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Luxus-Bauten in Sinsheim – Und wo wohnt der Rest?

17. September 2017 | Z

Jeder in Deutschland kennt mittlerweile die TSG Hoffenheim, die sich freuen darf, im nächsten Jahr sogar in der Champions League antreten zu dürfen, wenn es mit der Qualifikation klappt. Großes steht dem gerade 35.000 Einwohner starken Sinsheim also in naher Zukunft bevor, das von allen Bundesligisten die wenigsten Einwohner vorweisen kann. Dabei ist Sinsheim als Wohngebiet äußerst beliebt, was ohnehin für das gesamte Rhein-Neckar-Gebiet gilt. Wohnraum ist gerade hier aber teuer, zumal viele Neubauten eher die Besserverdienenden ansprechen.

Panorama von Sinsheim mit Blick auf Badewelt Sinsheim

, aber fein: Sinsheim ist ein beliebter Wohnort – aber nicht gerade günstig, was auch an aktuellen Bauvorhaben liegt. Bildquelle: aldorado – 315180377 / Shutterstock.com

Eigentlich könnte es für Häuslebauer gar keine bessere Zeit geben. Aufgrund der – noch – anhaltenden Zinspolitik der EZB gibt es weiterhin günstiges Geld von den Banken. Dies ruft verständlicherweise Familien und Investoren auf den Plan, die das geliehene Geld einsetzen, um günstig Immobilienkäufe bzw. -bauten zu finanzieren.

Doch gerade wer neu auf dem Immobilien- und Kreditmarkt ist, sollte sich vor der Kreditaufnahme gründlich beraten lassen. Denn längst nicht jedes verlockende Kreditangebot ist wahrlich ein Schnäppchen – und nicht in jede Immobilie lohnt es, Geld zu investieren.

Ohnehin warnen auch kundige Experten wie der Bundesbankvorstand Andreas Dombret vor nicht kalkulierbaren Risiken: „Vor allem die Mischung aus boomendem Immobilienmarkt und Niedrigzinsumfeld kann zu einem gefährlichen Cocktail für den Banken- und Sparkassensektor werden.“ Dombret fordert, weiterhin hohe Kreditvergabestandards anzuwenden, um eine Immobilienblase zu verhindern.

Sorge macht diesbezüglich auch die Immobilienpreis-Entwicklung, die längst nicht immer ökonomisch angemessen scheint. Seit 2010 sind die Preise für Wohnimmobilien um 30 Prozent gestiegen – und der Trend zieht derzeit weiter an, nur in einigen deutschen Regionen und Städten gibt es noch bezahlbare Immobilien und finanzierbaren Wohnraum zu finden. Sinsheim allerdings schickt sich an, bald schon nicht mehr dazuzugehören.

Wohnraum

Absolutwerte in 1990

Absolutwerte in 2016

Veränderung in %

Eigentumswohnungen

(Preis Euro pro m²)

2.026

3.635

79,4

Reihenhäuser

(Preis in Euro)

206.087

345.656

67,7

Miete Erstbezug

(Preis Euro pro m²)

6,79

10,5

54,6

Wiedervermietung

(Preis Euro pro m²)

4,49

8,48

88,9

Eigenheimgrundstücke

(Preis Euro pro m²)

152

267

75,5

Tabelle: Mieten und Preise für Wohnimmobilien in Deutschland im Vergleich der Jahre 1990 und 2016; Quelle: BulwienGesa, Statista

Als „deutlich angespannt“ bezeichnet Oberbürgermeister Jörg Albrecht die aktuelle Lage in Sinsheim, was das Wohnungsangebot anbelangt. Es sei nur schwer möglich, an Baufläche oder Wohnraum zu kommen. Ärmere Menschen hätten derzeit sowieso keine Chance, sich in Sinsheim anzusiedeln. Schuld daran ist aber nicht nur die hohe Nachfrage. Auch die aktuellen Bauvorhaben in Sinsheim zielen eher auf gutbetuchtes Klientel oder den Tourismus ab.

Viele Bauprojekte – wenig Wohnraum

Bauen, bauen, bauen, scheint das Stichwort 2017 zu sein, wenn man punktuell in das Rhein-Neckar-Gebiet schaut. Viele großflächige und vor allem auch teure Bauprojekte wurden in und rund um Sinsheim gestartet. Nicht alle dieser Bauprojekte werden von der anwohnenden Bevölkerung positiv aufgenommen, gerade weil es an bezahlbarem Wohnraum fehlt – und viele ihre gewohnte Wohlfühlatmosphäre im beschaulichen Sinsheim nicht missen möchten.

  • Das „Zweydinger“-Projekt: Ein ganz neues Stadtviertel soll entstehen, geht es nach Günter Kotlik und Rüdiger Bucher, die sich für das Management des Bauprojekts verantwortlich zeichnen, das insgesamt 66 Wohnungen in drei Mehrfamilienhäusern sowie acht Einfamilienhäuser umfasst. Zudem sollen sieben Penthouses entstehen, ebenso viele Gewerbeeinheiten, Tiefgaragen und Wohnungen mit betreutem Wohnen. Ein zweistelliger Millionenbetrag wird dafür investiert. Noch ist fraglich, wie viele Menschen sich im neuen Sinsheimer Stadtviertel Wohnraum werden leisten können.

 

  • Umbau Postamt im Bahnhofsviertel: Wesentlich mehr Diskussionsstoff bietet da schon der Umbau des alten Postamts im Bahnhofsviertel des Stadtteils Ehrstädt. Hier sollen schicke Stadtwohnungen in bester Lage entstehen, die gewiss nicht für den „einfachen Mann“ gedacht sind. Die Meinungen in der Bevölkerung sind gespalten.

 

  • Shark City: Vor allem der Tourismus soll mit dem neuen Großbauprojekt „Shark City“ angeheizt werden. Damit steht das große Hai-Aquarium sinnbildlich für den Zwiespalt, der zwischen Bewohnern und Politikern derzeit offenkundig wird. Erstere wollen vor allem ihr beschauliches Sinsheimer Idyll erhalten, die Politik will den Tourismus ankurbeln und so mehr Geld in die Stadtkasse spülen. Beide Interessen sind nachvollziehbar. Trotzdem bedeutet auch dieses Projekt am Ende wieder weniger Wohnraum für Menschen und eine Verknappung des Baugebiets. Zudem steht auch eine moralische Frage im Raum: Dürfen Wildtiere eingesperrt werden?

 

  • Projekt Freizeitbad: Am Randgebiet der Stadt Sinsheim ist bekanntlich schon einiges los. Ein Bundesligastadion, ein Flughafen mit den schnellsten Passagierflugzeugen der Welt, die weltgrößte Sauna und ein Palmenbad – angesichts dieser „Attraktionen“ könnte man fast meinen, man spreche bei Sinsheim von einer Weltmetropole. Nun soll die Sinsheimer Peripherie noch mit dem größten Freizeitbad der Welt aufgewertet werden. Eine halbe Milliarde Euro will die Wund-Gruppe investieren.

Baugebiet in der Kernstadt benötigt

Auch der Oberbürgermeister ist gespalten, sieht er doch auch die Gefahren, gerade für junge Familien, die auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum sind. Doch eben dazu benötigt es auch Bauflächen, und daran mangele es derzeit vor allem. „Wir sind nicht im Besitz der Flächen“, kommentiert Oberbürgermeister Albrecht die derzeitige Lage etwas lapidar.

Immerhin ein Wohnbauprojekt gibt es derzeit zu verzeichnen. Am Kirchplatz 8 wird aktuell gebaut, um Wohnraum für 20 Einheiten zu schaffen. Ein- bis Vierzimmerwohnungen sollen hier in den nächsten Monaten zu bezahlbaren Preisen fertiggestellt werden. Fünf davon sollen gar barrierefrei auch für Rollstuhlfahrer zugänglich sein.

Gebaut wird von der Baugenossenschaft Sinsheim. Die Stadt hat es auch Genossenschaftsgeschäftsführer Peter Flaig zu verdanken, dass derartige Projekte in Sinsheim derzeit überhaupt noch realisiert werden. 3,5 Millionen Euro sollen in den Bau investiert werden, der am Ende auch für Geringverdiener bezahlbar sein soll. Dafür möchte man auf luxuriösen Firlefanz verzichten. „Ich kann auf einer Fliese für 15 Euro pro Quadratmeter genauso laufen wie auf einer, die 70 Euro kostet“, so Peter Flaig.

Auch die Stadt beteiligt sich am Bau. Trotzdem scheint das Wohnbauvorhaben nur ein Tropfen auf dem heißen Stein zu sein, denn in naher Zukunft wird der Wohnraum sukzessive knapper und somit auch teurer. Sozialen Wohnbau umzusetzen, das ist zwar nicht Aufgabe der Stadtverwaltung, nichtsdestotrotz trägt jene auch die Verantwortung, Menschen vor der Obdachlosigkeit zu schützen. Schleunigst sollte in Sinsheim daher ein Kompromiss gefunden werden – zum Wohle der Bürger.

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