Förster Uwe Reinhard über seinen anspruchsvollen Beruf
(zg) Patient Wald: Seit dem Trockenjahr 2018 steht der Wald im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Vor allem im Harz, in Nordhessen und Nordrhein-Westfalen sind ganze Höhenzüge durch Dürre, Sturm und Borkenkäfer kahl geworden. Zum Glück hat es die Gemeindewälder der Stadt Neckargemünd und der Gemeinden Bammental und Gaiberg, die Förster Uwe Reinhard betreut, nicht so extrem betroffen. Dennoch sieht man auch hier die Auswirkungen der Trockenheit, die häufig erst zeitverzögert auftreten. „Ich bin froh, dass unser Wald hier in der Region noch nicht so stark geschädigt ist wie in anderen Teilen Deutschlands; ich rechne aber damit, dass wir etwa drei bis fünf Prozent unserer Bäume aufgrund der Trockenheit und den daraus resultierenden Folgeschäden verlieren werden“, berichtet Förster Reinhard. „Im Grunde genommen schauen wir hier der Evolution auf die Finger: ähnlich der natürlichen Auslese in der Tierwelt – etwa durch einen strengen Winter – fallen auch bei den Bäumen zunächst die aus, die bereits durch verschiedene Faktoren geschwächt waren. Die Bäume, die die Trockenheit überleben, geben ihr diesbezügliches „Know-how“ dann über ihr Erbgut an die nächste Generation Wald weiter. Deshalb setzen wir unbedingt auf eine natürliche Verjüngung unserer Wälder; gepflanzt wird nur in den Ausnahmefällen, wo keine natürliche Verjüngung vorhanden ist.“
Welche waldbaulichen Konzepte für die nächsten hundert Jahre tragfähig sind und welche Baumarten mit den Folgen des Klimawandels zurechtkommen wer-den, kann die Forstwissenschaft im Moment nicht mit letzter Sicherheit sagen. „Daher liegt unser Hauptaugenmerk bei der Waldpflege auf der Streuung des Risikos. Wir versuchen, viele verschiedene Baumarten auf verschiedenen Böden anzupflanzen – wenn wir überhaupt pflanzen. Wo immer möglich setzen wir auf die natürliche Regenerationsfähigkeit des Waldes und arbeiten mit frei ausgesamten jungen Bäumen.“ so der engagierte Förster. Den Wald angesichts der Schädigungen sich selbst zu überlassen ist für Reinhard keine tragfähige Lösung: „Die Trockenheit der letzten Jahre hat so starke Auswirkungen und verändert die Umwelt so schnell, dass sich das Ökosystem Wald nicht mit ausreichender Geschwindigkeit anpassen kann.“
Mit seinem Handeln im Wald versucht er, die Bäume möglichst fit zu machen für weniger Wasser, heißere Sommer und stärkere Stürme. So werden bei einer Durchforstung junge Bäume ausgesucht, die möglichst stabil stehen sollen. Durch die gezielte Entnahme von Nachbarbäumen bekommen diese „Zukunftsbäume“ mehr Platz, Wasser und Nährstoffe und können eine große Krone und ein stabiles Wurzelwerk entwickeln. „Außerdem kann ich mit jeder Durchforstung seltenere Bäume begünstigen, die sonst von schneller wachsenden Baumarten verdrängt werden würden“, so Reinhard weiter. „Gerade vor dem Hintergrund der Belastungen, denen der Wald ausgesetzt ist, ist es auch notwendig, alte Bäume zu ernten, denn das Risiko nimmt in Zeiten wie diesen stark zu. Wertvolles, von der Gesellschaft dringend benötigtes Holz dem Zerfall preiszugeben, ergibt in meinen Augen keinen Sinn; wir machen es da lieber wie der Bauer, der seine Äpfel erntet, bevor sie faul werden.“
Eine Entnahme von Bäumen erfolgt jedoch nicht beliebig, sondern generell nur in einem streng geregelten Rahmen: es darf nicht mehr Holz eingeschlagen werden, als auch wieder nachwächst. Um sicherzustellen, dass nicht zu viel Holz aus den von ihm betreuten Kommunalwäldern entnommen wird, gibt es alle 10 Jahre eine Inventur des gesamten Waldes, die sogenannte Forsteinrichtung. Seit 1832 werden hier alle Walddaten erfasst. Anhand dieser Zeitreihe kann man erkennen, dass der Holzvorrat seit damals um etwa das Doppelte zugenommen hat.
Grundsätzlich ist es dem Förster ein selbstverständliches Anliegen, die verschiedenen Ansprüche an den Wald unter einen Hut zu bekommen: „Meine Aufgabe ist es, ökologische Aspekte, den Wald als Erholungsraum und die Bereitstellung des Rohstoffs Holz möglichst konfliktfrei miteinander zu verbinden.“ Eine hochkomplexe Aufgabe, für die es keine einfachen Lösungen gibt. Es gilt, die Partikularinteressen von Spaziergängern, Mountainbikern, Brennholzmachern, Klimabewegten, Hundehaltern, Joggern, Reitern, Sägewerkern, Jägern, Naturschützern etc. unter einen Hut zu bringen – eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, wie Reinhard aus Erfahrung weiß. „Dies kann nur gelingen, wenn alle am Wald Interessierten bereit sind, im Interesse des Großen und Ganzen Kompromisse zu machen und auch mal zurückzustecken.“
Gleichwohl widmet er sich dieser Aufgabe aus echter Überzeugung und mit Leidenschaft. Das Ziel seiner Arbeit ist es, einen Wald zurückzulassen, der stabiler, vielfältiger und wertvoller ist als bei der Übernahme seines Forstreviers vor 33 Jahren.
Quelle: Silke Hartmann