(zg) Der Bürgerentscheid, der über die Beibehaltung oder die Abschaffung der unechten Teilortswahl befinden soll, wirft seine Schatten voraus. Behauptungen werden aufgestellt, die Antragsteller wollten die Vertretung der Interessen der Ortschaften einschränken oder gar die Ortschaftsräte abschaffen. Nichts davon ist richtig. Anlässlich des 40jährigen Bestehens der Großen Kreisstadt Sinsheim sind wir Sozialdemokraten zu der Auffassung gekommen, dass es höchste Zeit wird, auf einer Gemeinschaftsliste einen Gemeinderat für die Gesamtstadt zu wählen. Gleichzeitig wollen wir die Ortschaftsverfassung verbessern, indem wir die Zuständigkeit der Ortschaftsräte erweitern, zum Beispiel, indem wir sie im Rahmen des Haushaltsvollzugs zu beschließenden Ausschüssen für ihre Ortschaft aufwerten und ihnen ein Budget zuweisen. Die Ortsverwaltungen müssen selbstverständlich erhalten werden und als Bürgerbüro der Ortschaft arbeiten können. Als in Lahr nach der Kommunalwahl 2004 die unechte Teilortswahl abgeschafft wurde (ohne Bürgerentscheid!), hat ein Lahrer Kollege folgendermaßen argumentiert: „Die unechte Teilortswahl garantiert auch solchen Kandidaten einen Sitz im Gemeinderat, denen das Wohl der Gesamtstadt wenig bedeutet. Aber das Wahlrecht darf kein Artenschutzprogramm für Partikularinteressen sein und erst recht nicht für Schlafmützen und Faulpelze. Wer sich für seinen Stadtteil und für die Gesamtstadt engagiert, hat beste Aussichten, wieder oder neu in den Gemeinderat gewählt zu werden.“ Der Kollege hat recht behalten: Seit der Wahl 2009 sind die Stadtteile gegenüber der Kernstadt im Gemeinderat besser vertreten als zuvor mit der Sitzgarantie durch die unechte Teilortswahl. Natürlich wird es bei einem anderen Wahlsystem Gewinner und Verlierer geben, so funktioniert nun mal Demokratie, Alle Parteien und Wählervereinigungen können Sitze verlieren, weil es bei einer Einheitswahl keine Überhang- und Ausgleichmandate gibt und die Gesamtzahl der Sitze immer auf 32 begrenzt bleibt. Aber Gewinner ist die Gesamtstadt. Dabei ist die Kosteneinsparung nur ein unbedeutender Nebeneffekt. Hauptgewinner wären die Wählerinnen und Wähler, weil sie sich nicht mehr mit diesem besonders schwierigen Wahlsystem herumplagen müssten. Gerade in den Stadtteilen passieren die meisten Fehler, weil die Wähler in ihrer Ortschaft mehr Kandidaten wählen wollen als Sitze garantiert sind. Am Ende sind die gut gemeinten Stimmen ungültig und gehen der eigenen Ortschaft verloren. Klagen aus Kommunen, die die unechte abgeschafft haben, über mangelnde Einflussmöglichkeiten im Gesamtgemeinderat kommen hauptsächlich aus Gemeinden, die keine Ortschaftsräte und auch keine Ortsvorsteher haben, oft zu Recht. In Sinsheim ist die Befürchtung, dass die Ortschaften im Gemeinderat kein Gehör mehr fänden unbegründet. Schließlich haben alle Ortsvorsteher und Ortsvorsteherinnen Sitz und Rederecht im Gremium und können dort – auch wenn sie kein Stimmrecht haben – die Belange der Ortschaft wirkungsvoll vertreten. Nebenbei bemerkt: ein „garantierter“ Stadtrat, der den Mund nicht aufmacht, hilft seiner Ortschaft auch nicht! Abschließend stelle ich fest: Es gibt bei der Entscheidung über das künftige Wahlverfahren in Sinsheim kein richtig oder falsch, sondern allenfalls ein besser oder schlechter. Persönlich bin ich der festen Überzeugung, dass ein einfacheres Wahlverfahren ohne unechte Teilortswahl die Motivation, wählen zu gehen, verbessert, das Gemeinschaftsgefühl für ganz Sinsheim stärkt und die aktiven Kandidatinnen und Kandidaten in allen Stadtteilen unterstützt. Als einer, der im Ortschaftsrat von Waldangelloch mit der Politik begonnen hat, bleibe ich ein Verfechter starker Ortschaften, will deren Zuständigkeiten erweitern und die örtlichen Besonderheiten erhalten. Dazu wollen wir von der SPD nach dem Bürgerentscheid aktiv werden und zusammen mit anderen für die nötigen Mehrheiten im Gemeinderat werben.
Helmut Göschel, dienstältester Stadtrat in Sinsheim