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Berliner Zeilen

30. Oktober 2019 | Das Neueste, SPD

Liebe Genossinnen und Genossen,

liebe Freundinnen und Freunde,

die Militäroffensive der Türkei in Nordsyrien ist ein Angriffskrieg, völkerrechtswidrig und muss für Herrn Erdogan vor einem internationalen Gericht enden.

200.000 Menschen sind nun zusätzlich auf der Flucht. Die erste Frage, die sich uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in so einer Situation stellt, ist die nach der humanitären Hilfe, um die Not der betroffenen Menschen zu lindern. Nicht auf Kosten der Not in anderen Weltregionen, sondern zusätzlich. Dafür setze ich mich ein.

Fragen von Krieg und Frieden und Bundeswehreinsätzen im Ausland gehören zu den schwierigsten für uns Parlamentarier. Ich bin keinesfalls grundsätzlich gegen solche Einsätze. Ja, Deutschland sollte vor allem Friedensmacht sein. Engagiert für zivile Konfliktprävention, Diplomatie, wirtschaftliche und rechtsstaatliche Entwicklung. Was aber ist, wenn all dies zu spät kommt? Dann stellt man meist fest, wieviel vorher falsch gelaufen oder versäumt worden ist. Mit dieser Einsicht hilft man allerdings auch niemandem. Ich finde, es gibt auch eine Verantwortung, Leid, Unterdrückung, Gemetzel zu unterbinden, sofern die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten dafür gegeben sind.

Soweit, so unklar. Denn rechtlich wäre es am klarsten, wenn es ein Mandat der Vereinten Nationen gäbe. Gerade dieses ist aber häufig aufgrund der Blockade im Sicherheitsrat nicht erreichbar. Bleiben NATO oder EU. Von einer wirklich gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sind wir noch weit entfernt. Und was wäre eigentlich genau Deutschlands Rolle dabei? Unser Grundgesetz definiert die Bundeswehr als Parlamentsarmee zur Landesverteidigung und öffnet die Möglichkeit, sich im Rahmen von Systemen kollektiver Sicherheit einzubringen. Ein Weißbuch aus dem Jahr 2016 legt die sicherheitspolitischen Leitlinien der Regierung offen. Richtig geklärt scheint mir dennoch wenig.

Das zeigt sich nun auch, nachdem die CDU-Vorsitzende, unabgestimmt in der Regierung, unabgestimmt mit möglichen Partnern, einen möglichen Einsatz der Bundeswehr in einer “Sicherheitszone” vorgeschlagen hat. Ich bekomme nicht zusammen, wie man einen Angriff als völkerrechtswidrig einstufen kann, um anschließend genau das eroberte Gebiet abzusichern. So würde man doch den Angriff nachträglich legitimieren! Dieses Vorhaben der CDU-Vorsitzenden scheint mir nicht außenpolitisch durchdacht, sondern innenpolitisch motiviert zu sein. Die Reaktionen darauf offenbaren allerdings grundsätzlichen Klärungsbedarf. Diese Klärung erfordert einen breiten Diskurs. Diesen sollten wir führen, auf der Basis unserer Grundwerte, vor dem Hintergrund unserer Geschichte und im Angesicht der Erfordernisse unserer Zeit.

Viele Zuschriften habe ich zum Thema Tempolimit 130 km/h auf Autobahnen erhalten. Die Grünen wissen, wie sie uns wehtun können und beantragen SPD-Positionen, die es nicht in den Koalitionsvertrag geschafft haben. Soweit die gängigen Rituale hier in Berlin. Allerdings gibt mir die Post in anderer Hinsicht zu denken, denn offensichtlich gibt es wenig Verständnis dafür, wie Regieren funktioniert. Oder es bricht sich eben die Enttäuschung Bahn, dass wir einer sinnvollen Maßnahme unsere Zustimmung verweigert haben. Das betrifft mich auch ganz persönlich: denn ich bin für ein Tempolimit (s. Anlage), habe sogar entgegen dem Votum der baden-württembergischen Delegation 2007 auf dem Bundesparteitag für diese Beschlusslage gestimmt, und dennoch letzte Woche im Bundestag abgelehnt. Warum?

Häufig wird auf das Grundgesetz verwiesen. Dort steht: Wir Abgeordnete sind frei und nur unserem Gewissen unterworfen. Das stimmt. Das Tempolimit halte ich jedoch für keine Gewissensfrage. Wäre die Abstimmung dennoch freigegeben worden, hätte es übrigens ebenfalls kein Tempolimit gegeben, denn dafür gibt es keine Mehrheit im Parlament. Viele wünschen sich mehr Offenheit, etwa wechselnde Mehrheiten, und ich gebe zu, dass ich dazugehört und viel nachgedacht habe. Aber ich bin bislang zu keinem sinnvollen Ergebnis gekommen. Wenn ich nämlich wollte, dass wir Oppositionsanträgen zustimmen können, dann würde das für die anderen doch auch gelten. Kommt dann unter dem Strich, bei einer rechten Mehrheit im Parlament, mehr sozialdemokratische Politik heraus? Wohl eher nicht. Also bleibt der Weg: Regierungsprogramme aufstellen, wahlkämpfen, falls erreichbar hart verhandeln, und dieses Verhandlungsergebnis dann umsetzen. So ist Politik berechenbar, für uns, die Bevölkerung, auch für die internationalen Partner. Und dann kann es sein, dass sich etwas verändert, dringlich wird, neu hinzukommt, und man sich auf die Hinterbeine stellen muss. Richtig, das machen wir gerade bei der Grundrente. Wir können das aber nicht jede Woche bei jedem Oppositionsantrag tun.

Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, zur Mitte der Legislaturperiode eine Bestandsaufnahme zu machen, welche Punkte umgesetzt wurden und welche Vorhaben aufgrund aktueller Entwicklungen neu vereinbart werden müssen. Anfang Dezember findet der Bundesparteitag der SPD statt, auf dem dieses Thema diskutiert wird. Mir ist es wichtig vorher, Ihre/Deine Meinung zu hören. Deshalb lade ich Sie/Dich herzlich ein zur Wahlkreiskonferenz am Mittwoch, den 20. November 2019, um 19 Uhr, im Martin-Luther-Haus (An der Friedensbrücke 2) in Neckargemünd.

Vergangene Woche habe ich im Bundestag zum Aufenthaltsgesetz und zum Thema Rechtsterrorismus gesprochen. Die Reden finden sich unter https://dbtg.tv/fvid/7395728 bzw. https://dbtg.tv/fvid/7395752.

Vor Kurzem war die Ausstellung „Die Macht der Gefühle. Deutschland 19 | 19“ in meinem Wahlkreisbüro in Wiesloch zu sehen. Eröffnet hat sie der Mannheimer Historiker Prof. Dr. Philipp Gassert mit einem sehr spannenden Einführungsvortrag. Für Interessierte habe ich ihn angehängt.

Herzliche Grüße

Ihr/Euer Lars Castellucci

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