(zg) Der Kreistag des Rhein-Neckar-Kreises sprach sich in seiner jüngsten Sitzung in Neulußheim geschlossen für das Übergangsmodell zur Bewahrung des Einheitsforstamts aus. Einstimmig hat das Gremium die Übernahme des Holzverkaufs als freiwillige, kommunale Aufgabe beschlossen und die organisatorische Umsetzung in der Verwaltung gebilligt. Landrat Dallinger sieht darin ein klares Zeichen des Kreistags für die Bewahrung des Einheitsforstamtes auf Kreisebene.
Worum geht es: Das Forstamt des Rhein-Neckar-Kreises bietet derzeit allen Waldbesitzern ein umfangreiches Dienstleistungsangebot zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung an. Im Staatswald, im Körperschaftswald und im Privatwald erfolgt die Waldbewirtschaftung dabei stets unter Abwägung waldwirtschaftlicher Interessen mit den Schutz-, Erholungs- und Nutzfunktionen des Waldes. „Gerade im Verdichtungsraum ist die Bedeutung des Waldes zum Beispiel für den Grundwasserschutz, den Natur- und Artenschutz oder für die ortsnahe Erholung der Wohnbevölkerung von besonderer Bedeutung“, betonte Landrat Stefan Dallinger. Unverständlich sei es daher für ihn, dass das Bundeskartellamt zentrale Dienstleistungen des Einheitsforstamtes künftig untersagen möchte. Davon betroffen sind unter anderem die Betriebsleitung für die Forstbetriebe und das Auszeichnen von Holz durch Forstbeamte. Auch den nachwachsenden Rohstoff Holz bereitzustellen und anschließend den Holzverkauf für den Körperschafts- und Privatwald zu organisieren, gehört dazu, weil das Bundeskartellamt diese Tätigkeiten – in Abgrenzung zur hoheitlichen Tätigkeit der Forstämter – als rein wirtschaftliche Tätigkeit für Dritte ansieht.
Nach Auffassung des Bundeskartellamtes sind diese Tätigkeiten vollständig dem Wettbewerb zu öffnen und dürfen vom Land nicht mehr gemeinsam mit der Bewirtschaftung des Staatswaldes durchgeführt werden, da das Land, so die Sicht des Bundeskartellamtes, dadurch eine marktbeherrschende Stellung beim Nadelstammholzverkauf einnimmt. Das Bundeskartellamt hat in Kürze einen entsprechenden Beschluss angekündigt. Nach dem vorliegenden Beschlussentwurf soll bereits den Kreisforstämtern ab dem 1. Oktober 2015 der Holzverkauf einschließlich der Holzauszeichnung für kommunale und private Waldbesitzer mit einer Waldfläche über 1.000 Hektar untersagt werden. Danach sollen in zeitlich nach Größe der Waldflächen gestaffelten Schritten bis zum 1. Januar 2017 alle wirtschaftlichen Tätigkeiten des Kreisfortsamtes für den kommunalen und privaten Waldbesitz mit einer Waldfläche von über 100 Hektar verboten werden. Setzt sich das Bundeskartellamt mit seiner Auffassung durch, wäre dies das Ende des Einheitsforstamtes in Baden-Württemberg.
Landesregierung und kommunale Spitzenverbände teilen die Auffassung des Bundeskartellamtes nicht. Die Landesregierung beabsichtigt daher, in Absprache mit den kommunalen Spitzenverbänden, gegen den Beschluss Rechtsmittel einzulegen und insbesondere den Sofortvollzug der angekündigten Untersagungsverfügung auszusetzen. Um die Position im bevorstehenden Rechtsstreit für sich zu verbessern, haben die Landesregierung und die kommunalen Spitzenverbände ein sogenanntes Übergangsmodell ausgearbeitet, das eine Abtrennung des Nadelstammholzverkaufs aus der staatlichen unteren Forstbehörde vorsieht. „Der Verkauf des Nadelstammholzes soll in dieser Übergangszeit vom Rhein-Neckar-Kreis als freiwillige, kommunale Aufgabe wahrgenommen werden“, so Landrat Dallinger. Damit werde der ursprünglichen Forderung des Bundeskartellamtes Rechnung getragen und zugleich die Funktionsfähigkeit des Einheitsforstamtes gesichert, weil die Gesamtverantwortung für den Wald innerhalb der Behörde verankert bleibe.
Die Kreisverbandsversammlung des Gemeindetags und die Vorstände der Forstbetriebsgemeinschaften im Rhein-Neckar-Kreis hatten bereits im Vorfeld zur Kreistagsitzung diesen Wunsch geäußert. Die Unterstützung der Waldbesitzer beim Holzverkauf durch den Kreis ist auch vor dem Hintergrund, dass der bevorstehende Rechtsstreit mehrere Jahre dauern kann, von besonderer Bedeutung. Ohne diese Unterstützung müssten die Waldbesitzer ad hoc eine eigene Holzverkaufsorganisation aufbauen. Landrat Dallinger betonte daher, dass mit diesem Beschluss nun die erforderlichen rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen geschaffen werden können, um zu gewährleisten, dass der Holzverkauf im Körperschafts- und Privatwald, weiterhin in geordnete Bahnen möglich ist und dass dabei Schaden vom Land und von den Waldbesitzern im Kreis ferngehalten wird.
Der Hintergrund des Kartellverfahrens sind Beschwerden der Sägeindustrie aus dem Jahr 2002. Das erste Kartellverfahren endete 2008 mit einer Verpflichtungszusage des Landes Baden-Württemberg. Die darin zugesagten Änderungen in der Holzvermarktungsstruktur brachten jedoch nach Ansicht des Bundeskartellamtes nicht den erwarteten Erfolg. Nach weiteren Beschwerden der Säge- und Holzindustrie wurde vor rund drei Jahren ein weiteres Kartellverfahren eröffnet.
Das Kreisforstamt im Rhein-Neckar-Kreis vermarktet durchschnittlich etwa 200.000 Festmeter pro Jahr. Für den Staatswald werden jährlich rund 70.000 Festmeter verkauft. Für den Körperschaftswald liegt der Verkauf bei zirka 120.000 Festmetern. Hinzu kommen noch rund 10.000 Festmeter aus Kleinprivatwäldern, die vom Landratsamt vermarktet werden.
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Wälder sind nicht nur Holzlieferanten, sondern haben vielfältige Funktionen unter anderem für Klima, Luftreinhaltung, Wasserrückhalt, Artenvielfalt und Naherholung. Für diese Leistungen ist es entscheidend, dass Wälder nicht allein nach Renditekriterien oder maximaler Holzausbeute bewirtschaftet werden. Das Bundeskartellamt ignoriert aber diese wichtigen Gemeinwohlleistungen des Waldes und vergleicht ihn mit einem Hühnerzuchtbetrieb.
Die Landesforstverwaltungen spielen eine Schlüsselrolle bei der nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder. Sie wählen zum Beispiel die einzuschlagenden Bäume aus und übernehmen auch die Vermarktung des Holzes. Davon profitieren auch sehr viele private Besitzer kleiner Waldflächen und waldbesitzende Kommunen, die das nicht selber leisten können. Das Bundeskartellamt sieht in der gebündelten Holzvermarktung durch die Landesforste ein Monopol und fordert eine getrennte Vermarktung des Holzes. Das wäre das Aus für die bewährten Einheitsforstämter und ähnliche Strukturen in Rheinland-Pfalz, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen.
Quelle: Rhein Neckar Kreis