Chirurg Dr. Eckehart Wolff vom christlichen Hilfswerk DMG (Sinsheim) schreibt:
(zg) Heute hörte ich von einem Ort, der von einer Gerölllawine begraben worden ist. Retter kamen erst spät dorthin – keine Überlebenden! Es tut weh, so viel Leid mitzuerleben. Die Schicksale der einzelnen Menschen sind bewegend:
Ich denke an eine Christin aus einem Bergdorf. Ihr Mann hatte sie vor Monaten verlassen, weil sie Jesus folgt. Nun hat das Erdbeben ihr Dorf dem Erdboden gleichgemacht, auch ihr Haus ist eingestürzt. Der Wasserbüffel war unten angebunden, oben die Wohnung, darüber der Kornspeicher. Sie hat alles verloren. Dennoch vertraut sie fest auf Jesus. Der Anblick ihres zerstörten Hauses berührt mein Herz. Vernichtet wurden vor allem einfache Gebäude von Bauern, die meist ohne Mörtel gebaut sind. Werden die Menschen je ihre Dörfer wieder aufbauen?
Eindrücke aus der medizinischen Arbeit
Der Monsunregen setzt langsam ein, es wird warm und feucht. Wir schwitzen mehr und sehen bei Sonnenaufgang nicht mehr die herrlichen Berge. Nachmittags Gewitter, die Stechmücken werden aggressiver. In der kleinen Klinik, wo ich als Arzt aushelfe, setzen sich Christen seit Jahren für Leprakranke ein. Nun kommen Patienten mit fürchterlichen Wirbelsäulen- und Beckenfrakturen, mit und ohne neurologische Ausfälle. Mit Lepra kennt sich das Personal gut aus, weniger jedoch mit frischen Verletzungen. Zwei wurden eingeliefert ohne Röntgenbilder, und ihre Prognose ist schlecht. Sie wurden operiert und die zerborstenen Wirbel chirurgisch stabilisiert. Aber da ist weder Gefühl noch Bewegung der unteren Extremitäten, also wenig Chance auf Besserung.
Wie kann man älteren Patienten mit Rückenverletzungen klarmachen, dass sie das Bett nicht verlassen dürfen, wenn sie mal müssen? Dann ein junger Mann mit instabilem Becken bei mehreren Ringfrakturen. Zum Operieren ist es oft zu spät. Wir legen die Behandlung fest und ich erkläre Patienten und Angehörigen die Lage, übersetzt von einer schweizerischen Mitarbeiterin. Darauf haben sie gewartet, nun sind sie beruhigt. Gerade werden einem Nepalesen Prothesen angepasst. Nachmittags ist Zeit für Ergo- und Physiotherapie. Da kämpfen dann Leprapatienten gegen Gelenkkontrakturen an. Ich mache hier ein Praktikum in Lepratherapie durch. Die Behandlung ist kostenfrei, finanziert durch Spenden.
Im Gottesdienst zwei Wochen nach dem Beben
Heute ist Samstag, Ruhetag in Nepal. Ich erlebe einen besonderen Gottesdienst mit, denn genau vor zwei Wochen bebte die Erde. Seither haben sich viele Christen freiwillig an Außeneinsätzen beteiligt. Die Gemeinde mit 300 Personen, die ich besuche, hat tonnenweise Reis und Lebensmittel in die betroffenen Gebiete gebracht. Nun schildern sie ihre Erfahrungen. Sie haben vielen Menschen auch seelsorgerlich geholfen und ihnen erzählt, wie sie durch Jesus Hilfe erfahren können. Ausländer haben an ihren Einsätzen nicht teilgenommen.
Nepal hat laut Statistik die weltweit am schnellsten wachsenden Kirchen. Sie sind jung. Die Leitung hatten von Anfang an Nepalis. Im zweieinhalbstündigen Gottesdienst sitzen alle auf dem Boden, Männer und Frauen getrennt. Als die Gemeinde betet, klingt es wie im Bienenkorb, eine Art Summen. Das entspricht ihrer Kultur. Dann üben sie den Ernstfall, ein Erdbebentraining im vollen Saal. Ruhe bewahren. Wann und wie das Gebäude verlassen? Wer durch welchen Ausgang? Nur am Schuhregal wird es eng, denn hier zieht jeder die Schuhe aus, bevor er das Gebäude betritt.
Unterwegs, mitten in Nepal
… ein schönes Erlebnis: Völlig unerwartet begegnen mir frühere Medizinerkollegen aus Ecuador. Zeitweise reisen wir im Auto miteinander, reden und essen gemeinsam. Der Austausch mit Kollegen tut mir gut.
Quelle: Theo Volland