Von Cannabis liest man in den Medien vorwiegend, wenn es um Rauschgiftfunde und Festnahmen geht. Erst Anfang des Jahres wurden in Sinsheim bei einem 24-Jährigen 104 Gramm Marihuana sichergestellt. Doch seit März diesen Jahres ist das Rauschmittel als Medikament für chronisch-kranke Patienten freigegeben. Seitdem können Ärzte Menschen, die beispielsweise an Multipler Sklerose, Depressionen oder Glaukomen leiden, ohne bürokratische Hürden ein Rezept ausstellen. Nach über zwei Monaten seit dem Inkrafttreten ist es an der Zeit, ein erstes Resümee zu ziehen: Wie verlief der Start und wo gibt es noch Schwierigkeiten?
Wer bekommt ein Rezept für Cannabis und wer bezahlt die Therapie?
Seit Inkrafttreten des neuen Gesetzes können Ärzte aller Fachrichtungen ihren Patienten Cannabis bei chronischen Krankheiten als Schmerzmittel verschreiben. Diesem Artikel zufolge, der sich mit den Startschwierigkeiten bei dem medizinischen Cannabis-Programm beschäftigt, profitieren vor allem Menschen mit MS, ADHS oder Neurodermitis davon. Dafür ist keine Sondergenehmigung der Bundesopiumstelle mehr notwendig. Damit die Krankenkasse die Kosten für das immer noch teure Cannabis übernimmt, müssen allerdings noch weitere Bedingungen erfüllt sein: So muss zunächst eine schwerwiegende Krankheit vorliegen, für die keine anderen anerkannten Therapien zur Verfügung stehen. Cannabis kann auch verschrieben werden, wenn bisherige Therapien dem Patienten nicht den erhofften Behandlungserfolg brachten. Dann müssen sie bei der ersten Verordnung einen Antrag bei ihrer Krankenkasse stellen. Dieser wird einzeln geprüft; ihm muss nach jetziger Rechtslage jedoch nicht zwangsläufig stattgegeben werden, wie ein aktuelles Beispiel aus dem nordrhein-westfälischen Witten zeigt: Einer Patientin, die seit vielen Jahren unter der Nervenkrankheit Fibromylagie litt – also chronischen Faser-Muskel-Schmerzen –, wurde die Kostenübernahme verwehrt – dabei verschafften die Medikamente nach zahlreichen anderen Therapieansätzen erstmals Linderung.
Das kann für die individuellen Schicksale schwerwiegende Folgen haben, da Cannabis-Arzneimittel zum jetzigen Zeitpunkt noch sehr teuer sind. Auch die Suche nach einem Arzt kann langwierig werden: Längst nicht jeder Mediziner ist bisher restlos von Cannabismedikamenten überzeugt. Das liegt zum großen Teil daran, dass umfassende Studien zur Wirkung von Cannabis noch ausstehen. Nicht zuletzt aus diesem Grund sieht das Gesetz eine begleitende Erhebung seitens der Mediziner vor: So sollen Ärzte ihre Erkenntnisse zur Sicherheit und Wirksamkeit der Mittel und zum Therapieverlauf anonymisiert an das an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) übermitteln.
Cannabisagentur kontrolliert Import, Anbau und Logistik
Ob sich an dieser Situation und dem Preis der Präparate und Blüten bald etwas ändert, bleibt abzuwarten. Sicher ist: Der Eigenanbau bleibt auch mit dem neuen Gesetz illegal, ebenso wie der Konsum zu Genusszwecken. Stattdessen kontrolliert eine Cannabisagentur die Versorgung der Patienten. Bisher werden dazu Blüten aus den Niederlanden und Kanada importiert. Eine erste Ernte in Deutschland wird erst für 2019 erwartet. Neben Blüten stehen in Apotheken auch Fertigpräparate zur Verfügung. In welcher Form die Medikamente verschrieben werden, wird in Absprache mit dem behandelnden Arzt entschieden.
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