Forstgraffiti – was ist das?
(zg) „Gibt es hier eine Schnitzeljagd?“ – derzeit sieht man bei Waldspaziergängen des Öfteren fragende Gesichter. Die Markierungen in den Wäldern des Rhein-Neckar-Kreis sind nicht zu übersehen: hier ein rotes Kreuz, da ein schräger Strich. Försterin Melissa Rupp vom Kreisforstamt erklärt, was es mit den bunten Punkten, Strichen und Symbolen auf den Bäumen – dem sogenannten Forstgraffiti – auf sich hat: „Mit den Markierungen bereiten wir uns auf die Arbeit im Herbst und Winter vor. Im Volksmund werden die Farbmarkierungen an den Bäumen auch ,Förstergraffiti‘ genannt. Sie dienen den Forstwirtinnen und Forstwirten zur Orientierung bei der Waldarbeit.“
Die Kennzeichnungen, die die Forstleute auf die Bäume gesprüht haben, sagen den Mitarbeitenden zum Beispiel, ob ein Baum gefällt werden soll, wo eine Rückegasse liegt oder ob der Baum ein Zukunfts- oder sogar ein Biotopbaum ist. Es gibt also eine Art Zeichensprache, mit der sich Förster und Forstwirt verständigen. Das Anbringen solcher Symbole mit spezieller Sprühfarbe nennt der Förster „Auszeichnen“.
„Zukunftsbäume“ sind die Stars im Wald
„Beim Auszeichnen richtet sich mein erster Blick in die Baumkrone und auf den Baumstamm“, erklärt Melissa Rupp. „Ich schaue dabei nicht primär, welcher Baum wegmuss, sondern welcher Baum gefördert werden soll.“ Solche Zukunftsbäume – oder kurz Z-Bäume – werden unterstützt, indem Konkurrenten, die ihr Wachstum behindern, gefällt werden. Die Z-Bäume werden in der Regel mit Punkten (Bild 1 Z-Baum) oder mit einer Linie rund um den Baum markiert. Die Waldarbeiter wissen dann: Auf diese Bäume müssen sie besonders aufpassen! „Entscheidend, ob ein Baum gefördert oder gefällt werden soll, ist beispielsweise, ob es eine seltenere Baumart ist, ob ein Baum besonders kräftig und vital erscheint oder ob ein besonders schöner gerader Stamm verspricht, später einmal wertvolles Holz, beispielsweise für den Möbelbau zu liefern,“ erklärt Försterin Rupp. Ein roter Strich (Bild 2 zu fällender Baum) bedeutet dagegen, dass der Baum bei der nächsten Waldpflegemaßnahme gefällt werden soll.
„Mit zwei Querlinien (Bild 3 Rückegasse) werden die sogenannten Rückegassen gekennzeichnet“, so Rupp. „Das sind schmale Fahrlinien im Wald, auf denen das Holz transportiert wird.“ Spezielle Rückeschlepper übernehmen diese schwere Aufgabe. „Die Forstmaschinen fahren ausschließlich innerhalb der gekennzeichneten Rückegassen. So wird der empfindliche Waldboden geschont.“
Biotopbäume als Trittsteine der biologischen Vielfalt
Besonderes Fachwissen setzt auch die Kennzeichnung der sogenannten Biotopbäume voraus. Das sind Bäume, die ökologisch besonders bedeutsam sind, beispielsweise Specht-, Höhlen- oder Horstbäume. „Häufig sind das richtig urige und alte Bäume mit einem hohen Wert für die biologische Vielfalt. Bei den Förstern im Rhein-Neckar-Kreis hat sich eine ganz individuelle Zeichensprache dazu entwickelt. Manche markieren einen ökologisch wertvollen Baum mit einem „Ö“, andere malen Spechtsymbole oder die Geweihstange eines Hirsches auf den Habitatbaum“, berichtet Försterin Rupp. Laut der letzten Bundeswaldinventur gibt es im ganzen deutschen Wald rund 93 Millionen Biotopbäume. Sie sind als Lebensraum vieler Tiere, Pflanzen und Pilze sehr wertvoll und wichtiger Bestandteil des Wirtschaftswaldes. Deshalb werden sie langfristig erhalten (Bild 4 Habitatbaum).
Quelle: Silke Hartmann