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Badische Landesbühne zeigt Paradiso von Lida Winiewicz

23. September 2015 | Badische Landesbühne, Leitartikel, Photo Gallery

30.September 2015 um 19.30 Uhr zur Spielzeiteröffnung im Wilhelmi-Gymnasium

Paradiso q2_Nagel, Schucht_Foto Sonja RammEin Gespräch mit den Schauspielerinnen Ursula Schucht, Evelyn Nagel und Regisseurin Judith Kriebel

Die Badische Landesbühne zeigt am Mittwoch, 30.09.2015 in Sinsheim das 2008 in Wien uraufgeführte Stück Paradiso von Lida Winiewicz in einer Inszenierung von Judith Kriebel. Die ehemalige Schulleiterin Martha, die seit ihrer Pensionierung am liebsten am Parkteich sitzt und Enten füttert, trifft auf die arbeitslose Vicky. Gleich bei der ersten Begegnung bietet die deutlich jüngere Frau ihr eine Sterbeversicherung an. Überhaupt scheint Vicky sehr an Marthas Vermögen interessiert zu sein. Die Frauen könnten unterschiedlicher nicht sein, doch aus Spaß am Streit und weil beide voneinander profitieren können, entwickelt sich eine generationenübergreifende Freundschaft, die vom Schicksal auf eine harte Probe gestellt wird.

Ursula Schucht, die nach Der Besuch der alten Dame und Wir sagen Du! Schatz erneut an der Badischen Landesbühne gastiert, BLB-Schauspielerin Evelyn Nagel und Regisseurin Judith Kriebel standen uns für ein Gespräch zur Verfügung.

Paradiso q1_Schucht, Nagel_Foto Sonja RammFrau Schucht, die Schulleiterin Martha, die Sie in dieser Inszenierung spielen, sitzt mit ihren 81 Jahren am liebsten alleine am Parkteich. Können Sie diese Haltung nachvollziehen?

Ursula Schucht: Das Interessante an dieser Rolle ist für mich, dass Martha eigentlich überhaupt nicht meinem Naturell entspricht. Aber ich kann ihre Art und Weise sehr gut nachvollziehen. Sie hat ein gewisses Alter erreicht und verteidigt die Werte, die ihr wichtig sind. Dabei wird sie auch schon mal aggressiv. Persönlich bin ich da anders. Man muss das Älterwerden akzeptieren, es gehört zum Leben. Ich selbst fühle mich gar nicht alt. Es ist wichtig, innerlich jung zu bleiben, was natürlich leichter gesagt als getan ist. Im Stück blüht Martha durch die jüngere Vicky wieder auf. Aber dann kommt eben wieder der Knackpunkt, denn das Alter hat auch Auswirkungen auf die Gesundheit.

Paradiso q3_Schucht, Nagel_Foto Sonja RammMarthas Ruhe wird gleich zu Beginn des Stückes von der Krankenpflegerin Vicky gestört, die ihr eine Sterbeversicherung verkaufen möchte. Aber was will Vicky wirklich?

Evelyn Nagel: Vicky hat jahrelang alte Menschen gepflegt und das ist ein wahrer Knochenjob. Man investiert sehr viel Kraft, man kümmert sich und muss erkennen, dass man die Natur nicht aufhalten kann. Mit Glück sterben ihre Patienten, indem sie friedlich einschlafen, aber das kann ja auch ganz anders verlaufen. Und Vicky erträgt das einfach nicht mehr.

Ursula Schucht: Diese Arbeit wird ja auch viel zu wenig gewürdigt! Die Pfleger müssen sich um zu viele kümmern, da fehlt die Zeit, um mal ein persönliches Wort zu wechseln. Und sie werden viel zu schlecht bezahlt.

Evelyn Nagel: Das stimmt. Gerade weil immer weniger alte Menschen von der Familie betreut werden. Vickys Arbeit ist körperlich und seelisch sehr belastend und deshalb möchte sie was anderes machen. Sie hat aber gleichzeitig auch sonst nichts gelernt, weshalb sie halt Sterbeversicherungen verkauft.

Frau Kriebel, Sie inszenieren nach Es schneit Eiderdaunen, Till Eulenspiegel und drei Bürgertheater-Inszenierungen erneut an der Badischen Landesbühne. Was reizt Sie besonders an Paradiso?

Es handelt sich um eine sehr schön erzählte Geschichte einer Freundschaft im Rahmen von wechselseitigen Abhängigkeiten. Die schauspielerische Arbeit ist bei diesem Stück das Wichtigste und mit Ursula Schucht und Evelyn Nagel macht das unheimlich viel Spaß. Martha und Vicky machen beide eine spannende Entwicklung in den zwei Jahren ihrer Freundschaft durch. Gleichzeitig käme es auch nicht zu dieser Beziehung, wenn beide nicht auch von einander anhängig wären. Das Stück ist in meinen Augen sehr vielschichtig mit ambivalenten Figuren und da interessieren mich dann die ehrlichen Momente der Figuren. Man kann über das Thema Altern reden, aber auch über die Einsamkeit oder über die Freundschaft. In der Inszenierung kommen dann noch die Assoziationen von dem Musiker Andreas Kramkowski hinzu. Er hat extra für Paradiso die Musik komponiert, die die verschiedenen Szenen miteinander verbindet.

Paradiso q4_Nagel, Schucht_Foto Sonja RammBlenden wir das Thema Alter, obwohl es uns alle betrifft, nicht sehr gerne aus?

Ursula Schucht: Deswegen ist das Stück so wichtig, auch für jüngere Menschen. Man sollte sich mit dem Älterwerden auseinandersetzen. Jeder möchte selbstbestimmt leben, auch im hohen Alter. Aber alte Menschen werden oft auf ihr Alter reduziert. Jung und dynamisch muss man heute sein. Wer das nicht ist, wird an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Dabei können alte Menschen einem auch noch viel geben, allein schon durch ihre Erfahrung. Es ist furchtbar zu sehen, wenn alte Menschen nicht geachtet werden, nur weil sie eben alt sind.

Evelyn Nagel: Das finde ich bei Paradiso so toll. Es wird irgendwann zweitrangig, wie alt Martha ist oder wie der Altersunterschied ist. Zwei Menschen kommen zusammen, die sich am Anfang gar nicht bewusst sind, wie einsam sie eigentlich sind. Einsamkeit ist ja keine Frage des Alters. Martha hat als ehemalige Schulleiterin viele Menschen kennengelernt, aber niemand hat zu ihr den Kontakt gehalten. Auch Vicky hat keine Freunde und keine Familie. Und nun merken beide, wie sie eine innere Leere durch diese neue Freundschaft auffüllen können, obwohl sie sich anfangs überhaupt nicht verstehen.

Ursula Schucht: Die Frage stellt sich, warum die beiden es nicht geschafft haben, Freundschaften aufzubauen. Beide haben im Berufsleben immer mit Menschen zu tun gehabt, aber sie haben niemanden im Privatleben. Wenn man sich allerdings einen großen Freundeskreis aufbaut, dann braucht man auch keine Angst vor der Einsamkeit im Alter zu haben.

Ist Angst vor der Einsamkeit im Alter ein Thema für Sie?

Evelyn Nagel: Zugegebenermaßen beschäftigt mich das sehr. Mein Mann ist zehn Jahre älter und wenn es sozusagen biologisch normal verläuft, dann wird er vor mir gehen. Am liebsten möchte ich gar nicht daran denken. Andererseits habe ich durch ihn und seine Kinder aus erster Ehe auch eine Familie geschenkt bekommen. Dann denke ich mir wieder, dass ich für die auch keine Last sein möchte, wenn ich mal pflegebedürftig bin. Ich habe mir auch schon mal mit einer Freundin überlegt, ob wir irgendwann eine Alters-WG aufmachen, aber in der Realität ist das auch nicht so leicht. Man wird ja auch nicht einfacher, je älter man wird. Abgesehen von der finanziellen Frage. Ich bin eigentlich ein Mensch, der gerne einen Plan macht. Aber das Altwerden und das Leben im hohen Alter kann man nicht wirklich planen.

Können Sie nachvollziehen, warum Vicky Martha vorschlägt in das Altenheim Paradiso einzuziehen?

Evelyn Nagel: Bei mir ist es so, dass meine Mutter im Evangelischen Altenzentrum in Bruchsal wohnt. Sie wohnte vorher in Berlin und ich hatte erst überlegt, ob ich sie dort unterbringen sollte, damit sie in ihrer Stadt bleiben kann. Aber in dem Moment, wo alte Menschen in ein Altenheim kommen, werden sie aus ihrer gewohnten Lebensrealität rausgerissen. Das ist so. Jetzt leben wir aber zumindest in der gleichen Stadt und ich besuche sie im Prinzip vier Mal die Woche. In Berlin hätte ich sie nur zwei oder drei Mal im Jahr besuchen können. Auf jeden Fall ist es aber so, dass ich das für sie entscheiden musste. Und das will ich nicht für mich. So lange ich noch geistig fit bin, will ich mir überlegen, wie ich alt werden möchte.

Haben Sie sich für diese Inszenierung anders vorbereitet als Sie es üblicherweise tun?

Judith Kriebel: Ich habe in der Spielzeit 2014.2015 mit dem Bürgertheater in Zusammenarbeit mit dem Evangelischen Altenzentrum für Utopolis. Das Zukunftsfestival ein Stück erarbeitet, das auch im EAZ gespielt wurde. In Vorbereitung auf diese Inszenierung habe ich mich dort zwei Tage als Hospitantin in der Pflege bewegt und auch viele Bewohnerinnen und Bewohner kennengelernt. Dadurch habe ich fundierte Eindrücke erhalten über dieses Damoklesschwert Paradiso, das über dem Stück schwebt. Außerdem haben Ursula Schucht, Evelyn Nagel und ich in der ersten Probenwoche von Paradiso das Evangelische Altenzentrum besucht. Wir haben eine Führung durchs Haus bekommen, durften an einem Betreuungsangebot teilnehmen und wir lernten die verschiedenen Abteilungen vom Altenzentrum kennen. In der Mitte der Probenzeit sind wir dann nochmals hin und haben interessierten Bewohnerinnen und Bewohnern den aktuellen Probenstand gezeigt und sind mit ihnen ins Gespräch gekommen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Anzeige SwopperMit: Evelyn Nagel, Ursula Schucht, Inszenierung/Ausstattung: Judith Kriebel, Kostüme: Kerstin Oelker

Mittwoch, 30. September 2015, 19.30 Uhr, Sinsheim, Wilhelmi-Gymnasium

Kartenvorverkauf:

Bürgerbüro der Stadtverwaltung, 07261.404136, E-Mail: [email protected] Bücherland Sinsheim, 07261.64288, E-Mail: [email protected]

Buchhandlung Doll, 07261.2322, E-Mail: [email protected]

Quelle: Martina Illinger

 

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