(zg) Seit Anfang 2020 beherrscht die Corona-Pandemie Gesellschaft und Wirtschaft, weltweit. Eine aktuelle Studie des Verbandes Region Rhein-Neckar (durchgeführt von der Tourismusberatung dwif) stellt die Themen „Zukunftsfähigkeit“ und „Resilienz im Tourismus“ in den Mittelpunkt und liefert den Akteuren in der Metropolregion Rhein-Neckar sowohl wertvolle Fakten als auch praxisnahe Empfehlungen, wie die Widerstandsfähigkeit (Resilienz) touristischer Betriebe und Destinationsmanagement-Organisationen dauerhaft, d. h. auch über aktuelle Krisensituationen hinaus, gesichert werden kann. „Unsere schöne Region ist nicht nur wirtschaftsstark und innovativ“, begrüßte Verbandsdirektor Ralph Schlusche zur Vorstellung der Studienergebnisse zahlreiche Touristiker der Region, „sondern auch unglaublich gastfreundlich und bietet für alle Altersklassen attraktive Angebote. Das diese Angebote gut aus der Krise der vergangenen Monate starten und zukünftig vielleicht noch resilienter werden, dabei wollen wir unterstützen.“
Die aktuelle Studie des VRRN knüpft an die Erkenntnisse aus dem aktuellen Sparkassen-Tourismusbarometer zum Thema „Tourismus mit und nach Corona – Alles neu, alles anders?“ an und nimmt einerseits die akuten Folgen der Corona-Pandemie in den Blick. Wichtige Kernfragen dabei: Was können wir derzeit aus Zahlen, Befragungen und Gesprächen in der Branche, aus Trends in der Gesellschaft und beim Reiseverhalten herauslesen, um die Krise akut zu bewältigen? Was sind wichtige Erfolgsfaktoren, die den Akteuren im Tourismus Orientierung geben? Auf der anderen Seite geht die Studie auch der Frage nach, wie Destinationen und Betriebe ihre Entwicklung mittel- und langfristig aktiv steuern können.
Folgen der Corona-Pandemie für den Tourismus in der MRN
Nach exklusiven Berechnungen des dwif beläuft sich der Umsatzausfall in den Destinationen in der Metropolregion Rhein-Neckar für den Zeitraum März bis Dezember 2020 auf 1,64 Mrd. Euro. Der Tagestourismus (Umsatzausfälle in Höhe von 0,79 Mrd. Euro) und der Übernachtungstourismus (-0,85 Mrd. Euro) sind dabei nahezu gleich stark betroffen.
Tagestourismus & Freizeitwirtschaft
Bundesweit ist die Zahl der Tagesreisen 2020 um 19 Prozent zurückgegangen und während Aktivitäten wie Wandern oder Radfahren, Natur- und Landschaftsattraktionen sogar absolute Zuwächse verzeichneten, brachen die Zahlen in den Bereichen Shopping, Besuch von Restaurants und insbesondere bei Veranstaltungen mitunter dramatisch ein.
Bundesweit liegt das Besucherminus (2020 im Vergleich zum Vorjahr) in der Freizeitwirtschaft bei 41 Prozent. Am stärksten traf es nachvollziehbarer Weise die Indoor-Angebote wie Bäder/Thermen, Führungen und Museen/Ausstellungen. Outdoor-Einrichtungen wie Zoos/Tierparks oder Landschaftsattraktionen wie Parkanlagen kamen vergleichsweise glimpflich davon.
Übernachtungstourismus
Die Zahl der gewerblichen Übernachtungen ist 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 39 Prozent zurückgegangen. Mit Blick auf die Metropolregion Rhein-Neckar kann festgehalten werden, dass die Übernachtungen gemäß amtlicher Statistik im Zeitraum März 2020 bis Februar 2021 um rund 55 Prozent zurückgegangen sind.
Fakt ist: 2020 gibt es keine „Krisen-Gewinner“ im Deutschland-Tourismus, nur weniger stark betroffene Destinationen, denn die „beste“ Region verbuchte hier ein Minus von rund 13 Prozent. Die Schere zwischen Ferienregionen und Städten geht dabei weiter auseinander.
Auswirkungen der Corona-Krise auf die DMO
Die Corona-Pandemie verändert die Aufgabenschwerpunkte der Tourismusorganisationen in der Metropolregion Rhein-Neckar. Vor allem die Digitalisierung hat deutlich an Bedeutung gewonnen. Darüber hinaus zeigt die Befragung der Organisationen in der Metropolregion, dass auch die Rolle des Innenmarketings stark gewachsen ist. Dies betrifft die Kommunikation sowohl mit den Leistungsträgern als auch mit öffentlichen Stellen wie Behörden oder Kommunen. Rund 60 Prozent der befragten Organisationen geben an, dass die Strukturentwicklung der eigenen Organisation seit Pandemie-Beginn an Bedeutung zugenommen hat. Für 55 Prozent gilt dies auch für das Thema Innovationsmanagement.
Die aktuelle Krise ist nicht die erste, in der sich der Tourismus behaupten muss. Jede fünfte befragte Organisation in der MRN gibt an, dass sie bereits vor der Corona-Pandemie mit Krisen konfrontiert war. Davon konnten in der aktuellen Krise jedoch viele nicht profitieren: Die Mehrheit (67 Prozent) der Befragten verweist darauf, dass die Corona-Pandemie so anders ist als frühere Krisen, dass ihnen bisherige Erfahrungen in dieser besonderen Lage nicht weiterhelfen.
Die Tourismusorganisationen in der MRN haben sich schnell darauf konzentriert, mit konkreten Maßnahmen zur akuten Bewältigung der Corona-Krise beizutragen: Acht von zehn Organisationen haben dabei die geltenden Hygienevorgaben umgesetzt, also etwa durch Abstandsmarkierungen, Desinfektionsmaßnahmen oder Schutzvorrichtungen die Ausbreitung des Virus eingedämmt. Besonders wichtig war für mehr als 80 Prozent der befragten Organisationen zudem die coronabezogene Kommunikation nach außen, um den Nachfragenden verlässliche und aktuelle Informationen beispielsweise zu geöffneten Betrieben, Zugangsbeschränkungen oder Verhaltenshinweisen zu geben. Im Marketing haben die Organisationen ihre Aktivitäten teilweise an die aktuelle Lage angepasst (74 Prozent) beziehungsweise temporär ausgesetzt.
Nicht vernachlässigt haben sie in der akuten Krisenbewältigung die Kommunikation nach innen, indem beispielsweise für die Leistungsträger Informationen zu aktuellen Vorgaben bereitstellten. Dabei bestätigen die Erhebungen im Rahmen der MRN-Studie 2021, dass gepflegte und belastbare Beziehungen in Krisensituationen von großer Bedeutung sind: Für rund neun von zehn befragten Organisationen waren ihre bestehenden Kooperationspartner und Netzwerke bei der Bewältigung der aktuellen Lage hilfreich. Denn gute Netzwerke unterstützten in der Corona-Pandemie dabei, durch den Austausch aktuelle Informationen und neue Impulse zu erhalten, ermöglichten die Abstimmung untereinander und trugen dazu bei, sich in der herausfordernden Situation nicht allein zu fühlen. Rund 30 Prozent der befragten Organisationen haben ihr Netzwerk in der Corona-Pandemie erweitert. Neue Beziehungen in andere Bereiche wie den Einzelhandel, die IT-Branche oder Politik und Verwaltung konnten jedoch nur selten geknüpft werden.
Krisen können auch Chancen bieten
Trotz der nicht zu übersehenden negativen Auswirkungen erkennen die Tourismusorganisationen in der MRN in der aktuellen Krise auch positive Effekte auf ihre eigene Organisation. Viele Touristiker konnten in dieser Situation einerseits diverse Arbeiten im Hintergrund erledigen und sich auf die neue Saison vorbereiten. Andererseits bestand durch diesen abrupten Stopp in der täglichen Arbeitsroutine die Chance, bisherige Arbeitsweisen und bewährte Gewohnheiten auf den Prüfstand zu stellen. Damit hat die Corona-Pandemie erheblich dazu beigetragen, dass bislang übliche Messeteilnahmen und Printprodukte hinterfragt und reduziert oder sogar komplett eingestellt wurden. Einen deutlichen Schub gab es dagegen für die (interne und externe) Digitalisierung der Organisationen. Und statt einer Präsenzpflicht im Büro ermöglichen sie vielfach auch künftig flexible Arbeitszeitmodelle mit digitalem und mobilem Arbeiten. Darüber hinaus arbeiten die Verantwortlichen teilweise daran, Veranstaltungskonzepte so anzupassen, dass sie auch unter pandemischen Bedingungen stattfinden können.
Neben den bestehenden Aktivitäten gleichzeitig Neues zu entwickeln ist für rund 50 Prozent der befragten Tourismusorganisationen in der MRN jedoch herausfordernd. Dies lässt sich in erster Linie auf einen Mangel an personellen, zeitlichen und finanziellen Ressourcen zurückführen.
Anstoß für umfassenden Wandel
Neben den akuten Maßnahmen und den schrittweisen Anpassungen gibt die Corona-Pandemie für eine deutliche Mehrheit der Tourismusorganisationen in der MRN (61 Prozent) den Anstoß zu einem umfassenden Change. Hier geht es in vor allem um inhaltliche Veränderungen wie Markenbildung, Positionierung, neue Produkte, Nachhaltigkeit oder Digitalisierung. Doch auch organisatorisch sorgt die Pandemie für einen umfassenden Wandel in vielen Organisationen. Treibende Kräfte und Unterstützer*innen dieser Change-Prozesse sind insbesondere die Teams in den Organisationen sowie die Anforderungen der Gäste, während technische und administrative Grenzen eher Hemmnisse bilden.
Damit die Tourismusorganisationen und Destinationen in der MRN auch in besonders herausfordernden Situationen bestehen und erfolgreich handeln können, sind zwei zentrale Erfolgsfaktoren entscheidend:
Menschen und Beziehungen stärken: Weil es die Menschen sind, die Organisationen resilient machen, kommt es auf alle an, die für deren Stabilität und Zukunftsfähigkeit relevant sind, auf die Führungskräfte und Mitarbeitenden in der Organisation ebenso wie auf sämtliche Partner*innen in den Netzwerken, mit denen die Organisation in Beziehung steht. Neben den nach innen gerichteten Anpassungen geht es heute stets auch darum, belastbare Partnernetzwerke aufzubauen und zu pflegen, ohne die man nicht existieren kann.
Vorbereitung auf künftige Herausforderungen: Nach der Krise ist vor der Krise. Die Corona-Pandemie ist als aktuelle Krisenverursacherin leider nicht allein, vieles andere wird nur temporär medial in den Hintergrund gedrängt. Die Wahrscheinlichkeit, dass uns weitere Pandemien und sonstige Katastrophen heimsuchen werden, ist groß. Folglich ist es vernünftig, sich auch mit der Frage zu beschäftigen, wie wir uns darauf vorbereiten können. Die drei Bausteine einer aktiven Krisenprävention sind das akute Krisenmanagement, Krisenreview und das auf diesen ersten beiden Bausteinen aufbauende Krisenpräventionskonzept.
Und schließlich sind verlässliche politische Rahmenbedingungen erforderlich. Zu jeder erfolgreichen Krisenbewältigung, insbesondere in Pandemiezeiten, gehören Klarheit und Verlässlichkeit im politischen Handeln. Im Hinblick auf Langfrist- und Spätfolgen zeichnen sich drei Entwicklungen ab, die im Rahmen einer vorausschauenden Politik sofortiges Handeln erfordern. Diese betreffen die Finanzierung der freiwilligen Aufgabe Tourismus, die Flexibilisierung und stetige Anpassung der Förderlandschaft sowie den touristischen Arbeitsmarkt.
Auswirkungen der Corona-Krise auf die Betriebe
Zwei Lockdowns und Einschränkungen bei Öffnungen haben das Jahr 2020 geprägt und hatten Konsequenzen für alle Marktteilnehmenden: Nachfragerückgänge, Umsatz- und Gewinneinbußen. Und in der Folge Liquiditätsengpässe. Im Februar 2021 gab bundesweit jeder siebte Betrieb im Gastgewerbe an, akut von einer Insolvenz bedroht zu sein, in der Freizeitwirtschaft etwa jede fünfzehnte Einrichtung. In den Bundesländern Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz fiel der Wert im Gastgewerbe mit 7 Prozent deutlich positiver aus.
Und obwohl sich die Betriebe vorsorglich um Kredite bemüht und Investitionen geplant oder auch realisiert haben, kamen und kommen neben finanziellen Engpässen zwei weitere Herausforderungen auf sie zu: Mitarbeiterbindung/-gewinnung und Qualitätssicherung. Die Branche verliert stark an Attraktivität, sodass bundesweit mehr als 60 Prozent der Betriebe Mitarbeitende an andere Branchen verloren haben oder dies erwarten. Die Bundesländer Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz weisen kumuliert mit 67 Prozent sogar noch höhere Werte aus. Mindestens ebenso schlimm: 34 Prozent der deutschen Betriebe werden in den nächsten Jahren nicht mehr ausbilden. Die Werte der drei für die MRN-Region relevanten Bundesländer fallen mit 14 Prozent nicht erfreulich, aber etwas besser aus. Diese Entwicklung kann drastische Folgen für die gesamte Branche haben. Zudem ist die Eigenkapitaldecke bei vielen Betrieben deutlich geschrumpft, was unter anderem mit einem zunehmenden Investitionsstau einhergeht. Auch hier werden die Auswirkungen noch über Jahre hinweg zu spüren sein.
Doch wie sollte man als Betrieb mit einer Krise umgehen? DAS Instrument zur Krisensteuerung gibt es nicht. Jedes Unternehmen muss für sich individuelle Strategien und Maßnahmen entwickeln, um herausfordernden Situationen erfolgreich zu begegnen. Grundvoraussetzung ist, das Ziel zu kennen: Welche Strategie verfolge ich? Wo sehe ich meinen Betrieb in x Jahren und wie führe ich ihn dahin? Das kostet Ressourcen, Geld und Zeit. Ziel ist es, die Krise nicht nur zu überstehen, sondern eine neue Stärke, Selbstbewusstsein und Erfahrung aufzubauen, um künftige Krisen (besser) zu meistern.
Die aktuelle Studie für die MRN fokussiert deshalb sechs Erfolgsfaktoren für resiliente Betriebe: Positives & konstruktives Denken; Zahlen im Griff haben; Veränderungsprozesse anstoßen; Mitarbeitende binden; Vernetzung intensivieren sowie Rahmenbedingungen schaffen.
Daniela Hirsch, Tourismusreferentin des Verband Region Rhein-Neckar, betonte am Ende: „Wir werden die weiteren Entwicklungen beobachten. Unser Augenmerk liegt dabei auf den Folgen der Coronapandemie und insbesondere auf den Möglichkeiten, hierauf angemessen im Rahmen unserer Netzwerkarbeit zu reagieren und die Akteure zu unterstützen.“
Quelle: Boris Schmitt