(zg) Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh hat in einem Brief an alle Pfarrämter die Kirchengemeinden dazu aufgefordert, zu „Kristallisationspunkten“ zu werden, um sich der Frage zu stellen, wohin die Gesellschaft sich entwickeln solle und mit den Menschen nach Wegen aus der Verunsicherung zu suchen.
Gemeinden sollten Möglichkeiten eröffnen, sich der Frage zu stellen: „Wohin wollen wir – in unserem Umgang miteinander, mit der Natur, mit den fernen Nächsten?“, so der Landesbischof. „Digital oder leibhaftig – mit dem nötigen Abstand, im nachbarschaftlichen Gespräch, beim Anruf durch den Besuchsdienst, auf dem Nachhauseweg nach der Predigt, in neuen kreativen Formaten.“
Er habe selbst einige Briefe von verunsicherten Menschen in den letzten Tagen erhalten. „Manche dieser Briefe schimpfen, dass Kirche sich einspannen lässt von den bösen Mächten. Andere lese ich aber auch als Versuch, Kontakt aufzunehmen und spüre die Hoffnung, dass der Glaube Wege aus der Enge und der Angst eröffnet. Ich wünsche mir, dass wir als Mitarbeitende im Verkündigungsdienst, wo es möglich ist, mit diesen Menschen ins Gespräch kommen. Weil wir uns nicht von ihrer Fixierung anstecken lassen, Identität durch Abgrenzung zu gewinnen, sondern uns trauen, mit Christus auf sie zuzugehen und mit ihnen nach Wegen aus der Verunsicherung und nach Versöhnung zu suchen.“
Zugleich müsse man allerdings deutlich bleiben, wo rote Linien überschritten würden, so der Bischof. „Da wo Menschen verachtet werden, wo Hass gegen Personen des öffentlichen Lebens geschürt und zuweilen gar Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung akzeptiert wird, da wo Rassismus befördert wird!“
Die Demonstrationen der letzten Woche hätten gezeigt, wie fließend die Übergänge in den Rechtsextremismus und in eine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit seien, wie schnell auch gerade der Antisemitismus wieder hervorgeholt und jüdische Menschen zur Projektionsfläche für alles Fremde, Andere, Böse würden. „Solchen Entwicklungen müssen wir als christliche Kirche, aber auch als einzelne Gläubige deutlich und klar und offensiv widerstehen!“
Gottvertrauen mache frei davon, die Welt in Gute und Böse einteilen zu müssen, so Cornelius-Bundschuh. „In der Kraft des Geistes leben wir auf dieser Erde mit all ihren Ambivalenzen, auch in unserer Gemeinschaft, auch in uns. Wir sind in Konflikten handlungsfähig, weil Christus mit uns geht und uns versöhnt hat, mit Gott, miteinander, gerade auch mit denen, die uns fremd sind.“
Quelle: Alexandra Weber