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Fünf Punkte für die Pflege

15. Juni 2018 | Das Neueste, Gesellschaft, Photo Gallery

Andreas Westerfellhaus (am Rednerpult) diskutierte mit Auszubildenden der Bildungszentrum Gesundheit Rhein-Neckar GmbH. (Foto: BZG)

(zg) Andreas Westerfellhaus, Staatssekretär und Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung, gab in der Bildungszentrum Gesundheit Rhein-Neckar GmbH Einblicke in sein neues Tätigkeitsfeld und Ausblicke auf die Zukunft des Pflegeberufs

Andreas Westerfellhaus war nicht zum ersten Mal zu Gast in der Wieslocher Bildungszentrum Gesundheit Rhein-Neckar GmbH (BZG): Im Rahmen des fünften „Schülerkongresses“ diskutierte er am Vortag der BZG-Expertengespräche [am 7. Juni 2018] mit Auszubildenden über die politischen Belange der Pflegeberufe in Deutschland. Der Unterschied in diesem Jahr: Westerfellhaus kam nicht, wie zuvor, als Präsident des Deutschen Pflegerats, sondern als Staatssekretär und Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung, zu dem ihn Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im März dieses Jahres berufen hatte. Seine Botschaft: „Seien Sie selbstbewusst und stolz auf Ihren Beruf! Und engagieren Sie sich berufspolitisch ebenso wie für Ihre Patienten und Bewohner!“ Die BZG-Schülerinnen und –Schüler überreichten ihm ein kleines Büchlein mit ihren Vorstellungen für eine bessere Zukunft der Pflege: Unter anderem gehört hierzu der Wunsch nach mehr Pflegepersonal, selbstständigerem Arbeiten laut Pflegeweiterentwicklungsgesetz und mehr Mitspracherecht in politischen Gremien.

Vom Krankenpfleger zum Staatssekretär

Bereits der persönliche Werdegang von Andreas Westerfellhaus räumt mit dem Klischee einer dienenden, unterbezahlten und stets gestressten Berufsgruppe auf: Der gelernte Krankenpfleger bildete sich weiter zum Fachkrankenpfleger für Intensivpflege und Anästhesie sowie Betriebswirt und leitete bis Anfang 2018 eine Akademie für Berufe im Gesundheitswesen in Gütersloh. Von 2009 bis 2017 war Westerfellhaus Präsident des Deutschen Pflegerates und erwarb sich in dieser Position den Ruf eines engagierten Verfechters für die Pflege. Die Frage des Bundesgesundheitsministers, ob er die Aufgabe des  Pflegebevollmächtigten übernehmen wolle, hatte ihn überrascht, doch er zögerte nach eigener Aussage nur 10 Sekunden, bis er zusagte – und hat es nicht bereut, denn: „Wer zu Hause auf der Couch sitzt, kann nichts verändern.“ Zugegeben, die Sache mit dem Stress lässt sich auch in dieser Position nicht leugnen; seine Tage sind seit März länger denn je, und sie sind gefüllt mit Terminen im Bundestag, in Kommissionen, mit Verbänden, auf Kongressen sowie mit Besuchen in Krankenhäusern, Altenpflegeeinrichtungen und Pflegefachschulen wie der BZG. Und er spürt eine große Erwartungshaltung: „Möglichst allen soll ich gerecht werden: den Altenpfleger/-innen, den Gesundheits- und Krankenpfleger/-innen, den Hebammen, und sogar die Physiotherapeut/-innen treten mit ihren Wünschen an mich heran.“ Doch er nimmt die Herausforderung gerne an und verspricht, in den nächsten drei Jahren alles dafür zu tun, dass sich etwas ändert.

Auszug aus dem Fünf-Punkte-Programm

Was genau soll sich denn nun ändern? Das Thema der dreistündigen Veranstaltung mit BZG-Schülerinnen und -Schülern aus dem ersten, zweiten und dritten Ausbildungsjahr lag gewissermaßen auf der Hand – es ist in aller Munde und in allen Medien: der Pflegenotstand. Für immer mehr kranke und pflegebedürftige Menschen gibt es zu wenige professionell Pflegende. Andreas Westerfellhaus stellte sein Fünf-Punkte-Papier vor – aus seiner Sicht ein erster Schritt zu vielen weiteren Maßnahmen, um wieder mehr Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern. Unter anderem stammt der bereits öffentlich diskutierte Vorschlag von ihm, dass Berufsrückkehrer und Teilzeitkräfte, die ihre Arbeitszeit aufstocken, Prämien von 5.000 bzw. 3.000 Euro erhalten – nach Westerfellhaus‘ Vorstellung finanziert durch die derzeit reichlich vorhanden Überschüsse des Staates. Geradezu revolutionär erscheint sein Vorschlag, dass Pflegepersonen ihre Arbeitszeit auf 80 Prozent reduzieren können – bei vollem Gehalt! Wer weiterhin 100 Prozent arbeiten will, soll dafür einen Treuebonus erhalten. Das, was auf den ersten Blick teurer erscheint, werde sich auf lange Sicht als vorteilhaft erweisen – so zumindest die Erfahrungen mit einem entsprechenden Modell in Schweden, wo die Krankheitsausfälle sich in einem Maß verringerten, das die verloren geglaubte Arbeitszeit mehr als wettmachte. „Nach ersten Einschätzungen des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung könnten mit dem 80:20-Modell bis zu 40.000 zusätzliche Stellen (Vollzeitäquivalente) im Ergebnis aus Arbeitszeitreduzierung und Teilzeitaufstockung gewonnen werden (https://idw-online.de/de/news695920)“, schreibt Westerfellhaus in seinem Fünf-Punkte-Papier, das noch einige weitere spannende Anregungen enthält (s. www.mehrpflegekraft.de).

Kritische Fragen – ehrliche Antworten

„Wie kann man Pflege zurückkaufen?“ lautete die berechtigt skeptische Frage einer BZG-Auszubildenden. „Herzblut muss natürlich immer dabei sein“, so die Antwort, „allein wegen des Geldes wird sich niemand für einen Pflegeberuf entscheiden.“ Dennoch, so berichtete der Staatssekretär, könne er aus Gesprächen mit Wiedereinsteigern versichern, dass auch eine einmalige Finanzspritze von 5.000 Euro sehr viel helfen kann: zum Beispiel, wenn sie dabei hilft ein Auto zu finanzieren, das den Weg zum Arbeitsplatz ermöglicht.

„Wie stehen Sie zur Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte?“ war eine weitere Frage. „Auf lange Sicht hilft nur, die Abläufe und Prozesse im eigenen Land zu optimieren“, antwortete Westerfellhaus. Er ist skeptisch bezüglich der Abwerbung beispielsweise ost- oder südeuropäischer Arbeitskräfte; denn er habe er häufig erlebt, dass die Vorstellungen oder Qualifikationen beider Seiten nicht zusammen passten und dementsprechend die Enttäuschung groß war. Außerdem verschärfe die Abwerbung ausländischer Pflegepersonen die Situation in den anderen Ländern, was nicht gerade solidarisch sei. Anders beurteilt der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung die Beschäftigung von Flüchtlingen: Hier sollten seiner Ansicht nach Möglichkeiten geschaffen werden, diese in Deutschland zu qualifizieren und in Arbeit zu bringen.

Fragen gab es beim Schülerkongress noch viele weitere, doch die Zeit war begrenzt, und so reichte es schließlich nur noch für die Übergabe des besagten Wunsch-Büchleins sowie für das Bekenntnis einer Schülerin, die damit allen Anwesenden aus dem Herzen sprach: „Ich setze mein volles Vertrauen in Sie, und das nicht nur, weil ich muss! Ich möchte mich für Ihr Engagement bedanken!“ Da verschlug es auch dem redegewandten Staatssekretär einen Moment lang die Sprache – doch selbstverständlich nicht länger als zehn Sekunden … Diese nutzte BZG-Schulleiterin Andrea Senn-Lohr, um sich für das Privileg seines Besuchs in Wiesloch zu bedanken – und der Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass es nicht der letzte war.

Die Bildungszentrum Gesundheit Rhein-Neckar GmbH

Die Bildungszentrum Gesundheit Rhein-Neckar GmbH ist eine Pflegefachschule, die insgesamt 224 Auszubildenden ein breit gefächertes Spektrum an Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten bietet, davon 206 im Ausbildungsgang Gesundheits- und Krankenpflege sowie 18 in Gesundheits- und Krankenpflegehilfe. Träger und Kooperationspartner der BZG sind die GRN Gesundheitszentren Rhein-Neckar gGmbH mit Kliniken in Eberbach, Schwetzingen, Sinsheim und Weinheim sowie das Psychiatrische Zentrum Nordbaden (PZN) mit seinen Außenstellen in Bruchsal, Schwetzingen, Mosbach und Weinheim.

Die BZG bietet darüber hinaus auch Bachelor-Studiengänge in Pflege an, die es ermöglichen, zwei Berufsabschlüsse in viereinhalb Jahren zu erhalten. Die ausbildungsbegleitenden Studiengänge bestehen in Kooperation mit der Katholischen Hochschule in Freiburg sowie mit der Hochschule Ludwigshafen am Rhein und richten sich an Auszubildende mit Fachhochschulreife bzw. Abitur.

Interessierte können sich direkt bei der BZG oder bei den jeweiligen Ausbildungsbetrieben bewerben. Weitere Informationen unter

www.bildungszentrum-gesundheit.de, www.grn.de, www.pzn-wiesloch.de, www.kh-freiburg.de und www.hs-lu.de.

Quelle: Stefanie Müller

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