(zg) Die Badische Landesbühne zeigt am 24. Oktober Bertolt Brechts Leben des Galilei in Sinsheim. Die Vorstellung findet um 19.30 Uhr im Wilhelmi-Gymnasium statt. Vor der Vorstellung gibt es um 19 Uhr eine Einführung in die Produktion, zu der alle Interessierten herzlich eingeladen sind.
Es geht um den Fortbestand des Lebens auf unserem Planeten
Carsten Ramm, Sie zeigen Bertolt Brechts Leben des Galilei, Sie selbst inszenieren. Was interessiert Sie an diesem Stück?
An dem Stück interessieren mich zunächst die Hauptfigur und das Thema: Der Universalgelehrte Galileo Galilei, der mit seinen Erkenntnissen in Widerspruch mit den politischen Mächten seiner Zeit geriet, ist einer der interessantesten Persönlichkeiten der Wissenschaftsgeschichte. Sein Fall steht paradigmatisch an der Schwelle der Neuzeit: Er hat ein neues Instrument, das Fernrohr „gefunden“ – bei Brecht wird anschaulich erzählt, dass es nicht seine eigene Erfindung war – das neue Erkenntnisse ermöglicht und damit etwas ins Wanken bringt, was bis dahin als unumstößliche Wahrheit galt. Wissen ist vorläufig – das ist seine beunruhigende Erkenntnis, mit der wir seither leben müssen.
Dann geht es hier nicht um abseitige Spezialgebiete, sondern um das große Ganze: Wie ist das Universum aufgebaut? Stehen dort die Erde und die Menschheit im Zentrum? Oder ist der Mensch, wie ein alter Kardinal bei Brecht polemisiert, „irgendein Wesen auf irgendeinem Gestirnchen, das für kurze Zeit irgendwo kreist“?
Schließlich ist der Konflikt der Galilei-Figur, wie Brecht ihn angelegt hat, ein toller Stoff für Bühne und Schauspieler: Inwieweit bin ich bereit, für meine gewonnen Erkenntnisse einzustehen? Wie viel Druck, Repressionen und Gewalt wäre ich bereit auszuhalten? Für wen und zu welchem Nutzen betreibe ich eigentlich Wissenschaft? Und hier kommt die Intention des Autors ins Spiel.
Was ist die Intention des Autors?
Brecht, und das ist eine seiner großen Qualitäten, war ein sehr genauer Beobachter der gesellschaftlichen und politischen Veränderungen. Das musste er sein, um zu überleben. 1933 verließ er Deutschland, Leben des Galilei schrieb er im Exil. Das Stück liegt in drei Fassungen vor, die Unterschiede zwischen ihnen lassen sich auf Ereignisse der Zeitgeschichte zurückführen. Hier nur das entscheidende, das sich während der Arbeit an der zweiten Fassung ereignete und Brechts Blick auf die Galilei-Figur grundlegend veränderte: der Abwurf amerikanischer Atombomben auf Japan im August 1945. Kannte die erste Fassung noch einen Optimismus, der mit wissenschaftlichem Fortschritt in Verbindung stand, zeigt Brecht in der zweiten Fassung im Schatten der Ereignisse von Hiroshima und Nagasaki Galilei als einen Wissenschaftler, der mit seinem Widerruf seiner Verantwortung gegenüber der Gesellschaft nicht mehr gerecht werden kann. Nach diesem Sündenfall können Wissenschaftler nicht länger behaupten, das Wohl der Menschheit im Auge zu haben, sondern haben sich zu einem „Geschlecht erfinderischer Zwerge“ erniedrigt – das sind die Worte, mit denen sich Galilei bei Brecht selbst anklagt.
Soweit zu Wissenschaftsgeschichte und Literaturwissenschaft. Was erzählt uns das Stück heute?
Leben des Galilei ist ein Stück über eine Zeitenwende. Das, was bis dahin als gewiss angenommen wurde, gilt nicht mehr. So, wie es bisher lief, kann es nicht weitergehen. Fundamentale Veränderungen stehen bevor – und diese Veränderungen betreffen am Ende jeden Einzelnen. Das galt im 17. Jahrhundert und das gilt heute wieder. Zu Zeiten Galileis betraf das die Fragen: Dreht sich die Erde um die Sonne? Wo liegt das Zentrum? Wo liegt die Macht? – Heute stehen wir vor den Fragen: Können wir so weiterleben wie bisher oder muss es radikale Veränderungen geben? Zerstören wir mit unserer Lebensform unseren Planeten? Wird der Mensch es schaffen, diese Veränderungen in Angriff zu nehmen? Es geht um nichts weniger als den Fortbestand des Lebens auf der Erde. Gleichzeitig erleben wir ein gesellschaftliches und politisches Rollback gegen wissenschaftliche Erkenntnisse. Auf der Seite von Geld und Macht setzt sich eine Parole immer stärker durch: Den Klimawandel gibt es nicht.
Was können Sie uns zu Ihrer Inszenierung sagen?
Ich will das Stück in einer Zeitlosigkeit erzählen, die Historisches und Gegenwärtiges miteinander verbindet. Die Inszenierung folgt Brecht, der einen gesellschaftlichen Rückschritt beschreibt. Wir zeigen eine sich zunächst liberal gebende Gesellschaft, in der Dogmatismus und Rückwärtsgewandtheit immer mehr Raum einnehmen. Bei Brecht steht die katholische Kirche stellvertretend für Macht oder die Obrigkeit. Auch bei uns bleibt diese Metapher bestehen. Sie werden also im Laufe des Abends zunehmend Figuren in Mönchskutten auf der Bühne sehen und Orgelmusik hören. Mit dieser Metapher sind heute natürlich andere Mächte gemeint. Was im 17. Jahrhundert die Kirche war, ist heute Industrie und Geldwirtschaft. Vielleicht gelingt uns so ein Lehrstück über den Umgang der Macht mit der Wahrheit.
Mit: Evelyn Nagel, Sina Weiß; Martin Behlert, Colin Hausberg, Markus Hennes, Stefan Holm, David Meyer, Tobias Karn, René Laier, Ghorban Moinzadeh, Ins-zenierung: Carsten Ramm, Bühnenbild/Lichtgestaltung Tilo Schwarz, Kostüme: Kerstin Oelker
Mittwoch, 24. Oktober 2018, 19.30 Uhr
Sinsheim, Wilhelmi-Gymnasium
Einführung um 19 Uhr
Kartenvorverkauf:
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Bürgerbüro der Stadtverwaltung, Telefon: 07261.404136,
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Quelle: Martina Illinger