Kammern erteilen einjähriger Berufsausbildung klare Absage
(zg) Viele Betriebe aus Industrie, Handel, Dienstleistungsbranche und Handwerk stellen sich mit vorbildlichem Engagement der Integration von Flüchtlingen in Ausbildung und Beschäftigung. Laut dem Baden-Württembergischen Handwerkstag (BWHT) und dem Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) befinden sich zum Anfang Oktober bereits mehrere Hundert Flüchtlinge landesweit im ersten Ausbildungsjahr einer Dualen Ausbildung.
Anlässlich des heutigen Besuchs von Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut bei baden-württembergischen Unternehmen, die Vorreiter bei der Ausbildung von Flüchtlingen sind, weisen die beiden Landesverbände der Wirtschaftskammern aber auch auf die großen Herausforderungen und zusätzlichen Belastungen hin, die von den Ausbildungsbetrieben bewältigt werden müssen.
„Die Betriebe engagieren sich, obwohl sie nicht wissen, ob sich ihr Einsatz am Ende auszahlt“, unterstreicht Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold. Zugleich macht er deutlich, dass Integration Zeit braucht. Nur wer gute Sprachkenntnisse besitze, könne sich im Betrieb verständigen und dem Berufsschulunterricht folgen. Reichhold: „Wer da aufs Tempo drückt, riskiert das Scheitern der Berufsausbildung.“
„Die Integration von Flüchtlingen in Ausbildung muss als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden“, betont Georg Fichtner, Präsident der für Ausbildungsfragen im BWIHK federführenden IHK Region Stuttgart. „Wie so häufig, ist die Wirtschaft auch hier besonders gefordert. Der Staat muss aber dafür sorgen, dass die Rahmenbedingen stimmen und zusätzliche Belastungen für die Betriebe vermieden werden.“
Aus Sicht der beiden Landesverbände sind die jüngsten Vorschläge einer einjährigen dualen Ausbildung daher wenig zweckdienlich. „Das Handwerk ist auf Fachkräfte mit beruflichen Kompetenzen angewiesen. Dieses Wissen lässt sich beim besten Willen nicht in einem Jahr vermitteln“, macht Reichhold deutlich. Im Handwerk gebe es keinen Arbeitsmarkt für Personen mit einer Kurzausbildung. Fichtner: „Für eine einjährige Ausbildung in IHK-Berufen sehen wir keinen Anlass. Die vorhandenen zwei- bis dreieinhalbjährigen Ausbildungsberufe sind auch für Flüchtlinge geeignet. Sie geben Betrieben und Berufsschulen genügend Spielräume, um der besonderen Situation von Flüchtlingen gerecht zu werden.“
Beide Präsidenten verweisen auf die Einstiegsqualifizierung als bewährtem Instrument vor allem um jüngere Flüchtlinge in Ausbildung zu bringen. Bei der Einstiegsqualifizierung absolvieren die Teilnehmer in einem Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten Teile eines anerkannten Ausbildungsberufs. Die Vergütung übernimmt die Arbeitsagentur. Erfolgreiche Teilnehmer bekommen ein Zertifikat von der jeweiligen Kammer. Die meisten der Absolventen werden anschließend in eine reguläre Ausbildung übernommen oder finden eine Beschäftigung.
Quelle: Eva Hauser