Wer in den Wäldern der Region nach ersten Frühlingsboten Ausschau hält, kann die zarten Spitzen manchmal schon Mitte Februar entdecken. Wilder Bärlauch gehört zu jenen Kräutern, die manchmal regelrechte Teppiche auf dem Waldboden bilden. Mancherorts bedecken sie eine Fläche von mehreren Hektar und verbreiten ihren Duft quer durch den ganzen Wald. Zwar gibt es einige Menschen, die angesichts dieses Geruchs die Nase rümpfen. Immer mehr Leute zieht es aber extra wegen dieser lange vergessen Pflanze ab dem Spätwinter in die Wälder. Wer sich auskennt und weiß, worauf beim Bärlauch Sammeln zu achten ist, kann seine Küche schon früh im Jahr um eine echte Delikatesse bereichern.
Der Bärlauch hat eine bewegte Geschichte
In zurückliegenden Jahrhunderten war es noch viel wichtiger als heute, nach langen entbehrungsreichen Wintermonaten wieder frisches Grün auf die Teller zu bringen. Umso verwunderlicher klingt in diesem Zusammenhang die Geschichte des wilden Knoblauch-Bruders. Im Mittelalter erfreute er sich rund um Klöster und Burgen recht großer Beliebtheit. Irgendwann schienen die Menschen seines Aromas allerdings überdrüssig geworden zu sein, wie ein Blick ins Kräuterbuch von Hieronymous Bock aus dem 16. Jahrhundert beweist. Dort heißt es in klaren Worten: „Solcher Waldtknoblauch ist überauß inn seiner gantzen substanz eines ubelen starcken geruchs und bösen geschmacks.“ Sicher wurde diese Meinung nicht von jedem Menschen geteilt, Trotzdem sprach Bock für weite Teile der Bevölkerung. Könnten die Menschen von damals sehen, wie viele Bärlauchblätter heute in einem WMF Mixer püriert und zu Pesto verarbeitet werden, würden sie sich verwundert die Augen reiben. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein blieb der Bärlauch eine wenig beachtete Pflanze, um deren Geschmack sich kaum jemand Gedanken machte. In den 1970er Jahren änderte sich dies allerdings, als Starkoch Eckart Witzigmann, einer der Vorreiter der Nouvelle Cuisine in Deutschland, die stark duftende Pflanze im Münchner Englischen Garten entdeckte und sich näher mit ihr befasste. Witzigmann nahm damit vorweg, was nicht nur der heutige „Gewürz-Papst“ Alfons Schuhbeck und zahlreiche Profiköche bestätigen: Der Bärlauch ist viel zu wertvoll, um ihn nicht zu verarbeiten
Was kann man aus Bärlauch machen?
Schon der Duft der grünen Blätter lässt die nahe Verwandtschaft zu Zwiebel und Knoblauch erkennen. Und ähnlich wie seine Geschwister lässt sich auch der Bärlauch verwenden: Ob als Gewürz an Fleisch und Fisch, als das „gewisse Etwas“ in Eintöpfen oder Schmorgerichten oder als Einlage in Suppen ist der Bärlauch kaum zu übertreffen. Da er weniger streng schmeckt als der Knoblauch und nicht so scharf ist wie die Zwiebel, lädt er sogar zu verschiedenen kulinarischen Spielereien ein. Man kann ihn fein hacken und über leicht gesalzene Tomatenscheiben streuen, ihm in einem frischen Salat auch anteilsmäßig einen hohen Stellenwert einräumen oder ihn als Solo-Gewürz zu einer Bärlauchbutter verarbeiten. Auch ein italienisches Pesto, das in seiner Ursprungsform bekanntlich mit Basilikum und Knoblauch hergestellt wird, ist mit Bärlauch eine frühlingsfrische Delikatesse. Zubereitung und Zutaten sind schnell aufgezählt: Man püriert die gewaschenen Bärlauchblätter, vermengt sie mit geriebenem Parmesankäse, gemahlenen Pinien- oder Cashewkernen und Olivenöl und schmeckt die Mischung mit Salz ab. Bei den jeweiligen Gewichtsanteilen gibt es kein Richtig oder Falsch: Wenn das Pesto eine cremige Konsistenz und ein angenehmes Aroma aufweist, ist es perfekt gelungen. Am besten schmeckt man es zwischen den einzelnen Arbeitsschritten immer wieder ab und gibt die Zutaten in kleinen Portionen nach und nach hinzu.
Übrigens
Anders als immer wieder behauptet wird, lässt sich Bärlauch nicht nur sehr gut einlegen, sondern auch trocknen. Hierfür werden die getrockneten Blätter meistens gerebelt und anschließend luftdicht verpackt. Wird dieses Gewürz dunkel, trocken und nicht zu warm gelagert, kann man den Geschmack des Bärlauchs das ganze Jahr hindurch genießen. Mit den frischen Blättern ist dies leider nicht möglich: Sie sprießen ab dem Vorfrühling aus der Erde, zeigen im April und Mai ihre wunderschönen weißen Blüten und ziehen sich spätestens Anfang Juni wieder vollständig in die Zwiebel zurück. Wer rechtzeitig daran denkt, kann aber auch die Schönheit des Bärlauchs mit in die Zeit danach retten. Denn auch die Blüten lassen sich einlegen oder trocknen und sind essbar wie die Blätter und Stiele. Wer sie zusammen mit dem Stiel langsam im Backofen trocknet, muss zwar für einige Stunden einen recht starken Bärlauchgeruch in der Küche in Kauf nehmen. Dafür wird man allerdings mit einer so leckeren wie gesunden Knabberei belohnt, die vollkommen ohne weitere Gewürze oder zusätzliches Salz auskommt.