(zg) Der Kreisverband Odenwald-Kraichgau von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatte zusammen mit dem Ortsverband zum Neujahrsempfang in die Stadthalle nach Sinsheim geladen.
Oberbürgermeister Jörg Albrecht richtete zu Beginn sein Grußwort an die zahlreichen Gäste aus der ganzen Region und verwies auf die in den nächsten Monaten beginnende Sanierung und Modernisierung der Stadthalle, die millionenschwere Investitionen erforderten. Kritische Fragen richtetet er nach Berlin bzgl. Ausbau Breitbandverkabelung und Autobahn A 6.
Stefan Seitz ging für den Ortsverband Sinsheim auf die Erfolge bei der Kommunalwahl ein, griff aber auch viele Themen auf, die in Sinsheim anstehen. Den PKW-Verkehr zu verlagern und den Flächenverbrauch einzudämmen, sieht er weiterhin als dringliche Anliegen grüner Kommunalpolitik. Dazu kämen neue Möglichkeiten, die sich durch die grün-rote Landespolitik auch für Sinsheim bieten: z.B. das Bildungsangebot im Rahmen einer Gemeinschaftsschule.
Für den Kreisvorstand griff Ingrid Behner nach einem Rückblick die aktuelle Lage auf: Fremdenfeindlichkeit und Rechtspopulismus dürften keine Antwort auf Terror von Islamisten oder anderen religiösen, gewaltbereiten Extremisten sein, rechtsextremer Fanatismus sei nicht weniger bedrohlich als der von religiösen Fanatikern.
Der prominente Gastredner Dr. Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, äußerte sich trotz der Terroranschläge in Frankreich zuversichtlich. Die Gesellschaft habe sich nicht spalten lassen. Gemeinsam müssten die Grundwerte der Demokratie verteidigt werden.
Hofreiter weiter: „Das letzte Jahr war dominiert von Außenpolitik“, die Auswirkungen seien deutlich spürbar. Noch vor wenigen Jahren stand im Weißbuch, dass Europa von einem Ring stabiler Staaten umgeben sei. Das stelle sich heute völlig anders dar. „Wir sind umgeben von einem Ring instabiler, zerfallender und sich auflösender Staaten – Verbrechen an der Menschlichkeit werden begangen und unzählige Menschen zu Flüchtlingen gemacht.
Trotz der beschämenden Demo in Dresden stehe ein großer Teil der deutschen Bevölkerung hinter den Flüchtlingen und unterstütze sie.
Wenn Politiker die Ängste der Menschen ernstnehmen wollen, dann müssten sie auch die Ängste von Menschen mit anderer Hautfarbe, anderer sexueller Orientierung, mit einer Behinderung oder Obdachlose ernst nehmen. „Und diese Menschen bekommen wieder zunehmend Angst durch die feindselige Stimmung, die ihnen von manchen entgegenschlägt.“
Doch Hofreiter mahnte nicht nur. Er bekräftigte insbesondere die Bedeutung von Demokatie und würdigte in diesem Sinne ausdrücklich das politische Ehrenamt. Die KommunalpolitikerInnen seien vor Ort präsenter als Berufspolitiker, weiß Hofreiter aus seiner eigenen Zeit als Gemeinde- und Kreisrat in Bayern. „Sie sind näher an den Menschen, sie machen Demokratie und Staat konkret erlebbar, greifbar, transparent und verständlich.“ Deshalb sei die Rolle der KommunalpolitikerInnen so wichtig für die Demokratie.
Zudem appellierte Hofreiter an die Verantwortung der Kanzlerin: Im Bundestag müssten endlich wieder lebendige, echte Debatten stattfinden. „Deshalb muss sich Kanzlerin Merkel endlich mal zu klaren Aussagen hinreißen lassen.“ Das Transatlantische Freihandelsabkommen führte Hofreiter als ein Beispiel für verfehlte Politik an: Ohne Transparenz und nachvollziehbare Debatten.
„Über diese Themen soll und muss in der Gesellschaft und im Bundestag gestritten werden. Wir brauchen offene und ehrliche Debatten, das sind wir unserer Demokratie und unserem Rechtsstaat schuldig, so Hofreiter weiter.
Auch bei anderen Themen fordert er die Kanzlerin heraus: „Man weiß um viele Probleme die kommen werden, da muss man nicht zuwarten. Zum Beispiel die Klimakrise. Mit unserem Verbrennen von Kohle, Erdgas und Erdöl verursachen wir einen Temperaturanstieg von 8,5 Grad- da brechen Großökosysteme zusammen. Wir wissen, dass wir was Grundlegendes tun müssen. Von den 10 dreckigsten Kohlekraftwerken stehen 5 in Deutschland, nicht in China oder sonst wo“.
Bezugnehmend auf Oberbürgermeister Albrechts Wunsch nach einem Ausbau der A 6, weist Hofreiter daraufhin, dass es leider übliche Praxis im Bundesverkehrsministerium in Berlin sei, viel mehr zu versprechen als über Jahre und Jahrzehnte finanzierbar sei.
Zum vermeintlichen Allheilmittel des „public-private-partnership“ (ppp) erklärt der grüne Politiker, der 2011-2013 Vorsitzender im Verkehrsausschuss war: PPP sei eine finanzpolitische Trickserei, Schulden zunächst nicht als solche erscheinen zu lassen – am Ende aber werde es deutlich teurer und müsse komplett vom Steuerzahler bezahlt werden.
Die vielseitige, kompetente Rede und seine ungezwungene Art brachten Hofreiter viel Anerkennung aus dem Publikum, wie auch der langanhaltende Applaus deutlich machte.
Die Kreispolitik rückte Ralf Frühwirt, Fraktionssprecher der Grünen im Kreistag Rhein-Neckar, ins Bewusstsein: „Viele Entscheidungen, die die Zukunftsfähigkeit der Kommunen oder die Daseinsfürsorge für ihre Bürger betreffen, fielen auf Kreisebene. Und viele Aufgaben seien von den Kommunen alleine, ohne den Kreis, kaum zu bewältigen. Bspw. der Ausbau des ÖPNV, überörtliche Radwegeinfrastruktur, schnelles Internet oder der Umbau der Energieversorgung.“ Auch im Bereich Flüchtlingshilfe sieht Frühwirt weiterhin wichtige Arbeitsfelder für die grüne Kreistagsfraktion.
Die Landtagsabgeordnete Charlotte Schneidewind-Hartnagel stellte in knappen Worten einige wesentliche Bemühungen der grünroten Landesregierung dar und sprach über die Konsolidierung des Haushalts bei gleichzeitigem Abbau des Sanierungsstaus der Vorgängerregierung. Objektive Kriterien müssten den Ausschlag für die Priorisierung von Investitionen geben.
Musikalisch umrahmt wurde das Programm am klassischen Konzertflügel und am Vibraphon von Gerrit Krispien. Das Publikum war über das stimmungsvolle und lebendige Spiel des jungen Musikers sichtlich erfreut.
Quelle: Inge Behner