Sancho Pansa und Don Quichote – Einmal reicht nicht
Dieser Roman der Weltliteratur von Cervantes aus dem Anfang des 17. Jahrhundert zeigt auf, wie übermäßiger „Genuss“ der Scheinwelt jeglichen Bezug zu Realität und Selbstbewusstsein rauben und Menschen leicht verführbar machen kann.
Peter Schneider interpretiert das Thema – wie wir es von ihm schon aus der typischen Bearbeitung zahlreicher Stoffe der Weltliteratur kennen – unter ganz anderen Aspekten. Doch wir erkennen in beiden Bearbeitungen die Aktualität der Beeinflussbarkeit und deren Gefahren.
Was wäre wenn—-
Der Zuschauer kann wählen, ob er bezaubernd unterhalten werden oder während der gesamten Aufführung unzählige Anregungen, Mehrdeutigkeiten, Symbole suchen, finden und darüber weiter nachdenken will.
Bewusst zeigt Peter Schneider den Gästen seine Skizzen der Hauptfiguren. Wir erkennen die negative Figur mit der spitzen Nase, die auch Symbolik in der Javanischen Kunst hat und desgleichen die positive des Sancho mit der Knollennase. Manche erkennen in der Figur mit der Hakennase des Merlin einen jüdisch stämmigen Hinweis, den einige Literatur Historiker der Familie Cervantes zuordnen.
Sancho Pansa, als Weißhaariger nach 400 Jahren wieder für das Theater wieder-belebter Begleiter von Don Quichote (Hidalgo Alonso) führt durch die Geschichte, wie Peter Schneider sie sieht. Er zeigt, dass Sancho seinem „entrückten“ Herrn zahlreiche Angebote macht, die zunächst dessen Wunsch nahekommen aber dann Don Quichotte nach und nach aus seiner selbstzerstörerischen Scheinwelt herauslocken.
Wir erleben Rosinante, das „edle“ Ross, das so klapprig ist, dass es selbst der Pferdeschlachter nicht wollte und den klugen für manche Menschen verständlichen Esel Domenico, der Sancho trägt und unterstützt. Auf der Bühne erleben wir die bekannten heldenhaften Abenteuer im Kampf gegen Windmühlenflügel und eine „wilde“ Schafherde. Sie gipfeln in dem Einzug in eine vermeintliche Burg, die ein Gasthaus ist und deren schnauzbärtiger Wirt den tapferen Kämpfer mit einem Kochlöffel zum Ritter schlägt ohne dass Don Quichote die Absurdität eingestehen will.
Einzigartig gelungen erscheint uns die Wiedergabe der Begegnungen mit 2 Riesen, gespielt von Peter Schneider und Latrin Ohnhauser, und die mit Merlin, dem Zauberer. Sie tun Don Quichote nicht weh und so lässt er ein bisschen reales Leben zu. Die wirkliche Entzauberung erreicht die drastische Begegnung mit Dulcinea, einem fröhlichen Bauernmädchen, das keine Adlige ist, wie Don Quichote sie gerne sehen würde und die es eher zum bodenständigen Sancho Pansa hinzieht. Sie sagt klipp und klar, was Sache ist und lässt ihn die schädliche Scheinwelt hinter sich lassen. Don Quichote begibt sich in die schonende Obhut des Sancho und seiner Familie, von denen er sich bis zum (baldigen) Lebensende in seiner gewohnten Umgebung betreuen und führen lässt.
Wer dieses Stück in all seiner Symbolik und zarten Anspielungen bewusst verstehen will, muss es mindestens 2x als Zuschauer miterlebt haben.
Dazu sind am 22. um 19 Uhr und am Sonntag, 23. November um 17 Uhr im Wieslocher Marionetten Theater die besten Gelegenheiten. Nach diesen Vorstellungen verschwinden die Gestalten für 5-6 Jahre aus dem Programm.
Sie werden begeistert sein, egal ob Sie Unterhaltung oder Denkanstöße suchen. Die meisterhaft agierenden Fädenzieher lassen einen schnell vergessen, dass die Figuren manipuliert werden.
Wie einzigartig passt diese Darstellweise zu dem Thema des Stückes.
Bilder und Text vsk