Hermino Katzenstein MdL im Gespräch mit Geschäftsführer Roland Bauer von der Lebenshilfe Sinsheim
(zg) „Bei uns müssen sich die Arbeitsplätze den Menschen anpassen und nicht umgekehrt!“ Diese Aussage des Geschäftsführers Roland Bauer hatte beim grünen Landtagsabgeordneten Hermino Katzenstein Eindruck hinterlassen, als er der Kraichgau-Werkstatt anlässlich ihres 30-jährigen Bestehens einen Besuch abstattete. Beeindruckt hatte ihn, wie selbst Menschen mit schwerster Behinderung durch angepasste Arbeitsplätze und entsprechende Hilfsvorrichtungen sinnvolle Arbeit geboten werden kann.
Wenige Wochen später ist der Abgeordnete mit mehr Zeit im Gepäck schon wieder da.
Als Leiterin führt Elisabeth Buchwald durch den Förder- und Betreuungsbereich der Kraichgau-Werkstatt. „Hallo Beate, geht es dir gut?“, fragt sie eine Frau, die scheinbar apathisch im Rollstuhl sitzt. Die Angesprochene wackelt kaum merklich mit dem Bein und ein geradezu schalkhaftes Lächeln huscht über ihr Gesicht. „Ja“, bedeutet das, und jeder hier weiß das. Daneben verfügt sie über einen Talker, mit dessen elektronischer Hilfe sie sich vorstellt und den Gast begrüßt.
Die Ausstattung ist top, so gibt es eine Schaukel für Rollifahrer, einen Musikraum mit vielen Instrumenten und einer Schlitztrommel für Klangmassagen sowie einen „Snoezelenraum“ genannten Therapie- und Ruheraum. Auch an die Mitarbeiter wird gedacht, denen technische Hilfsmittel wie mobile Lifter oder eine höhenverstellbare Badewanne die Arbeit erleichtern. „Sehr schön“, freut sich Katzenstein, der sich bis zu seiner Wahl in den Landtag als Personalratsvorsitzender der Universität Heidelberg engagiert hatte.
Im Gespräch mit dem Geschäftsführer geht es immer wieder um das geplante Bundesteilhabegesetz. Bauer sorgt sich besonders um die schwerst- und mehrfachbehinderten Menschen. „Wie kriegen wir da die Inklusion hin?“, fragt er. Für geistig Behinderte seien die familiären Einrichtungen der Lebenshilfe ein Segen und stellten wertvolle Schonräume dar. Das geplante Gesetz bezeichnet er dagegen als „Angriff auf die stationären Einrichtungen“.
Neben den anerkannten Werkstätten sollen auch andere Anbieter zugelassen werden, die nicht die gleichen Standards und Anforderungen erfüllen müssen. Bauer sieht die Gefahr, dass sich immer mehr schwerst- und mehrfachbehinderte Menschen in den Werkstätten konzentrieren werden. „Diese liegen der Lebenshilfe aber besonders am Herzen und die Personalschlüssel in den Werkstätten müssten dann dringend angepasst werden“, so Bauer.
Der Geschäftsführer weist auf ein weiteres Thema hin: Seit 2002 versuche die Lebenshilfe Sinsheim ein neues Wohnheim zu bauen. Der Bedarf sei groß, viele inzwischen Hochbetagte suchten für ihre Angehörigen einen Wohnheimplatz. „Aktuell sondiert die Lebenshilfe die Möglichkeit eines Grundstückstausches, um das Projekt endlich verwirklichen zu können“, so Bauer. Doch aus seiner Sicht erschwert das geplante Bundesteilhabegesetz die Finanzierung.
Katzenstein kommt auf ein Thema zu sprechen, auf das er als Landtagsabgeordneter und Verkehrspolitiker mehr Einfluss hat: Die Barrierefreiheit im öffentlichen Nahverkehr. Betroffene beklagen, dass der Aufzug am Bahnhof oft kaputt oder mutwillig demoliert sei, berichtet Bauer. Natürlich gebe es noch viel zu tun, aber für geistig behinderte Menschen seien die Barrieren in den Köpfen der Mitmenschen oft die schlimmeren.
Quelle: Sabine Hebbelmann