Zu viel zu tun – zu wenig Kontrolle?
Kostenexplosion, Fehlplanung, Korruption – diese Dinge scheinen vor allem bei Großprojekten in Deutschland an der Tagesordnungen zu sein. Ob man nach Stuttgart, Berlin oder Hamburg schaut, überall scheitern Projekte oder es gibt Misswirtschaft. Eigentlich gibt es bei allen großen Unternehmen und Bauvorhaben ein Kontrollgremium, das solche Vorkommnisse verhindern soll – die Aufsichtsräte.
Viele dieser negativ auf das Bauvorhaben wirkenden Faktoren sind von der Politik und der Verwaltung hausgemacht. Dazu gehört oft eine deutliche Missachtung der elementaren gesetzlichen Vorschriften zum öffentlichen Bauen und zur öffentlichen Vergabe. Würden dagegen die bestehenden Vorschriften und Regularien sachgerecht angewendet, wären Kostenexplosionen gar nicht möglich.
Das ganze System der Kostenprognose bei öffentlichen Bauten ist krank, und verantwortungslos. Das hat systematische Gründe bei der Vergabe von Planungsleistungen.
Viele öffentliche Bauherren wollen sich in ihren Bauten sonnen und gieren nach Anerkennung und Architekturpreisen. Der Weg dahin führt über die freihändige Vergabe an einen Stararchitekten oder über einen Architekturwettbewerb. Freihändige Vergabe ist im öffentlichen Sektor aber nur bis zu einem Honorarvolumen von 200.000 € netto möglich, was einer Bausumme von etwa 2 Millionen € entspricht. Darüber hinaus ist bei öffentlichen Aufträgen ein europaweites Vergabeverfahren erforderlich. In vielen Bundesländern verordnen die zuständigen Verwaltungen einen Wettbewerb, wenn der Bauherr Zuschüsse aus der Kasse einer übergeordneten Verwaltungseinheit haben möchte, wenn es also um sogenanntes Fördergeld geht. Fast alle Planungsvergaben für Großbauten laufen deshalb über Wettbewerbe.
- Es werden keine umfassenden Bedarfsbeschreibungen erarbeitet.
- Es werden nicht ausreichende oder unrealistische Wirtschaftlichkeitsberechnungen erstellt.
- Weder bei der Bedarfsfeststellung noch im weiteren Verlauf der Bauplanung werden die
- Vorgaben der Haushaltsordnung eingehalten.
- Es werden keine Machbarkeitsstudien durchgeführt.
- Es werden keine hinreichenden Kostenvergleiche angestellt.
- Es werden keine Entscheidungsunterlagen mit Kostenobergrenze gefertigt. Es findet keine ausreichende Überwachung der genehmigten Planziele statt.
- Es erfolgt keine klare Aufteilung der Aufgaben und Kompetenzen.
- Es findet keine ausreichende Koordinierung aller Projektbeteiligten statt.
- Eine Früherkennung möglicher Termin-, Kosten- und Qualitätsstandardkollisionen wird
- unterlassen.
- Es wird keine Erfolgskontrolle der Ziele (Soll-Ist-Vergleiche) durchgeführt.
- Zielkonflikte (z.B. Lärmschutz- und Brandschutzmaßnahmen) werden nicht erkannt.
- Es findet keine rechtzeitige Feststellung finanzieller Auswirkungen auf die Haushalte statt.
Ließe sich noch erweitern.
Schließlich ist die Organisation eines Bauvorhabens immer dann mangelhaft, wenn der Bauherr hierfür kein eigenes Personal bereitstellt. Es ist eine Illusion zu glauben, ein komplexes Bauvorhaben lasse sich ausschließlich von Dritten steuern. Wenn ein Bauherr inkompetent oder indifferent auftritt, merkt das der gesamte Auftragnehmerkreis und wird sich an ihm entsprechend schadlos halten. Es ist der Bauherr, der die Rollen der am Bau Beteiligten vertraglich genau definieren und deren Einhaltung kontrollieren muss. Verantwortungsbereiche dürfen sich nicht überschneiden, weil dies nicht zu einer Verdoppelung der Verantwortung führt, sondern nur zu wechselseitigen Schuldzuweisungen. Vor allem aber muss man die politischen Instanzen von Anfang an mitnehmen: Sie sollten gebeten werden, die Planungsziele und die Wertungskriterien vorab zu billigen. Nur so kann die Gefahr nachträglicher Einflussnahmen auf den Bauablauf reduziert werden.
Hat sich die Politik dann aber einmal dazu durchgerungen, den Startschuss zu geben, muss alles ganz schnell gehen. Die Ausschreibung wird bekanntgemacht, obwohl regelmäßig die Vergabeunterlagen noch nicht fertig sind. Ergänzungen der Leistungsbeschreibung erfolgen im Laufe des Verfahrens, oft genug sogar erst nach dem Zuschlag, was natürlich Nachtragsforderungen der beauftragten Bauunternehmen zur Folge hat. Die dann vereinbarten Preise werden nicht mehr im Wettbewerb gefunden. Man kann deshalb sogar die paradoxe Situation beobachten, dass nachträgliche Auftragsreduzierungen, die die Kosten senken sollen, am Ende zu Mehrkosten führen.
Vielleicht eine Möglichkeit eine bessere Kostentransparenz herzustellen:
Eine Möglichkeit ist die, für größtmögliche Transparenz bei allen mit dem Bauprozess zusammenhängenden Vorgängen zu sorgen indem man eine Internetplattform aufbaut, die diese in einem Soll-Ist-Vergleich abbildet. Die Planungs- und Umsetzungsschritte sowie Kalkulationen und Zahlungsflüsse müssten möglichst detailliert beschrieben, die Verfahrensbeteiligten genau benannt werden. Wenn alle am Bauprojekt Beteiligten wissen, dass ihnen bei jedem ihrer Schritte die Öffentlichkeit quasi über die Schulter schaut, werden sie schon allein dadurch vorsichtiger und umsichtiger handeln. Mögliche Fehlerquellen könnten eventuell frühzeitiger erkannt und dadurch vermieden werden. Die Verwaltung könnte weniger leicht von Bauunternehmen unter Druck gesetzt werden. Es ist durchaus realistisch, dass angesichts der hohen Gesamtkosten des Sinsheimer –Stadthallen- Umbaus mit einer solchen, relativ leicht umzusetzenden Internetplattform eine Kostendämpfung realisiert werden können. Viele Bürger der Stadt würden gerne mithelfen, diese Einsparungen mit wachen Augen sicherzustellen.
Bürgerhaushalte:
Aktive Einbindung des Bürgers in Budgetentscheidungen und Mitbestimmung über die Verwendung von Mitteln. Dies umfasst ebenso die Diskussion um Zielsetzung der Budgetzuweisung, Entscheidungen über Einsparpotenzial sowie Erfolgskontrolle durch gemeinschaftliche sach- und fachgerechte Bewertung. Erfolgreich Beispiele wie in Köln zeigen, dass diese Form der Partizipation auf ein großes Interesse bei den Bürgern stößt.
Hans-Gilbert Schröder