauf: Buchhandlung Doll, Telefon: 07261.2322,
E-Mail: [email protected]
Quelle: Martina Illinger