(zg) Noch vor einer Woche wäre jeder müde belächelt worden, der auch nur einen Abklatsch der Realität hinter vorgehaltener Hand getuschelt hätte. Heute frage ich mich nur noch: Was kommt morgen ans Licht? Wer wurde noch bespitzelt? Was wurde noch abgehört? Welche Grundrechte wurden noch mit Füßen getreten?
Der Kampf gegen den Terrorismus im In- und Ausland ist vollkommen aus dem Ruder gelaufen: Der weltweite Internetverkehr wird durch Programme wie Prism und Tempora ohne Anlass und ohne Hemmungen überwacht. In einem unverständlichen Akt der Paranoia hören die US-Geheimdienste nicht nur die Bürger ihrer befreundeten Nationen in Europa ab, sondern auch gleich deren Regierungen. Alles Terroristen halt.
Sind NSA, CIA und Co. noch unter Kontrolle der Obama-Regierung? Wenn nicht: schlimm genug. Wenn doch: noch schlimmer. Beides entbindet den einstigen Hoffnungsträger Barack Obama aber nicht von seiner Verantwortung, nicht von seinem Eid auf die Verfassung seines Landes, die einst eine vorbildliche war.
Und der BND mischt munter mit und tauscht spannende Daten über ihre Bürger mit den Vereinigten Staaten aus. Kein Wunder, wenn man sie nicht selbst ausspionieren darf. Aber wozu hat man schließlich Freunde? Hatten wir eigentlich nicht auch mal ein vorbildliche Verfassung?
Das Vertrauen ist zerrüttet: Das Vertrauen zwischen Europäern und Amerikanern. Das Vertrauen zwischen Großbritannien und den übrigen EU-Mitgliedsstaaten. Und, am schlimmsten, das Vertrauen zwischen Bürgern und Staat. Und mit was? Mit Recht. Ich sehe keine transatlantische Wertegemeinschaft mehr. Rechtsstaat? Fehlanzeige!
Nun ist es Zeit für uns, die Bürger. Zeit zu handeln. Amerikanern, Briten, überhaupt allen geheimen Diensten müssen Grenzen aufgezeigt werden! Ich fordere daher einen Sonderausschuss im Europäischen Parlament, der die Vorgänge restlos aufklärt und politisch bewertet. Verhandlungen über transatlantische Freihandelsabkommen müssen solange eingefroren werden. Alle Abkommen zum Datenaustausch, die die Piraten aus guten Gründen seit langem kritisieren, müssen sofort ausgesetzt werden. Europa muss die Daten seiner Bürger schützen, so gut es noch geht.
Aber auch in Europa selbst ist es zum Sündenfall gekommen: Noch ungehemmter als die USA haben die Briten ihre strategische Position im Internet ausgenutzt, um nahezu alles abzuhören und wegzuspeichern, das durch ihre Leitungsknoten lief. Und die Regierung in London geht auf Tauchstation. Nicht einmal eine klare Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung kann sie sich abringen. Das widerspricht dem Geist der Europäischen Verträge und daher muss ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbritannien eingeleitet werden.
Deswegen müssen wir handeln: 22 Piratenparteien aus ganz Europa haben auf antiprism.eu/de einen Sechs-Punkte-Plan aufgestellt. Soll der Zusammenhalt in Europa durch solche Zerwürfnisse nicht gefährdet werden, müssen die folgenden Maßnahmen sofort umgesetzt werden:
- Whistleblowern muss Schutz und politisches Asyl gewährt werden
- Alle Fakten müssen rückhaltslos aufgeklärt und offengelegt werden
- Der Datenschutzes muss auf europäischer Ebene gestärkt werden
- Ein internationales Abkommen zur Freiheit des Internets und zur Netzneutralität muss abgeschlossen werden
- Software zum Schutz der Privatsphäre muss gezielt gefördert werden
- Ein europäisches PRISM muss verhindert werden
Die PIRATEN sind, jetzt noch viel mehr als vor dem sich langsam vor uns ausrollenden Skandal, die einzige Partei, die Bürgerrechte und Datenschutz glaubwürdig vertritt. Zum Schutze unserer Daten, zum Schutze Ihrer Daten brauchen wir eine starke Piratenfraktion im Deutschen Bundestag. Sie haben am 22. September die Gelegenheit, dazu beizutragen. Und Sie können das auch bedenkenlos tun, denn dass Sie diesen Text im Internet gelesen haben, wissen die Geheimdienste dieser Welt jetzt ohnehin.
Post Scriptum: Whistleblower Edward Snowden hat in Deutschland und elf anderen europäischen Ländern politisches Asyl beantragt. Ich spreche mich im Sinne des oben geschriebenen dafür aus, ihn hier aufzunehmen. Es wäre beschämend, wenn er unter den von Putin diktierten Bedingungen oder in undemokratischen Ländern Unterschlupf finden müsste.
Quelle: Piratenpartei Rhein-Neckar/Heidelberg