Badische Landesbühne zeigt „Der Hauptmann von Köpenick“ von Carl Zuckmayer
Endlich ist es so weit: Nach jahrelanger Haft ist der Schuster Wilhelm Voigt zurück in Freiheit. Getrieben vom Wunsch, von nun an ein rechtschaffenes Leben zu führen, macht er sich sofort auf Arbeitssuche. Aber das ist leichter gesagt als getan! Denn Arbeit bekommt nur, wer eine Aufenthaltsgenehmigung hat. Und diese bekommt nur, wer Arbeit hat. Mit „Der Hauptmann von Köpenick“ schrieb Carl Zuckmayer eine humorvolle Satire auf das Kaiserreich, in der er Militarismus und blinden Gehorsam aufs Korn nimmt.
Die Badische Landesbühne bringt das „deutsche Märchen“ als turbulentes Theaterereignis in der Regie von Oberspielleiter Arne Retzlaff auf die Bühne. Zu sehen ist die Produktion am Mittwoch, 23. März um 19.30 Uhr in der Dr.-Sieber-Halle in Sinsheim.
Um wieder in die Stadtgesellschaft integriert zu werden, lässt Wilhelm Voigt nichts unversucht. Seine wiedergewonnene Freiheit erweist sich schnell als ihr Gegenteil, weil er keine Resozialisierung erfährt. Diesem tragikomischen Teufelskreis kann er auf legalem Wege nicht entkommen. Um an seine Personalakten zu gelangen, bricht er ins Potsdamer Polizeirevier ein, was ihn erneut hinter Gitter bringt – nun ganze zehn Jahre. Zum Zeitvertreib lernt er dort die militärischen Dienstregeln auswendig. Als Voigt erneut aus dem Gefängnis kommt, steht er obdachlos einer ihm fremd gewordenen Stadt gegenüber, die keinen Platz für einen vorbestraften Arbeitslosen hat. Doch Wilhelm Voigt gibt nicht auf und bezwingt die herrschende Ordnung mit ihren eigenen Waffen. Er kauft sich eine Hauptmannsuniform. Ausgestattet mit ihrer Autorität, gelingt ihm ein einzigartiger bürokratischer Racheakt: Kurzerhand kommandiert er einen vorbeimarschierenden Zug Soldaten ab und besetzt das Köpenicker Rathaus. Die „Köpenickiade“ nimmt ihren Lauf.
„Auch heute ist die Frage, wie die Gesellschaft mit Außenseitern umgeht aktueller denn je. Vor allem ist der Umgang mit ihnen raffinierter geworden“, stellt Regisseur Arne Retzlaff fest. „Das heutige Untertanenverhalten ist zwar immer noch das Gleiche, aber die Uniform hat nicht mehr dieselbe Bedeutung. Doch sie ist auch heute noch ein Zeichen für von „oben“ gegebene Normen. Das ist besonders spürbar in der Zeichnung von Zuckmayers Beamtenfiguren. Sie sind schroff, autoritär und gnadenlos ablehnend. Heutzutage ist die Sprache auf den Ämtern auf eine andere Art und Weise uniformiert. Entstanden ist eine höfliche Scheinfreundlichkeit, ganz im Sinne von: ‚Wir haben Verständnis, aber es geht nicht‘.“ Retzlaffs Inszenierung macht deutlich, dass sich die Bürokratie nach wie vor gegen ein schnelles Eingliedern in die Gesellschaft stellt, lediglich die Umgangsformen haben sich geändert.
Die Uniform bei Zuckmayer ist bei Retzlaff zu einer Art Uniformierung der Sprache und des Lebensstils geworden. Die Atmosphäre, die der Regisseur demzufolge in seiner Inszenierung erzeugen möchte, ist die einer hektischen Großstadt: „Auf der Bühne rennen Menschen gehetzt zwischen mehreren Jobs hin- und her. Sie befinden sich im Kampf gegen Vereinsamung und ringen mit der Angst, das Leben nicht meistern zu können, nicht einem perfektionistischen Werbeideal zu entsprechen. Voigts Schicksal macht diesen Missstand besonders deutlich. Der papier- und damit auch identitätslose Ex-Häftling steht permanent unter existentiellem Stress, da er immer wieder von dieser Welt zurückgewiesen wird“, so Retzlaff.
Noch heute ist die Geschichte des Schusters Voigt eine eindringliche Warnung vor Gesellschaften, in denen der Schein wichtiger ist als das Sein und starre Hierarchien mehr zählen als die Würde des Einzelnen.
Die Vorstellungen finden unter Berücksichtigung der aktuellen Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg statt.
Mit: Martin Behlert, Stefan Holm, Hannes Höchsmann, Vivien Prahl, Lukas Maria Redemann, Tobias Strobel, Elena Weber, Sina Weiß, Inszenierung: Arne Retzlaff, Regie-Mitarbeit: Gina Jasmina Wannenwetsch, Bühnenbild: Tilo Schwarz, Kostüme: Rita Richter, Kostüm-Mitarbeit: Annette von Bodecker
- März 2022, 19.30 Uhr, Dr.-Sieber-Halle, Sinsheim
Kartenvorverkauf:
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