(zg) Die Badische Landesbühne zeigt mit Baumeister Solness ein Stück des bekannten norwegischen Dramatikers Henrik Ibsen
Am 7. Mai 2014 zeigt die Badische Landesbühne um 19.30 Uhr in der Stadthalle in Sinsheim das Drama Baumeister Solness des bekannten Autors Henrik Ibsen in der Regie von Carsten Ramm.
Vor der Vorstellung findet um 19.00 Uhr eine Einführung in die Produktion statt, zu der alle Interessierten herzlich eingeladen sind.
Wir trafen die Schauspieler René Laier und Kathrin Berg zu einem Gespräch:
Wissen wir, wer wir sind? Ein Gespräch mit den Schauspielern René Laier und Kathrin Berg
Herr Laier, Sie spielen den erfolgreichen Baumeister Halvard Solness. Was ist Solness für eine Person?
Laier: Er ist ein Narzisst in Reinkultur – ich finde es faszinierend, wie Ibsen diesen Charakter getroffen hat. Die Menschen in seiner Umgebung sind für ihn nur Objekte – er instrumentalisiert sie. Dem Erfolg, den er zur Bestätigung seines Selbst braucht wie das Wasser zum Leben, unterwirft er alles und alle. Er kann keinen neben sich dulden – nur unter sich. Klar, dass da einige auf der Strecke bleiben mussten. Er ist zwar „oben“ – aber die Angst, bald selbst vom Thron gestoßen zu werden, ist sein ständiger Begleiter. Letztlich ist jeder in diesem Stück gefangen in einer Perspektive, die aus einer verwundeten Seele resultiert, was eine Begegnung mit einem anderen unmöglich macht. Daher rauschen alle im Stück grandios aneinander vorbei.
Hilde Wangel erscheint auf den ersten Blick als eine lebenshungrige junge Frau. Ist sie das?
Berg: Ja, sie ist gierig auf Geschichten, Emotionen und Gefühle jedweder Art. Allerdings geht es ihr im Speziellen darum, diese mit Halvard Solness ausleben zu können. Hilde lernte Solness im Alter von dreizehn Jahren kennen. Bei diesem Treffen versprach er ihr, in zehn Jahren zu ihr zurückzukehren, um sie zu entführen und zur Prinzessin zu machen. Das ist ein Vorfall, den Hilde nie vergessen hat. Sie hat diese zehn Jahre auf „ihren Baumeister“ gewartet. Sie setzt in diesen Menschen ihre ganze Hoffnung. Für mich ist ihr Lebenshunger eine Kompensation der Probleme, die in ihrem Elternhaus zu suchen sind. Viel erfahren wir nicht über ihre Vergangenheit. Wenn sie auf ihre Lebensgeschichte angesprochen wird, erscheint mitunter eine ganz andere, nicht so lockere und freundliche Hilde. Als sie sich auf den Weg zu Solness macht, lässt sie alles Dunkle, Schmerzliche zurück. Sie bricht mit dem Willen auf, nun endlich glücklich und frei leben zu können mit dem einzigen Menschen, der sie versteht.
Welche Hoffnungen projiziert denn Solness in diese junge Frau, die ihm signalisiert, dass sie ihn will?
Laier: Auch Hilde, die ihn sofort fasziniert, versucht er zunächst in sein System einzubauen – als Kind, als seine persönliche Assistentin. Das lässt sie allerdings nicht mit sich geschehen, sie zwingt ihm sogar ihre Perspektive auf. Das gelingt ihr sehr leicht, weil ihre Perspektive ihn in seinem „Größenselbst“ bestätigt. Die anderen haben sich bisher seiner Macht gefügt, aber sie lieben ihn nicht. Hier kommt plötzlich jemand, der ihn als die Person, die er vermeintlich ist, bestätigt und liebt. In ihrem Überschwang reißt sie ihn mit. Er blüht auf.
Berg: Hilde gerät mit ihrer Idee von einem glücklichen Leben und dem Gedanken „Alles ist möglich“ in eine Gruppe, in der keiner sein Leben auch nur ansatzweise so lebt, wie es ihn glücklich machen könnte. Das erkennt sie auch bei Solness und empfindet sein Aufblühen als die Bestätigung dafür, dass das Leben, wie sie es sich denkt, dass einzig richtige sein muss.
Von Regisseur Carsten Ramm wurde das Stück in die Gegenwart verlegt. Welche Themen im Stück halten Sie für besonders aktuell?
Laier: Zum einen tatsächlich den Narzissmus, der vielen als das psychische Merkmal des modernen Menschen gilt – und zwar in seinem ganzen Spektrum vom Normalen bis zum Pathologischen. Darüber hinaus die Frage, die meiner Meinung in diesem Stück allem zugrunde liegt: Wissen wir wirklich, wer wir sind, warum wir uns so verhalten, wie wir uns verhalten? Selten genug! Aber wir haben immer Erklärungen für unser Verhalten – dumm nur, dass diese Erklärungen mit der wirklichen Person meist nicht viel zu tun haben, oft reine Phantasieprodukte, also Wunschbilder, Idealisierungen oder Rationalisierungen, mindestens Beschönigungen, sind. Das Selbst, die eigene Person, als eine schöne Erzählung …
Berg: Da kann ich zustimmen. Und auch bei Hilde erkenne ich diesen für die heutige Gesellschaft charakteristischen Narzissmus. Sie sagt sich: „Mir ist der Rest der Welt egal, das einzige, was zählt, das ist mein Glück.“ Im Gegensatz zu Solness aber schädigt sie ihre Umwelt damit nicht bewusst, sondern eher unbewusst. Dass sie eine Ehe zerstören wird, lässt sie zwar kurz zweifeln. Aber sie lebt für den Augenblick. Wenn sie mit Aline Solness spricht, erkennt sie zwar, dass sie zwei Menschen auseinanderbringt. Aber wenn Aline für sie nicht mehr physisch präsent ist, dann zählt: Ihre Freiheit, ihre Liebe.
Das Bühnenbild von Dietmar Teßmann dominiert ein Baugerüst. Hat dieses Bühnenbild für Sie eine symbolische Bedeutung?
Laier: Auf der Basis einer falschen Selbstinterpretation hoch hinauswollen – das ist in der Tat wie auf einem freistehenden Gerüst hochklettern: wagemutig, tollkühn, am Ende aber auch tödlich.
Inszenierung: Carsten Ramm, Ausstattung: Dietmar Teßmann, Musik: Hennes Holz, Video: Carsten Ramm
Mit: Kathrin Berg, Evelyn Nagel, Juliane Schwabe; Hannes Höchsmann, René Laier, Ole Xylander
VVK:
Bürgerbüro der Stadtverwaltung, 07261.404136
Buchhandlung Doll, 07261.2322
Buchhandlung Bücherland, 07261.64288
Quelle: Badische Landesbühne