(zg)Während die Lästerer und Neider, an denen Hoffenheim von jeher keinen Mangel hat, der TSG nach der Niederlage in Frankfurt die Daumen für den endgültigen Weg nach ganz unten drücken, hinein in den direkten Abstieg, sind die Verantwortlichen akribisch damit befasst, die sportlichen Defizite der jüngeren Vergangenheit aufzuarbeiten. Nach dem zweiten Spieltag der Rückrunde „weiter so“ zu sagen, dazu haben beide, Lästerer und Verantwortliche, ihre spezifischen, denkbar verschiedenen Gründe. Und welche sind stichhaltiger?
Für die Lästerer ist klar, dass 1899 Hoffenheim jetzt die Quittung bekommt. Wofür eigentlich? Im Grunde dafür, dass man diesem Fußballverein, der so ganz anders ist als die meisten, den Erfolg einfach nicht gönnt – was immer damit gemeint sein mag. Denn dass die TSG nach der legendären Herbstmeisterschaft alsbald, und zwar unter Ralf Rangnick, den blitzartigen Erfolg bereits eingebüßt hatte und sich, wenig beneidenswert, über Jahre im unteren Mittelfeld der Liga etablierte, spielt im Weltbild der Lästerer keine Rolle. Es leuchtet ihnen auch nicht ein, dass ein junger Verein viele Erfahrungen im Zeitraffer machen muss, gute wie schlechte, und dass der Kampf gegen den Abstieg nun mal zu den unumgänglichen Erfahrungen im Profifußball gehört.
1899 Hoffenheim steht also, was das Mitfühlen, das Mitfiebern und die Sympathie anbelangt, ziemlich allein da. Umgekehrt wird, was immer in und um Hoffenheim geschieht, maximal negativ ausgelegt. Das bekam und bekommt Tim Wiese zu spüren, der für ausnahmslos jedes Gegentor verantwortlich gemacht wird, egal wie die Defensive vor ihm agiert. Das bekam auch Manager Müller zu spüren, als die denkwürdige Demission von Marvin Compper vornehmlich gegen die TSG ausgelegt wurde. Und auch die Fans der TSG spüren, was es heißt, fest zu ihrer Mannschaft zu stehen, indem sie fast nur negative Meinungen über ihren Verein zu hören und zu lesen bekommen.
Akribische Arbeit
Dass Manager Müller da letzte Woche mal der Kragen platzte, kann man gut verstehen. Es war ein Zeichen in Richtung aller, die glauben, dass Hoffenheim keine positive Zuwendung verdient. Kampf und Leidenschaft finden eben nicht nur auf dem Rasen statt, sie sind beim Handeln und Fühlen für die TSG ebenso wichtig. Am wichtigsten aber ist natürlich die akribische Arbeit, um die TSG wieder in die Spur zu bringen – und genau dafür lieferte auch das Spiel gegen Frankfurt interessante Aspekte.
Wenn man bedenkt, wie desolat sich der mannschaftliche Zusammenhalt in der Hinrunde entwickelt hatte, wie weit das Mannschaftsgefüge schon auseinandergefallen war, sind die Spiele gegen Gladbach und Frankfurt jeweils ein großer Schritt in die Gegenrichtung. Die Mannschaft kämpft und verbessert sich in allen Mannschaftsteilen, zunächst vor allem defensiv gegen Gladbach, gegen Frankfurt aber auch offensiv. Stück für Stück entwickelt sich eine neu formierte TSG, die, wenn es eben „weiter so“ geht, bald auch Punkte einsammeln wird. Dabei verändert sich das Gesicht der TSG ganz erheblich. Aus viel Sonnenschein kommend, müssen in dauerhaft schlechtem Wetter neue Fähigkeiten herausgebildet werden. Das dauert seine Zeit, ist in den Konturen aber bereits sichtbar.
Darüber denken die Lästerer und Neider natürlich ganz anders. Gegen die Eintracht haben sie wieder einen designierten Absteiger spielen sehen, eine Offensive ohne Biss, eine Defensive ohne Ordnung, einen Torhüter von vermeintlich vergangenem Glanz. Aber warum war Hoffenheim dann nahe daran, wie schon gegen Gladbach, einen Punkt aus Frankfurt mitzunehmen? Sehr einfach: weil die TSG, wenn sie verliert oder nicht gewinnt, inzwischen nur noch ganz knapp an den Punkten vorbeischrammt. Die Mannschaft gewinnt deutlich an Format, die Aufwärtsentwicklung ist unverkennbar.
Völlige Eintracht
Es gehört zu den schwierigsten Aufgaben im Trainergeschäft, eine am Boden liegende Mannschaft wieder aufzurichten und ihr neues Selbstvertrauen einzuflößen. Trainer Kurz hat hier in kurzer Zeit schon vieles vollbracht, die neuen Verpflichtungen werden zusätzliche Kräfte freimachen. Trotzdem liegt noch eine große Kraftanstrengung vor Verein und Mannschaft, der sich offenbar nicht jeder, aus welchen Gründen auch immer, gewachsen fühlt. Für den inneren Zusammenhalt ist es aber wichtig, dass die TSG die enorme Herausforderung in völliger Eintracht angeht. Denn das Mittelfeld der Liga ist in dieser Saison so geschlossen wie selten. Es braucht einen langen Atem, um an dessen unteren Rand vorzustoßen.
Der nächste Gegner hat sich sogar im oberen Bereich des Mittelfelds fast festgesetzt. Freiburg, vor einem Jahr ähnlich ungünstig in die Rückrunde gestartet wie diesmal Hoffenheim, hat unter Trainer Streich eine erstaunliche Entwicklung genommen. Das Baden-Derby wird daher schwer umkämpft sein, für beide Teams geht es um sehr viel: Freiburg will den Erfolg wahren, Hoffenheim will in die Erfolgsspur zurückfinden. Beide Teams werden grunddefensiv in die Partie gehen und den Gegner jeweils müde kämpfen und auskontern wollen. Dass die Freiburger Spieler, wenn auch nicht ihr Trainer, dazu neigen werden, Hoffenheim zu unterschätzen, und mit einem Auge schon auf die europäischen Plätze schielen, kann für die TSG die entscheidende Lücke bedeuten. Es wird in jedem Fall eine extrem spannende Partie werden.
Quelle: TSG 1899 Hoffenheim