Ein Gespräch mit Regisseur Carsten Ramm
(zg) Die Badische Landesbühne eröffnet die Spielzeit 2016.2017 in Sinsheim am 26. Oktober 2016 um 19.30 Uhr im Wilhelmi Gymnasium mit Thomas Manns Buddenbrooks in der Bühnenfassung von John von Düffel.
Vor der Vorstellung findet um 19.00 Uhr eine Einführung in die Produktion statt, zu der alle Interessierten herzlich eingeladen sind.
Herr Ramm, Sie inszenieren mit Buddenbrooks einen Klassiker der Weltliteratur. Was ist an diesem Stoff besonders interessant?
CARSTEN RAMM: In der Familie Buddenbrook werden nahezu alle Entscheidungen nicht nach persönlichen Neigungen getroffen, sondern nach dem Prinzip: Was bringt das meiste Geld? Auf diese Weise werden Ehen geschlossen und Berufe ergriffen. Wir beobachten heute eine voranschreitende Entwicklung zu einer „optimierten“ Lebensführung, bei der angeblich keine Irrwege mehr beschritten werden dürfen und Fehler nicht ohne weiteres toleriert werden. Es ist an der Zeit, zu hinterfragen, ob man sich diesem Optimierungsdruck unterwirft oder einen eigenen Weg abseits dessen beschreitet.
Gibt es noch mehr Parallelen zwischen uns heute und der Familie Buddenbrook?
RAMM: Ganz sicher! Buddenbrooks spielt in einer Zeit des Umbruchs; in einer Zeit der Krise um die Jahrhundertwende. Alte Vorstellungen werden durch neue ersetzt und der Untergang des patrizischen Bürgertums ist vorgezeichnet. In Buddenbrooks erweist sich ein Firmen- und Familienkonzept, das Risiken scheut und an Traditionen festhält, als nicht mehr zeitgemäß. Andere Kaufleute und Privatpersonen, die wagemutig sind und auch teilweise rigoros vorgehen, streichen Erfolge und Gewinn ein. Auch wir befinden uns heute in einer Zeit des Umbruchs, oder vielmehr in einer Zeit der Umbrüche: Gesellschaftsstrukturen wie beispielsweise die „klassische“ Familie sind seltener, dafür entstehen neue Formen und Subkulturen. Die Welt wird permanent durch Krisen erschüttert – Kriege, Umweltkatastrophen, Wirtschaftskrisen. Das digitale Zeitalter hält Einzug und bringt nicht nur Erleichterungen, sondern auch Gefahren mit sich. Der Mensch mit all seinen Schwächen und Fehlern wird zusehends zu „Humankapital“, das nach seiner Leistung bewertet wird. Diese Entwicklungen machen uns Angst und verständlicherweise bewahren sich auch noch viele von uns eine eher konservative und kritische Haltung, was wichtig und nachvollziehbar ist.
Warum scheitern die Buddenbrooks mit ihrem Familienmodell?
RAMM: Das ist schwierig zu beantworten, denn jeder der drei Nachkommen trifft auf seine eigene Art unglückliche Entscheidungen oder wird dazu gedrängt. Verallgemeinert könnte man vielleicht sagen, dass alle Familienmitglieder daran scheitern, sich nicht von den an sie herangetragenen Erwartungen zu emanzipieren. Tony geht nacheinander zwei unglückliche Ehen ein, weil die Familie es von ihr erwartet. Thomas richtet sich dabei, das Familienunternehmen aus der Krise zu führen, zugrunde. Und auch Außenseiter Christian gelingt es nicht, sich von den Erwartungen seiner Eltern loszusagen: Er scheitert als unglücklicher Kaufmann und wird schwer psychosomatisch krank.
Buddenbrooks wurde von Thomas Mann nicht als Theaterstück, sondern als Roman verfasst. Woher kommt die Entwicklung in der aktuellen Theaterlandschaft, Prosatexte auf die Bühne zu bringen, und was ist das Besondere daran?
RAMM: Es ist wichtig, bestimmte Themen auf der Bühne zu verhandeln und diese Themen wurden in der Vergangenheit und auch der näheren Gegenwart bereits literarisch beeindruckend behandelt. Ein solches Beispiel sind die zeitlosen Buddenbrooks. Sie sind Weltliteratur, die danach verlangt, gelesen und auch anders und neu gelesen zu werden. Das Theater hat mit seinen Mitteln die Möglichkeit, diese Stoffe – im wahrsten Sinne des Wortes – wieder zum Leben zu erwecken.
Mit: Kathrin Berg, Evelyn Nagel, Jessica Schultheis; Martin Behlert, Stefan Holm, René Laier, Andreas Schulz, Maximilian Wex, Inszenierung: Carsten Ramm, Ausstattung: Dietmar Teßmann
26. Oktober 2016, 19.30 Uhr, Sinsheim, Wilhelmi Gymnasium
19.00 Uhr Einführung in die Produktion
Kartenvorverkauf:
Bürgerbüro der Stadtverwaltung, 07261.404136, E-Mail: [email protected]
Bücherland Sinsheim, 07261.64288, E-Mail: [email protected]
Buchhandlung Doll, 07261.2322, E-Mail: [email protected]
Quelle: Martina Illinger