(zg) Die Badische Landesbühne hat auf ihrer Pressekonferenz am Dienstag in Bruchsal ihren Spielplan für die Saison 2016.2017 vorgestellt. Sie steht unter dem Motto „Mensch!“. „Als einziges Wesen lässt sich der Mensch nicht nur von seinen Sinnen leiten, sondern auch von der Vernunft. Doch angesichts von Kriegen, Gewalt und Rassismus, Umweltzerstörung, Neid und Missgunst sind Zweifel berechtigt, ob wir Menschen mit diesem Vernunftdenken stets Vernünftiges anzufangen wissen“, so Intendant Carsten Ramm. Die Stücke der kommenden Spielzeit sollen den Fragen nachgehen, was den Menschen ausmacht, was Menschlichkeit, was Unmenschlichkeit sein könne.
Der Ort der Pressekonferenz war gezielt gewählt: Die Räumlichkeiten des ehemaligen „Club Dub“ werden in Zukunft neue Spielstätte für das Kinder- und Jugendtheater der Badischen Landesbühne sein. Sie sollen außerdem Raum für theaterpädagogische Projekte und Möglichkeit für Begegnungen bieten und daneben als Probebühne genutzt werden. Die neue Spielstätte wird im Januar 2017 mit einem Festival für Klassenzimmerstücke eröffnet.
Die Premieren des Abendspielplans stellten Intendant Carsten Ramm und Chefdramaturgin Larissa Benszuweit vor. Eröffnet wird die Spielzeit am 22. September 2016 auf der großen Bühne mit Buddenbrooks nach Thomas Mann. Die BLB zeigt den Roman, der dem Autor zum Literaturnobelpreis verhalf, in einer Fassung des Dramaturgen und Autoren John von Düffel; Regie führt Carsten Ramm. Als zweite Premiere wird im November die Komödie Ärger mit Harry gezeigt. „Wir freuen uns sehr, die Uraufführung des Romans The trouble with Harry von Jack Trevor Story, den Alfred Hitchcock bereits 1955 unter dem Titel Immer Ärger mit Harry verfilmte, auf die Bühne zu bringen. Alle Freunde des schwarzen Humors werden ganz sicher auf ihre Kosten kommen“, verriet Benszuweit. (Regie: Carsten Ramm) Am 19. November 2016 folgt mit Waisen von Dennis Kelly eines der bekanntesten Gegenwartsstücke auf deutschen Bühnen. In ihm wird aus einem romantischen Abendessen zu zweit ein packender Psychothriller, der unaufhaltsam seinem düsteren Ende entgegengeht. Wolf E. Rahlfs, der regelmäßig an der BLB arbeitet und zuletzt Maria Stuart auf die Bühne brachte, wird es inszenieren. Die erste Premiere im neuen Jahr setzt sich mit einem der größten politischen Skandale der Gegenwart auseinander: Christian Scholzes Theaterfassung von Schmerzliche Heimat basiert auf dem gleichnamigen Buch von Semiya Simsek und Peter Schwarz. Simsek, Tochter von Enver Simsek, dem ersten Opfer der Terrorzelle NSU, verarbeitet in ihm die Erfahrungen ihrer unter Generalverdacht stehenden Familie. (Regie: Carsten Ramm) Mit Andorra folgt eines der bekanntesten Dramen von Max Frisch, das den Ursachen für Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus auf den Grund geht. Es handelt vom angeblich jüdischen jungen Mann Andri, der systematisch von den Einwohnern des fiktiven Ortes Andorra ausgegrenzt und gedemütigt wird (Regie: Wolf E. Rahlfs). In der Regie von Judith Kriebel hat am 13. April 2017 die Komödie Du (Normen) von Philipp Löhle Premiere. Löhle ist einer der meist gespielten Gegenwartsautoren und beleuchtet in seinem Stück den Aufstieg eines Turbokapitalisten. Den Abschluss der Spielzeit macht Shakespeares Der Widerspenstigen Zähmung, das mit scharfen Wortgefechten unter italienischer Sonne beste Sommertheaterunterhaltung im Freilicht vor dem Barockschloss verspricht. Für die Regie ist Arne Retzlaff verantwortlich, der in dieser Spielzeit Hase Hase von Coline Serreau inszenierte.
Der Leiter des Kinder- und Jugendtheaters Joerg Bitterich verkündete, was das junge Publikum nächste Spielzeit erwartet: Die Autorin Karen Köhler hat mit ER. SIE. ES. eigens ein Stück für die Badische Landesbühne verfasst, das Bitterich im September zur Uraufführung bringen wird. Die Themen des Stücks sind Sex und Sexualität. „Die Entdeckung der eigenen Sexualität ist ein Thema, das junge Menschen sehr beschäftigt und die Autorin und ich denken, dass man darüber sprechen muss – auch und gerade im Theater“, so Bitterich. Das Projekt hat das Stipendium des Arbeitskreises Kinder- und Jugendtheater Baden-Württemberg gewonnen und wird vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg unterstützt. Der Kinderbuchklassiker Pinocchio des Italieners Carlo Collodi wird als Winterstück für die ganze Familie ab dem 4. November auf der großen Bühne zu sehen sein (Regie: Katharina Schmidt). Für die ganz jungen Zuschauer ab vier Jahren hat die Badische Landesbühne Ein König zu viel im Programm. Das Stück der Autorin Gertrud Pigor beschäftigt sich liebevoll mit Zankereien darüber, wer das Sagen hat. Ihr „Theaterstreit“ feiert im Januar 2017 Premiere (Regie: Joerg Bitterich). Ebenfalls im Januar kommt im ehemaligen „Club Dub“ Cyber Cyrano zur Premiere. Der ungarische Autor István Tasnádi beschreibt hier, wie dicht das Spiel mit falschen Identitäten und Manipulation im World Wide Web beieinander liegen (Regie: Anna-Lena Kühner). Beenden wird Bitterich die nächste Spielzeit des Kinder- und Jugendtheaters mit Charles Ways Piraten!, einem abenteuerlichen Sommerstück für die ganze Familie, das er auch selbst inszenieren wird. Aufgrund der Aktualität des Themas und der großen Nachfrage wird Janne Tellers Gedankenexperiment Krieg. Stell dir vor, er wäre hier ab Oktober 2016 erneut in das Programm der Landesbühne aufgenommen (Regie: Carsten Ramm).
Die erfolgreiche Matineereihe Café Europa wird auch in der neuen Spielzeit fortgesetzt. Themen der Lesungen sind der neue Literaturnobelpreisträger, Franz Schuberts Winterreise und das 200. Jubiläum des ersten Fahrrads. Ebenso widmet sich die Reihe wieder außergewöhnlichen Persönlichkeiten wie Philipp Melanchthon (500 Jahre Reformation), Alfred Hitchcock (in Verbindung mit der Uraufführung von Ärger mit Harry), Stefan Zweig (75. Todestag), Gisela Elsner (80. Geburtstag und 25. Todestag) und Ella Fitzgerald (100. Geburtstag).
Das gesamte Angebot der Badischen Landesbühne wird wie gewohnt von einem umfangreichen theaterpädagogischen Programm begleitet, das sich an alle Schulen des Spielgebietes und darüber hinaus an alle theaterbegeisterten Menschen richtet.
Quelle: Martina Illinger