(zg) Der Winter 2001/2002 war in der Zeit von Weihnachten bis Mitte Januar mit bis zu 20 Grad Minus ganz schön kalt. In dieser Zeit lagen 20-30 cm Schnee. Die Winter vorher waren nicht so kalt. Unsere wunderschönen über drei Meter großen Fächerpalmen hatten wir ausgepflanzt, ebenso den großen rot blühenden Oleander. Mit speziellem Fließ und bei tiefen Temperaturen zusätzlich mit einer Luftpolsterfolie hatten wir die Pflanzen eingepackt. Ein Gärtner meinte, dass bei Minustemperaturen bis 10 Grad die Pflanzen eine Chance hätten. Bei 20 Grad Minus würden sie nicht überleben. Er hatte recht.. .
Nun meine liebe Frau meinte, dass die Vögel jetzt schwerlich zu Futter kommen und ich sollte doch ein Futterhäuschen bauen. Es brauchte schon einige Tage bis ich dazu bereit war. Was sollte ich für Material nehmen? Schön wären Birkenäste. Aber wir haben keine Birken auf dem Grundstück. Also schaute ich in meinem umfangreichen Materiallager nach. Ich muss dazu bemerken, dass ich nicht nach einem Plan mit exakter Stückliste arbeiten kann. Ich bewundere deshalb die Handwerker und Architekten, die vorher Maße und Material genau berechnen.
Zuerst suchte ich mir die Bodenplatte, ein Holzbrett. Es sollte aber wetterfest sein. Schließlich fand ich ein massives ehemaliges Rollbrett ohne Räder aus geleimtem wetterfestem Holz. Es war aber schon ein Mordsding mit 60 cm auf 35 cm. Für das Dach sägte ich ein Brett in zwei Teile. Für die Pfosten und die Dachkonstruktion verwendete ich reines Naturmaterial. Hinter unserem Garten wachsen alle möglichen Bäume und Sträucher. Ich suchte mir schwache Äste einer Hainbuche heraus. Sägte sie auf die notwendigen Längen und schon konnte es losgehen. Natürlich sehr umständlich. Einem Schreiner oder Zimmermann wären die Haare zu Berge gestanden. Aber was solls.
Stabil musste das Häuschen sein. Die Äste waren wunderbar krumm; sie sollten auch nicht gerade sein. Ich verschraubte sämtliche Verbindungen. Mit einem Holzbohrer bohrte ich die Löcher vor, damit das Holz beim Hineindrehen der Schrauben nicht reißen konnte. Vorhandene Seitenäste an der Giebelverkleidung ließ ich stehen, um später Meisenklöße daran aufzuhängen. Für die Dachabdeckung hatte ich noch Schindeln vom Pavillon, das machte sich gut. Nun hatte ich gelesen, dass die Futterstelle ganz abgedeckt und vor Regen geschützt sein sollte. Das war nicht ganz der Fall. Also hatte ich die Idee eine schöne rechteckige Plastikschale in das Häuschen zu stellen. So wird das Futter nicht nass und ich kann die Schale gut reinigen
Ein perfektes Futterhäuschen war entstanden. Durch die Verschraubung ist es so stabil, dass man es an allen Stellen anpacken und transportieren kann. Allerdings ist es auch recht schwer. So was kann man nicht kaufen.
Es sollte auch keine Katze das Futterhäuschen erreichen. Deshalb verschraubte ich das Häuschen auf einem kräftigen Pfahl und stellte es in die Ecke der Terrasse so auf, dass man es vom Esszimmertisch aus gut einsehen kann. In der Folge konnten wir beim Frühstück oder auch tagsüber sämtliche Vögel beobachten, welche die Futterstelle besuchten.
Wir haben jede Menge Vogelbücher. Die legten wir neben uns und dann ging es los mit der Einordnung und Identifizierung der Vogelarten.
Über die Amsel muss man nicht viel nachdenken. Sie ist unter den heimischen Singvögeln der größte Vogel und demzufolge auch sehr dominant. Sie verjagt die anderen Vögel grundsätzlich und setzt sich mitten in die Futterstelle. Wir haben jetzt den 1. Februar und bald wird sie wieder den schönsten Gesang ertönen lassen. Deshalb dürfen die Amseln bei uns im Garten grundsätzlich alles. Sie dürfen die Kirschen und sonstigen Gartenbeeren naschen, das macht uns nichts aus. Nur ärgert sich meine Frau immer wieder, wenn die Amseln die anderen Vögel im Futterhäuschen verjagen. Sie griff in die Natur ein und ging wütend auf die Terrasse und verjagte die Amseln. Einige Zeit half dies, dann war es wieder wie vorher.
Ich bin aber nicht besser und mache es im Prinzip genau so falsch.
Es war im Sommer 2001. Wir hatten unseren Barbarossa, einen japanischen Koi, einen Kohaku, im Teich eingesetzt. Einen wunderschönen Fisch mit sattem Rot und reinem Weiß. Er hatte eine ganz schöne Stange Geld gekostet. Kaum war er im Teichwasser, setzte eine Verfolgungsjagd von den anderen Fischen ein. Hinter Barbarossa, trotz des männlichen Namens ein Weibchen, rasten die Männchen den ganzen Tag so hinterher, dass es uns Angst und Bange wurde. Ich nahm den Käscher und störte nachhaltig die Verfolgungsjagd.
Grünfink war der Schlimmste. Aber auch der alte Waldi, Mohrle und noch ein paar Gesellen drehten fast durch. Ein paar mal habe ich Grünfink ein bisschen mit dem Käscher erwischt. Ich musste nur den Käscher hoch heben und schon drehte der vitale Bursche ab. Wir riefen dann den Händler an und der lachte nur und sagte, wenn das der Koi nicht aushalten würde, tauge er nichts. Eine mutige Behauptung des Händlers, die aber offensichtlich stimmte.
Ich will damit nur sagen, dass man nicht in die Natur eingreifen soll.
So war es auch mit der Amsel. Eines Tages erschienen am Futterhäuschen ein Pärchen Kernbeißer. Wunderschöne Vögel mit kräftigen Schnäbeln. Und was geschah? Sie verjagten die Amseln und die anderen Vögel konnten mit ihnen friedlich fressen.
Meine Frau freute sich am meisten darüber.
Obwohl das Futterhäuschen recht versteckt ist, es stehen unser Kirschbaum und Palmkatzenbaum und Nachbars Fichten davor, fanden es alle Vögel doch recht schnell. Irgendwie hat es sich herumgesprochen, dass es bei uns gutes Futter gibt. Und sie kamen in Scharen. Jede Menge Buchfinken und Grünfinken. Kohlmeisen, Blaumeisen und Gimpel auch Dompfaffen genannt. An manchen Tagen zählten wir bis zu zwanzig Distelfinken, die man auch Stieglitze nennt. Sie sind die wohl farbenprächtigsten Vögel bei uns.
Immer vor unserem Frühstück bekamen unsere gefiederten Freunde frisches Körnerfutter. Die Futterschale wurde vorher ausgewaschen und schön abgetrocknet. Das Futter war geradezu köstlich. Sonnenblumenkerne, Erdnüsse und Hanfsamen. Ich hätte es auch selber essen können. Man konnte förmlich sehen, wie es den Herrschaften schmeckte
Apropos schmeckte: Ich sitze hier an meinem inzwischen geliebten Computer. Nebenbei verfolge ich das Länderspiel Deutschland-Israel. Nach der ersten Halbzeit stand es 0:1 für Deutschland. Ein Trauerspiel. In der zweiten Halbzeit ging es dann los. Miroslav Klose schoß zwei Tore, dann Haman eins, gefolgt wieder von Klose. Und das Schönste: Inzwischen wurde Bierhof eingewechselt, der dann nach ewig langer Durststrecke ein wunderschönes Kopfballtor machte. Damit nicht genug. Kaum war Asamoa eingewechselt, schoss er das sechste Tor. Die Israelis taten mir nun leid. Jetzt musste auch noch Lars Ricken zu allem Überfluss und nach 15 Länderspielen ohne Torerfolg das siebte Tor schießen.
Ich trank mit Genuss einen Cognac und aß mindestens vier Stückchen von der verteufelt guten Kokos-Schokolade. Dann habe ich geistesgegenwärtig den Rest der halben Tafel Schokolade meiner Frau übergeben.
Das Fußballspiel endete mit 7:1 Toren für Deutschland.
Vor dem Frühstück müssen zuerst die Fische im Aquarium bedient werden. Ein paar Schleierschwänze, ein Goldfisch und Erwin, der Wels. Letzterer muss besonders gefüttert werden, da die gefräßigen Schleierschwänze und der Goldfisch immer die Futtertabletten, die für Erwin bestimmt sind, wegschnappen. Ich hatte mir ein ca. 30 cm langes Stück von einem Halbzollschlauch abgeschnitten. Durch den Schlauch fielen nun die Futtertabletten genau vor die Nase von Erwin. Alle wurden somit satt.
Jetzt erst kam ich dran. Meine Frau hatte mit dem Frühstück natürlich schon angefangen. Während wir nun so in aller Ruhe frühstückten, beobachteten wir unsere Vögel im Futterhäuschen. Mit dem kleinen Fernglas konnten wir bis ins Detail die verschiedenen Vögel sehen und bestimmen. Es war ein Naturschauspiel ohne gleichen.
Wir lernten die Hausspatzen von den Feldspatzen zu unterscheiden. Typisch für den Feldspatz oder Feldsperling ist der schokoladenbraune Oberkopf. Wir dachten schon, dass die in Scharen auftretenden Vögel seltener geworden sind, bis sie eines Tages auch in unserem Futterhäuschen auftauchten. Die Spatzen sind richtige Allesfresser. Auch die Meisenknödel verschmähten sie nicht und akrobatisch hingen sie wie die Meisen an den Knödeln.
Ein besonderes Erlebnis war es, als ich im Gebüsch zwei winzig kleine Vögelchen beobachten konnte. Bisher dachte ich, dass der Zaunkönig der kleinste hiesige Vogel wäre. Aber dem ist nicht so. Diese Vögelchen hatten einen geraden Schwanz, beim Zaunkönig steht er fast rechtwinkelig nach oben. Auffällig waren an den Köpfchen goldfarbene Scheitelstreifen. Die Bestimmung anhand meiner Bücher war relativ einfach. Es war ein Pärchen „Wintergoldhähnchen“. Ich hatte im Leben noch nicht diese wunderschönen Vögelchen gesehen.
Eine besondere Freundschaft schloss ich mit einem Rotkehlchen. Wenn ich mich im Garten aufhielt, war es ständig in meiner Nähe. Es kam bis auf 50 cm und manchmal noch näher an mich heran. Ich redete regelrecht mit ihm und manchmal kam ich mir schon vor wie der heilige Franz von Assisi bei der Vogelpredigt. Unsere Nachbarn werden sicherlich denken, dass der alte Skroby sich wieder sonderbar benimmt. Aber das ist mir egal. Im Herbst hatte ich über den Bachlauf und unter dem Kirschbaum ein Laubfangnetz gespannt. Ich dachte dabei nicht an die Gefahr für die Vögel und Libellen. Tatsächlich verfing sich eines Tages mein Rotkehlchen in dem engen Netz. Es hatte sich richtig stranguliert. Ich befreite es hastig und konnte es retten. Sofort entfernte ich sämtliche Laubfangnetze am Bach und Teich. In der Folge war es jeden Tag am Futterhäuschen, Bescheiden pickte es am Boden die Körner auf, die vom Futterhäuschen heruntergefallen waren und überließ den anderen Vögeln die guten Plätze am Futtertrog. Meine Frau und ich hatten unsere Freude an dem Treiben. Doch dann passierte es, das Unglück. Wir hatten die Terrassentüre wegen des schönen Wetters offen stehen lassen und unser Rotkehlchen spazierte in die Wohnung. Es lag tot vor dem Wohnzimmerfenster. Wahrscheinlich fand es nicht mehr aus der Wohnung und war gegen die Fensterscheibe geflogen. Mir kamen die Tränen. Ich wollte das Rotkehlchen beerdigen, wie alle unsere Tiere nach ihrem Ableben beerdigt wurden und legte es auf eine
Holzscheibe, die auf dem Terrassentischchen lag. Erst später kam ich dazu. Das Rotkehlchen war aber nicht mehr da. Allerdings hatte ich Herrn Schmidt, den roten Kater von einem Nachbarn gesehen, als er gerade um die Ecke bog. Ich hatte einen dringenden Verdacht.
Inzwischen ist der Schnee geschmolzen. Die Vögel haben es nicht mehr nötig gefüttert zu werden. Sie finden nun wieder genug Futter in der freien Natur. Trotzdem geht unser Blick beim Frühstück immer wieder zum Futterhäuschen. Unser Sputnik, unser unvergessenes Kätzchen, ist inzwischen leider verstorben. Meine Frau hat schon jede Menge Lichter verbrannt, die sie immer wieder zum Gedenken anzündet. Allein die Vögel im Garten werden es zu schätzen wissen, dass es Sputnik nicht mehr gibt. Wir werden uns nach Blaky, unserem „Hundesohn“ und Sputnik unserem „Katzenmädchen“ eine lange Pause auferlegen. Die Zukunft wird es zeigen, ob wir wieder auf den Hund oder die Katze kommen. Auf jeden Fall waren es schöne Zeiten.
Quelle: Adolf Skrobanek