(zg) Letzte Woche stieß das »zweite Rettungspaket« für Zypern europaweit auf Ablehnung. In den Medien war daraufhin eine überraschend persönliche Reaktion der deutschen Kanzlerin zu vernehmen. Sie sei stinksauer, ließ sie verlauten.
Merkel ist also wütend. Fein. Ich bin es nämlich auch.
Denn zur Mittagszeit sickerte die Nachricht durch: Der Bundesrat hat mit den Stimmen der SPD-geführten Länder und Baden-Württembergs das Leistungsschutzrecht durchgewunken. Und dies, obwohl die Länderkammer das Gesetz in einer Entschließung als den falschen Weg bezeichnet. Das macht mich offen gesagt fassungslos. Denn so ist es immer wieder in Wahlkampfzeiten: Drittklassige Gesetze werden trotz öffentlicher Kritik von der Opposition mitangenommen. Ein paar Monate später kann man sie dann der Regierung vorhalten und den Bürgerinnen und Bürgen, im Gegenzug für eine Stimme, versprechen, nach der Wahl alles besser zu machen.
Das ist absurd. Oder ist das die Regierungsfähigkeit, die uns Piraten angeblich fehlt? Ich meine: Ernsthafte Sachpolitik geht anders.
Ich bin fassungslos und sauer. Die Rechte der Bürgerinnen und Bürger auf ein freies Internet werden hier für Wahlkampfzwecke in Geiselhaft genommen. Und die Verlage bekommen ein Gesetz, nach dem sie nicht gerufen haben. SPIEGEL Online erklärt sogar, das gewonnene Recht nicht anzuwenden. So zeigt sich, dass der reformbedürftige Urheberrechtsbereich nach wie vor für die etablierten Parteien Schauplatz von Aktionismus und Mutlosigkeit bleibt. Dabei wäre ein zeitgemäßes Uhrheberrecht nicht nur für die Nutzer, sondern gerade für Kulturschaffende von Vorteil. Ich stelle mich hinter den 10-Punkte-Plan der Piratenpartei für eine solche Reform.
Wir sehen: Die Piratenpartei wird nicht nur als Ideengeberin und für neue, inhaltliche Impulse gebraucht. Sie steht auch für einem ganz neuen politischen Stil: Sachpolitik. Keine starren Abstimmungsrituale zwischen Regierung und Opposition, sondern flexible Mehrheiten, in denen sich die Wünsche und Bedürfnisse der Bürger besser widerspiegeln. Nur so kann das Parlamen den Inhalten gerecht werden, um die es geht. Politisches Taktieren wird dabei auf die Seitenlinien verwiesen.
Ein Verschleppen von Reformen als dringend erforderliche Reaktion auf gesellschaftliche Realitäten durch Fraktionszwang und Parteigezänke ist in vielen Bereichen festzustellen.
Ein Blick in alte Wahlprogramme verrät: Eine Parlamentsmehrheit für die Gleichstellung von Lebenspartnerschaften mit der Ehe hätte es schon nach der Bundestagswahl 2005 geben können. Dann könnten wir heute schon über die vollständige Gleichstellung aller Zusammenlebensformen sprechen. Die Aussetzung der Wehrpflicht hätte bereits 2007 erfolgen können, nicht erst 2011. Viele wichtige Entwicklungen hätten mit flexiblen Themenkoalitionen früher auf den Weg gebracht werden können. Wir müssen es nur tun.
Die SPD vertröstet uns auf ein besseres Gesetz nach der Wahl. Kanzlerkandidat Peer Steinbrück lässt in einem Blogbeitrag am Freitag erklären: »Die Aufhebung des schwarz-gelben Leistungsschutzrechtes und die Erarbeitung sachgerechterer gesetzlicher Regelungen wird zu den ersten Maßnahmen einer neuen rot-grünen Regierung gehören.« Wie bitte? Das hätten sie doch am selben Tag schon abräumen können!
Ich erwarte von der Bundestagsfraktion der SPD klare Worte. Zeigen Sie uns, Herr Binding, liebe SPD, ob Ihnen Inhalte und Sachpolitik wichtiger als Partei- und Wahlkampftaktik sind!
Quelle: Piratenpartei BW von Stevan Cirkovic