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Suchtpolitik statt Drogenkrieg

20. August 2013 | Das Neueste, Piratenpartei

Der Wunsch nach Rausch und das Phänomen der Sucht gehören von alters her zu allen Kulturen der Welt. Verweigert sich die Politik dieser Erkenntnis und setzt auf Verbote, bilden sich florierende Schwarzmärkte als Nährboden für organisierte Kriminalität. In den Erzeugerländern haben so kriminelle Banden längst dem Staat das Gewaltmonopol aus den Händen genommen. Alleine in Mexiko erreichen die jährlichen Opferzahlen inzwischen fünfstellige Werte.

Am anderen Ende des Vertriebsweges steht der Konsument durch die aktuelle Repressionspolitik in der letzten Reihe: es fehlen Qualitätskontrollen und Verbraucherschutz. Hemmungslos werden gestreckte und falsch gekennzeichnete Substanzen in Umlauf gebracht, oftmals mit hohem gesundheitlichen Risiko für die Konsumenten. Diese stehen der Situation hilflos gegenüber. Sie sind meist unzureichend über Drogen und ihre Wirkung aufgeklärt, und ihnen fehlt die Möglichkeit niedrigschwelliger Nachfrage, denn sie müssten ja eingestehen, etwas verbotenes zu tun. In Zeiten allgegenwärtiger Überwachung wird ja oft schon der Besuch einer einschlägigen Beratungsseite im Internet als Risiko empfunden. Auch die Möglichkeit, eine Stoffprobe einer fachkundigen Analyse unterziehen zu lassen (sog. Drug Checking) wird von überholter Drogen- und Suchtpolitik konsequent übergangen..

Aus einem für Erwachsene aus sucht- und allgemeinmedizinischer Sicht ergleichsweise harmlosen Joint wird so z.B. durch Beimischung von Brix, Haarspray oder Bleistaub eine wirklich gefährliche Substanz. Giftige Beimischungen im Straßenheroin (Rattengift und Backpulver sind da nur die Spitze des Eisberges) sind die Hauptursache für die Verelendung der Abhängigen. Der Suchtstoff selbst spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Und im Dunkel des illegalen Erwerbs gelangen Extasy-Tabletten unbekannter Herkunft und Wirkstoffgehalts in die Hände von Jugendlichen mit mangelndem Problembewusstsein. Prominente Beispiele, die von der Drogenpolitik deutscher Regierungen bisher mit dem Scheinargument “Die müssen das ja nicht nehmen” als unwesentlich abgebügelt wurden. Glücklicherweise zeigen sich jedoch überall auf der Welt ermutigende Entwicklungen, die nach sorgfältiger Beobachtung der wirkenden Regelkreise an der richtigen Stelle ansetzen. An diesen müssen wir uns ein Beispiel nehmen:

“Krieg gegen die Drogen” zu führen ist sinnlos. Eine zielorientierte Drogen- und Suchtpolitik führt stattdessen Rauschmittel aus der Kriminalität heraus und trocknet damit eine wichtige Geldquelle des organisierten Verbrechens aus. Die Milliarden, die vorher für die Bekämpfung der Drogenkriminalität eingesetzt wurden, werden in akzeptierende und vorurteilsfreie Aufklärungsarbeit und Hilfsangebote investiert, die Abhängigkeit verhindern helfen und ihre Folgen lindern.

Welche Früchte bereits kleine Schritte in diese Richtung tragen, zeigt der seit Jahren steil abwärts zeigende Trend an Hepatitis-Infektionen und sogenannte “Drogentoten” in Portugal. Dort wurde 2001 eine zaghafte Entkriminalisierung der Konsumenten vorgenommen. Parallel hat man intensiv vor allem in die schulische Prävention investiert. Auch wenn nun im Vergleich zu vorher mehr Menschen einmal illegale Drogen (wohl vornehmlich Cannabis) “probieren”, geht der regelmäßige Drogengebrauch vor allem bei jungen Menschen zurück. Wir werten das als ermutigendes Signal, das leider von der Bundesregierung mit dem Scheinargument “Bei einem Wegfall der Verbote sinkt die Hemmschwelle zum Drogenkonsum” beständig ignoriert wird.

In zwei amerikanischen Staaten haben Volksabstimmungen dazu geführt, dass eine weitgehende Freigabe des Cannabis-Besitzes von bis zu 1oz (ca. 30g) erfolgte. Auch Parlamente, wie jüngst in Uruguay, kommen langsam auf den Trichter. Und so sind wir hoffnungsvoll, dass sich die Erkenntnis aus den positiven Beispielen auch hier durchsetzen wird.

Wir PIRATEN haben uns daher eindeutig positioniert: Ein Drogenkonsument darf niemals bestraft werden für Anbau, Herstellung, Erwerb oder Besitz von Rauschmitteln für den Eigenbedarf. Perspektivisch sollen Drogenkonsumenten auch legale Versorgungswege eröffnet werden.

Bei Jugendlichen ist die Gefährdung auch bei Konsum von als vergleichsweise harmlos wahrgenommen Rauschmitteln erheblich größer als bei Erwachsenen. Daher müssen sie besonders geschützt werden. Dies sollte Anlass zur Intensivierung schulischer Aufklärung sein, da bloße Verbote bei Jugendlichen keine besseren Erfolge zeigen, als bei Erwachsenen. Legale Vertriebskanäle können wir leichter von Jugendlichen fernhalten und dennoch den Reiz des Verbotenen mindern.

Auch Konsumenten sogenannter “harter” Drogen (also solcher illegaler Drogen, bei denen eine hohe Selbstgefährdung oder ein besonders hohes Abhängigkeitspotential angenommen wird) müssen frei von der Angst vor Strafe sein. Gerade hier sind nämlich ein offener Umgang und gute Hilfsangebote zur Schadensminimierung besonders wichtig. Im illegalen Umfeld lässt sich das nicht umsetzen.

Wir PIRATEN werden uns daher im Bundestag dafür einsetzen, dass diese notwendigen Schlüsse aus den offen vor uns liegenden Tatsachen endlich gezogen werden. Wir werden dabei die Zusammenarbeit mit allen gesellschaftlichen Gruppen suchen, die einer fortschrittlichen Suchpolitik offen gegenüber stehen. Ritualisierte Abstimmungen, wo auch vielversprechende Ansätze des politischen Gegners abgelehnt werden, weil man das eben so macht, wird es mit uns nicht geben.

Darüber hinaus wollen dafür sorgen, dass Alkohol und Tabak aus ihrem Ruf als gesellschaftsfähige “Alltagsdrogen” herauskommen.

Bei genauerem Hinsehen zeigt sich nämlich, dass diese Drogen sowohl für den Einzelnen, als auch aus Sicht der Gesellschaft schädlicher sind, als viele heute illegale Drogen. Aber wir wollen das nicht durch Einschränkung von Freiheitsrechten erreichen, sondern durch Abbau von aus kommerziellen Gründen gesetzten Konsumanreizen. Daher sprechen wir uns auch für präzisere Deklarationspflichten und insbesondere für ein komplettes Werbeverbot für alle Drogen aus. Wenn es nach uns geht, dürfte im Kino nicht mehr für Zigaretten und an der Tankstelle nicht mehr für Alkohol geworben werden. Ebenso gäbe es in Supermärkten keine besonders einladend gestalteten Wein- und Spirituosen-Abteilungen. Der Vertrieb aller Drogen bliebe besonders lizenzierten Fachabgabestellen vorbehalten, zu denen Jugendliche keinen Zutritt haben.

Und wie steht es bei medizinischem Cannabis? Als Politiker stellen wir keine Diagnosen. Wir sehen es als im Entscheidungsspielraum des Arztes an, welches Medikament für den Patienten das bestgeeignete ist. Wenn dies ein Cannabinoid ist, möglicherweise der Echtstoff, dann können wir keinen Grund erkennen, warum dies nicht – wie jedes andere Medikament auch – verschrieben und von der Krankenkasse bezahlt werden sollte.

Ähnlich wie bei der Straffreistellung der Drogenkonsumenten ist es auch hier wieder ein Federstrich, der nach Überwindung von Vorurteilen sofort das Leid vieler Menschen lindern kann.

Wir hoffen, dass viele Menschen sich dieser Sichtweise anschließen können, denn wir brauchen ab 22.9. eine starke Fraktion im Bundestag, die eine machtvolle Stimme für die Menschen und für eine menschenwürdige Politik erheben kann. Im Bereich der Drogen- und Suchtpolitik, aber auch in vielen anderen Bereichen, in denen falsch verstandene Schutzbedürfnisse zu unhaltbaren Zuständen führen.

Quelle: Stevan Cirkovic

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